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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867.

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oder physiologisch nachweisbare Gefahr anerkennt. Sein Objekt ist
daher eine spezielle Gefährdung. Die Zukunft dieses Zweiges der
Polizei wird darin bestehen, daß dieselbe von den speziellen und nach-
weisbaren einzelnen Gefährdungen zu denjenigen hinaufsteigt, welche
in den äußeren Verhältnissen des Betriebes, namentlich in den Werk-
stätten der Handwerker
liegen. Das kann allerdings nur durch
die höhere Bildung des Handwerkerstandes und durch die körperschaft-
liche Gestaltung desselben in Genossenschaften geschehen. Erst von ihnen
aus wird eine neue Epoche der gewerblichen oder allgemeinen Gesund-
heitspolizei beginnen.

Bis dahin nun gibt es, wie gesagt, nur einzelne Bestimmungen,
und diese sind wieder in den einzelnen Ländern sowohl im Princip als
in der Ausführung sehr verschieden. Man muß hier das englische und
das continentale Princip scheiden.

Das englische Princip ist das der Nuisances Removal Act. Die
Grundlage derselben ist, daß die Polizei nirgends, und zwar weder
bei der Anlage, noch bei dem Betriebe, entscheidet, sondern es dem
Einzelnen überläßt, eine Klage wegen Gefährdung der Gesundheit durch
den Betrieb einer Unternehmung auf Grundlage des Gutachtens zweier
praktischer Aerzte oder des Inspektors des Board of Health einzubringen,
daß entweder der Unternehmer wirklich Schädliches thue, oder die
besten anwendbaren Mittel, die Nuisances und Diseases zu hindern,
nicht angewendet habe, worauf entweder Verurtheilung zur Abstellung
erfolgt, oder eine Frist für dieselbe bewilligt wird (Vict. 28). Das
völlige Ungenügen dieser Bestimmungen liegt auf der Hand. Das Gesetz
selbst hat daher schon Ausnahmen machen müssen, und zwar erstens
in dem direkten Verbot, durch Abfluß der Ausgüsse der Gasworks etc.
die Trinkwasser zu gefährden, andererseits in dem polizeilichen Recht
der sanitären Untersuchung der Kohlenbergwerke (Nuisances Rem.
Act s. 23,
über die Inspektion der Kohlenwerke noch besonders 24. 25.
Vict. 151). Eintritt "at all reasonable times, by day or night.
Dazu ist noch 7 Vict. c. 15 hinzuzufügen, welches dem Inspektor das
Recht gibt, zu jeder Zeit in jeden Theil einer Fabrik einzugehen und
dieselbe zu untersuchen. Alles Uebrige ist der Privatklage überlassen
(Pappenheim a. a. O. S. 160 ff.) Doch hat England daneben eine
spezielle und wichtige Gesetzgebung über den Betrieb in den größeren
Fabriken, während es sich um die kleineren nicht kümmert. Diese be-
ginnt bereits mit 4 Georg IV. 103, und bezieht sich ursprünglich nur
auf die Kinderarbeit. Allmählig werden aber auch allgemeine sanitäts-
polizeiliche Bestimmungen hineingenommen, und die darauf bezüglichen
Gesetze sind dann zusammengefaßt in der Factorys Act Extension Act

oder phyſiologiſch nachweisbare Gefahr anerkennt. Sein Objekt iſt
daher eine ſpezielle Gefährdung. Die Zukunft dieſes Zweiges der
Polizei wird darin beſtehen, daß dieſelbe von den ſpeziellen und nach-
weisbaren einzelnen Gefährdungen zu denjenigen hinaufſteigt, welche
in den äußeren Verhältniſſen des Betriebes, namentlich in den Werk-
ſtätten der Handwerker
liegen. Das kann allerdings nur durch
die höhere Bildung des Handwerkerſtandes und durch die körperſchaft-
liche Geſtaltung deſſelben in Genoſſenſchaften geſchehen. Erſt von ihnen
aus wird eine neue Epoche der gewerblichen oder allgemeinen Geſund-
heitspolizei beginnen.

Bis dahin nun gibt es, wie geſagt, nur einzelne Beſtimmungen,
und dieſe ſind wieder in den einzelnen Ländern ſowohl im Princip als
in der Ausführung ſehr verſchieden. Man muß hier das engliſche und
das continentale Princip ſcheiden.

