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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867.

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das Medicinalwesen des preußischen Staates I. 12. ff. -- Oesterreich:
Kopetz
, Polizeigesetzkunde I. §. 384 und II. 760; Frank VII. S. 321;
derselbe über die früheren Verhältnisse der Chirurgie in Sachsen
und Bayern daselbst 2. 6. nebst dem Grundgedanken, daß Chirurgie
und Medicin vereint werden müsse. -- Baden: Die in den wesent-
lichen Punkten noch jetzt gültige Medicinalordnung von 1806. Das
Spezielle folgt.

Was speziell England betrifft, so ist es am weitesten zurück.
Hier galt bis auf die neueste Zeit der Grundsatz, daß es kein öffent-
liches Berufsrecht
der Aerzte (ebensowenig der Apotheker) gibt. Die
Verwaltung kümmerte sich gar nicht um die Bildung und das Recht
derselben; gesetzlich war kein Diplom zur Praxis erforderlich. Der
sogen. Doctor in medicine lernte nur bei einem andern, meist nur
ausübenden Chirurgen; nur galt das Gesetz, daß sich Niemand Doctor,
Physician
oder Surgeon öffentlich nennen darf, der nicht eine
Prüfung bei einer medicinischen Genossenschaft, wie sie dort ohne
Oberaufsicht bestehen, als College of Surgeons, of Physicians u. s. w.
bestehen, oder bei einer University abgehalten hat. Vorschriften über
den Bildungsgang, Gegenstand der Prüfung, Verpflichtungen der Aerzte
oder Aehnliches bestanden keine; es war rein fakultativ, ob der Ein-
zelne einen -- etwa viermonatlichen -- Cursus in einem Hospital durch-
gemacht oder nicht. Das alles hat nun das Statut 20, 21. Vict. zu
ändern unternommen (s. unten). Medicinische Fakultäten bestehen zwar,
aber dieselben sind auch jetzt ohne Recht gegenüber den Aerzten; sie
werden wenig benützt und haben nur einen "ornamentalen Charakter."
Daher denn das Mißverhältniß, daß die meisten Aerzte -- surgeons --
ihre eigene Apotheken halten, in Folge dessen umsonst kuriren und sich
in den Medicinen bezahlen lassen -- natürlich ohne Recepte; viele
haben eine stereotype selbstgemachte Taxe (jede Flasche Medicin zwei
Schilling, Consultation gratis). Schlimmer noch das Apothekerwesen
(s. unten). "Ueber kurz oder lang wird," sagt ein Fachkenner, das
Medicinalwesen unter die Oberaufsicht des Staates gestellt werden müssen,
so sehr sich auch die Fanatiker des free trade in diesem Augenblick da-
gegen sträuben." Eine Literatur darüber existirt nicht. Ueber das Ver-
hältniß der Universitäten zur medicinischen Bildung s. unter Englands
Berufsbildungswesen. (Vergl. V. A. Huber, die englischen Universitäten
Bd. II. S. 471. ff.) Die Unverträglichkeit dieser Zustände hat sich
jetzt in dem citirten Gesetz geltend gemacht und das obige Wort bewahr-
heitet; allein es wird große Anstrengungen und namentlich die Ein-
führung geeigneter medicinischer Bildungsanstalten, an denen es in
England fehlt, fordern, um ein wirkliches Resultat zu erzielen. -- Das

das Medicinalweſen des preußiſchen Staates I. 12. ff. — Oeſterreich:
Kopetz
, Polizeigeſetzkunde I. §. 384 und II. 760; Frank VII. S. 321;
derſelbe über die früheren Verhältniſſe der Chirurgie in Sachſen
und Bayern daſelbſt 2. 6. nebſt dem Grundgedanken, daß Chirurgie
und Medicin vereint werden müſſe. — Baden: Die in den weſent-
lichen Punkten noch jetzt gültige Medicinalordnung von 1806. Das
Spezielle folgt.

Was ſpeziell England betrifft, ſo iſt es am weiteſten zurück.
Hier galt bis auf die neueſte Zeit der Grundſatz, daß es kein öffent-
liches Berufsrecht
der Aerzte (ebenſowenig der Apotheker) gibt. Die
Verwaltung kümmerte ſich gar nicht um die Bildung und das Recht
derſelben; geſetzlich war kein Diplom zur Praxis erforderlich. Der
ſogen. Doctor in medicine lernte nur bei einem andern, meiſt nur
ausübenden Chirurgen; nur galt das Geſetz, daß ſich Niemand Doctor,
Physician
oder Surgeon öffentlich nennen darf, der nicht eine
Prüfung bei einer mediciniſchen Genoſſenſchaft, wie ſie dort ohne
Oberaufſicht beſtehen, als College of Surgeons, of Physicians u. ſ. w.
beſtehen, oder bei einer University abgehalten hat. Vorſchriften über
den Bildungsgang, Gegenſtand der Prüfung, Verpflichtungen der Aerzte
oder Aehnliches beſtanden keine; es war rein fakultativ, ob der Ein-
zelne einen — etwa viermonatlichen — Curſus in einem Hoſpital durch-
gemacht oder nicht. Das alles hat nun das Statut 20, 21. Vict. zu
ändern unternommen (ſ. unten). Mediciniſche Fakultäten beſtehen zwar,
aber dieſelben ſind auch jetzt ohne Recht gegenüber den Aerzten; ſie
werden wenig benützt und haben nur einen „ornamentalen Charakter.“
Daher denn das Mißverhältniß, daß die meiſten Aerzte — surgeons
ihre eigene Apotheken halten, in Folge deſſen umſonſt kuriren und ſich
in den Medicinen bezahlen laſſen — natürlich ohne Recepte; viele
haben eine ſtereotype ſelbſtgemachte Taxe (jede Flaſche Medicin zwei
Schilling, Conſultation gratis). Schlimmer noch das Apothekerweſen
(ſ. unten). „Ueber kurz oder lang wird,“ ſagt ein Fachkenner, das
Medicinalweſen unter die Oberaufſicht des Staates geſtellt werden müſſen,
ſo ſehr ſich auch die Fanatiker des free trade in dieſem Augenblick da-
gegen ſträuben.“ Eine Literatur darüber exiſtirt nicht. Ueber das Ver-
hältniß der Univerſitäten zur mediciniſchen Bildung ſ. unter Englands
Berufsbildungsweſen. (Vergl. V. A. Huber, die engliſchen Univerſitäten
Bd. II. S. 471. ff.) Die Unverträglichkeit dieſer Zuſtände hat ſich
jetzt in dem citirten Geſetz geltend gemacht und das obige Wort bewahr-
heitet; allein es wird große Anſtrengungen und namentlich die Ein-
führung geeigneter mediciniſcher Bildungsanſtalten, an denen es in
England fehlt, fordern, um ein wirkliches Reſultat zu erzielen. — Das

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[100/0116] das Medicinalweſen des preußiſchen Staates I. 12. ff. — Oeſterreich: Kopetz, Polizeigeſetzkunde I. §. 384 und II. 760; Frank VII. S. 321; derſelbe über die früheren Verhältniſſe der Chirurgie in Sachſen und Bayern daſelbſt 2. 6. nebſt dem Grundgedanken, daß Chirurgie und Medicin vereint werden müſſe. — Baden: Die in den weſent- lichen Punkten noch jetzt gültige Medicinalordnung von 1806. Das Spezielle folgt. Was ſpeziell England betrifft, ſo iſt es am weiteſten zurück. Hier galt bis auf die neueſte Zeit der Grundſatz, daß es kein öffent- liches Berufsrecht der Aerzte (ebenſowenig der Apotheker) gibt. Die Verwaltung kümmerte ſich gar nicht um die Bildung und das Recht derſelben; geſetzlich war kein Diplom zur Praxis erforderlich. Der ſogen. Doctor in medicine lernte nur bei einem andern, meiſt nur ausübenden Chirurgen; nur galt das Geſetz, daß ſich Niemand Doctor, Physician oder Surgeon öffentlich nennen darf, der nicht eine Prüfung bei einer mediciniſchen Genoſſenſchaft, wie ſie dort ohne Oberaufſicht beſtehen, als College of Surgeons, of Physicians u. ſ. w. beſtehen, oder bei einer University abgehalten hat. Vorſchriften über den Bildungsgang, Gegenſtand der Prüfung, Verpflichtungen der Aerzte oder Aehnliches beſtanden keine; es war rein fakultativ, ob der Ein- zelne einen — etwa viermonatlichen — Curſus in einem Hoſpital durch- gemacht oder nicht. Das alles hat nun das Statut 20, 21. Vict. zu ändern unternommen (ſ. unten). Mediciniſche Fakultäten beſtehen zwar, aber dieſelben ſind auch jetzt ohne Recht gegenüber den Aerzten; ſie werden wenig benützt und haben nur einen „ornamentalen Charakter.“ Daher denn das Mißverhältniß, daß die meiſten Aerzte — surgeons — ihre eigene Apotheken halten, in Folge deſſen umſonſt kuriren und ſich in den Medicinen bezahlen laſſen — natürlich ohne Recepte; viele haben eine ſtereotype ſelbſtgemachte Taxe (jede Flaſche Medicin zwei Schilling, Conſultation gratis). Schlimmer noch das Apothekerweſen (ſ. unten). „Ueber kurz oder lang wird,“ ſagt ein Fachkenner, das Medicinalweſen unter die Oberaufſicht des Staates geſtellt werden müſſen, ſo ſehr ſich auch die Fanatiker des free trade in dieſem Augenblick da- gegen ſträuben.“ Eine Literatur darüber exiſtirt nicht. Ueber das Ver- hältniß der Univerſitäten zur mediciniſchen Bildung ſ. unter Englands Berufsbildungsweſen. (Vergl. V. A. Huber, die engliſchen Univerſitäten Bd. II. S. 471. ff.) Die Unverträglichkeit dieſer Zuſtände hat ſich jetzt in dem citirten Geſetz geltend gemacht und das obige Wort bewahr- heitet; allein es wird große Anſtrengungen und namentlich die Ein- führung geeigneter mediciniſcher Bildungsanſtalten, an denen es in England fehlt, fordern, um ein wirkliches Reſultat zu erzielen. — Das

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre03_1867/116>, abgerufen am 22.11.2024.