Das engliſche Princip iſt das der Nuisances Removal Act. Die
Grundlage derſelben iſt, daß die Polizei nirgends, und zwar weder
bei der Anlage, noch bei dem Betriebe, entſcheidet, ſondern es dem
Einzelnen überläßt, eine Klage wegen Gefährdung der Geſundheit durch
den Betrieb einer Unternehmung auf Grundlage des Gutachtens zweier
praktiſcher Aerzte oder des Inſpektors des Board of Health einzubringen,
daß entweder der Unternehmer wirklich Schädliches thue, oder die
beſten anwendbaren Mittel, die Nuisances und Diseases zu hindern,
nicht angewendet habe, worauf entweder Verurtheilung zur Abſtellung
erfolgt, oder eine Friſt für dieſelbe bewilligt wird (Vict. 28). Das
völlige Ungenügen dieſer Beſtimmungen liegt auf der Hand. Das Geſetz
ſelbſt hat daher ſchon Ausnahmen machen müſſen, und zwar erſtens
in dem direkten Verbot, durch Abfluß der Ausgüſſe der Gasworks ꝛc.
die Trinkwaſſer zu gefährden, andererſeits in dem polizeilichen Recht
der ſanitären Unterſuchung der Kohlenbergwerke (Nuisances Rem.
Act s. 23,
über die Inſpektion der Kohlenwerke noch beſonders 24. 25.
Vict. 151). Eintritt „at all reasonable times, by day or night.
Dazu iſt noch 7 Vict. c. 15 hinzuzufügen, welches dem Inſpektor das
Recht gibt, zu jeder Zeit in jeden Theil einer Fabrik einzugehen und
dieſelbe zu unterſuchen. Alles Uebrige iſt der Privatklage überlaſſen
(Pappenheim a. a. O. S. 160 ff.) Doch hat England daneben eine
ſpezielle und wichtige Geſetzgebung über den Betrieb in den größeren
Fabriken, während es ſich um die kleineren nicht kümmert. Dieſe be-
ginnt bereits mit 4 Georg IV. 103, und bezieht ſich urſprünglich nur
auf die Kinderarbeit. Allmählig werden aber auch allgemeine ſanitäts-
polizeiliche Beſtimmungen hineingenommen, und die darauf bezüglichen
Geſetze ſind dann zuſammengefaßt in der Factorys Act Extension Act

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[85/0101] oder phyſiologiſch nachweisbare Gefahr anerkennt. Sein Objekt iſt daher eine ſpezielle Gefährdung. Die Zukunft dieſes Zweiges der Polizei wird darin beſtehen, daß dieſelbe von den ſpeziellen und nach- weisbaren einzelnen Gefährdungen zu denjenigen hinaufſteigt, welche in den äußeren Verhältniſſen des Betriebes, namentlich in den Werk- ſtätten der Handwerker liegen. Das kann allerdings nur durch die höhere Bildung des Handwerkerſtandes und durch die körperſchaft- liche Geſtaltung deſſelben in Genoſſenſchaften geſchehen. Erſt von ihnen aus wird eine neue Epoche der gewerblichen oder allgemeinen Geſund- heitspolizei beginnen. Bis dahin nun gibt es, wie geſagt, nur einzelne Beſtimmungen, und dieſe ſind wieder in den einzelnen Ländern ſowohl im Princip als in der Ausführung ſehr verſchieden. Man muß hier das engliſche und das continentale Princip ſcheiden. Das engliſche Princip iſt das der Nuisances Removal Act. Die Grundlage derſelben iſt, daß die Polizei nirgends, und zwar weder bei der Anlage, noch bei dem Betriebe, entſcheidet, ſondern es dem Einzelnen überläßt, eine Klage wegen Gefährdung der Geſundheit durch den Betrieb einer Unternehmung auf Grundlage des Gutachtens zweier praktiſcher Aerzte oder des Inſpektors des Board of Health einzubringen, daß entweder der Unternehmer wirklich Schädliches thue, oder die beſten anwendbaren Mittel, die Nuisances und Diseases zu hindern, nicht angewendet habe, worauf entweder Verurtheilung zur Abſtellung erfolgt, oder eine Friſt für dieſelbe bewilligt wird (Vict. 28). Das völlige Ungenügen dieſer Beſtimmungen liegt auf der Hand. Das Geſetz ſelbſt hat daher ſchon Ausnahmen machen müſſen, und zwar erſtens in dem direkten Verbot, durch Abfluß der Ausgüſſe der Gasworks ꝛc. die Trinkwaſſer zu gefährden, andererſeits in dem polizeilichen Recht der ſanitären Unterſuchung der Kohlenbergwerke (Nuisances Rem. Act s. 23, über die Inſpektion der Kohlenwerke noch beſonders 24. 25. Vict. 151). Eintritt „at all reasonable times, by day or night. Dazu iſt noch 7 Vict. c. 15 hinzuzufügen, welches dem Inſpektor das Recht gibt, zu jeder Zeit in jeden Theil einer Fabrik einzugehen und dieſelbe zu unterſuchen. Alles Uebrige iſt der Privatklage überlaſſen (Pappenheim a. a. O. S. 160 ff.) Doch hat England daneben eine ſpezielle und wichtige Geſetzgebung über den Betrieb in den größeren Fabriken, während es ſich um die kleineren nicht kümmert. Dieſe be- ginnt bereits mit 4 Georg IV. 103, und bezieht ſich urſprünglich nur auf die Kinderarbeit. Allmählig werden aber auch allgemeine ſanitäts- polizeiliche Beſtimmungen hineingenommen, und die darauf bezüglichen Geſetze ſind dann zuſammengefaßt in der Factorys Act Extension Act

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre03_1867/101>, abgerufen am 24.11.2024.