und Armenzuständigkeit, Gemeindewesen und Heimathswesen, noch nicht erkannt ist. Im Gegentheil gehört die ganze Lehre von dem erstern der Lehre von der vollziehenden Gewalt, speziell der Lehre von der Selbstverwaltung, die Lehre von dem letztern der Lehre von der innern Verwaltung, speciell vom Hülfswesen. Es ist nicht möglich, sich über das Heimathswesen klar und einig zu werden, ehe man sich über das Armenwesen klar und einig ist. Erst aus dem Princip für die Armenverwaltung wird das Princip, die Klarheit und Gleichartigkeit für das Heimathwesen auch in Deutschland hervorgehen.
Wir dürfen uns daher hier begnügen, nur die Quellen des geltenden Rechts für den gegenwärtigen, aus den obigen Gründen unmeßbar verwirrten Zustand des Heimathswesens in Deutschland anzuführen, da wir ihn in jeder Beziehung nur als einen Uebergangszustand aner- kennen können.
Literatur und Gesetzgebung für das deutsche Heimathsrecht.
Im Allgemeinen muß man bei jeder Beurtheilung von Literatur und Gesetzgebung namentlich über Gemeindeangehörigkeit und Heimaths- wesen festhalten, daß die beständige Verschmelzung beider Begriffe und der mehr oder weniger klar ausgesprochene Grundgedanke, daß das Heimathsrecht nur ein Theil der Gemeindeangehörigkeit sei und sein, und also auch als solches verstanden und organisirt werden solle, eine eingehende Kritik von unserm Standpunkte gar nicht als thunlich erscheinen läßt. Es ist eben auf diesem Wege zu keinem Re- sultat zu kommen; nicht einmal darüber wird man einig, ob nicht auch das ganze Indigenationsrecht mit in das Heimathsrecht hinein gehöre. So hat Weiske in seiner sonst trefflichen Einleitung zu seiner "Samm- lung neuer deutscher Gemeindegesetze" 1848 das Heimathswesen gar nicht berührt. Döhl in seiner "Armenpflege des preußischen Staats" 1860 läßt dafür wieder das Gemeinderecht weg; Bitzers oben ange- führtes Werk wirft Buntes durcheinander; die höchst geschmackvoll ge- arbeitete und in ihrem Gebiete wohldurchdachte kleine Schrift von Varnbühler: "Ueber die Frage eines deutschen Heimathsrechts" 1864 hat sich leider wesentlich auf jenes wunderliche Gebiet beschränkt, welches wir das internationale Heimathsrecht unter den einzelnen deutschen Staaten nennen müssen, ohne auf das innere Heimathsrecht der ein- zelnen Staaten einzugehen; Schäffle, Deutsche Vierteljahrs-Schrift 1853 bleibt sehr unklar; Swieceny (s. u.) verschmilzt es vielfach mit dem Staatsbürgerthum; Stubenrauch läßt wieder das Gemeinde-
und Armenzuſtändigkeit, Gemeindeweſen und Heimathsweſen, noch nicht erkannt iſt. Im Gegentheil gehört die ganze Lehre von dem erſtern der Lehre von der vollziehenden Gewalt, ſpeziell der Lehre von der Selbſtverwaltung, die Lehre von dem letztern der Lehre von der innern Verwaltung, ſpeciell vom Hülfsweſen. Es iſt nicht möglich, ſich über das Heimathsweſen klar und einig zu werden, ehe man ſich über das Armenweſen klar und einig iſt. Erſt aus dem Princip für die Armenverwaltung wird das Princip, die Klarheit und Gleichartigkeit für das Heimathweſen auch in Deutſchland hervorgehen.
Wir dürfen uns daher hier begnügen, nur die Quellen des geltenden Rechts für den gegenwärtigen, aus den obigen Gründen unmeßbar verwirrten Zuſtand des Heimathsweſens in Deutſchland anzuführen, da wir ihn in jeder Beziehung nur als einen Uebergangszuſtand aner- kennen können.
Literatur und Geſetzgebung für das deutſche Heimathsrecht.
Im Allgemeinen muß man bei jeder Beurtheilung von Literatur und Geſetzgebung namentlich über Gemeindeangehörigkeit und Heimaths- weſen feſthalten, daß die beſtändige Verſchmelzung beider Begriffe und der mehr oder weniger klar ausgeſprochene Grundgedanke, daß das Heimathsrecht nur ein Theil der Gemeindeangehörigkeit ſei und ſein, und alſo auch als ſolches verſtanden und organiſirt werden ſolle, eine eingehende Kritik von unſerm Standpunkte gar nicht als thunlich erſcheinen läßt. Es iſt eben auf dieſem Wege zu keinem Re- ſultat zu kommen; nicht einmal darüber wird man einig, ob nicht auch das ganze Indigenationsrecht mit in das Heimathsrecht hinein gehöre. So hat Weiske in ſeiner ſonſt trefflichen Einleitung zu ſeiner „Samm- lung neuer deutſcher Gemeindegeſetze“ 1848 das Heimathsweſen gar nicht berührt. Döhl in ſeiner „Armenpflege des preußiſchen Staats“ 1860 läßt dafür wieder das Gemeinderecht weg; Bitzers oben ange- führtes Werk wirft Buntes durcheinander; die höchſt geſchmackvoll ge- arbeitete und in ihrem Gebiete wohldurchdachte kleine Schrift von Varnbühler: „Ueber die Frage eines deutſchen Heimathsrechts“ 1864 hat ſich leider weſentlich auf jenes wunderliche Gebiet beſchränkt, welches wir das internationale Heimathsrecht unter den einzelnen deutſchen Staaten nennen müſſen, ohne auf das innere Heimathsrecht der ein- zelnen Staaten einzugehen; Schäffle, Deutſche Vierteljahrs-Schrift 1853 bleibt ſehr unklar; Swieceny (ſ. u.) verſchmilzt es vielfach mit dem Staatsbürgerthum; Stubenrauch läßt wieder das Gemeinde-
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und Armenzuſtändigkeit, Gemeindeweſen und Heimathsweſen, noch
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der Selbſtverwaltung, die Lehre von dem letztern der Lehre von der
innern Verwaltung, ſpeciell vom Hülfsweſen. Es iſt nicht möglich, ſich
über das Heimathsweſen klar und einig zu werden, ehe man ſich
über das Armenweſen klar und einig iſt. Erſt aus dem
Princip für die Armenverwaltung wird das Princip, die
Klarheit und Gleichartigkeit für das Heimathweſen auch
in Deutſchland hervorgehen.
Wir dürfen uns daher hier begnügen, nur die Quellen des geltenden
Rechts für den gegenwärtigen, aus den obigen Gründen unmeßbar
verwirrten Zuſtand des Heimathsweſens in Deutſchland anzuführen,
da wir ihn in jeder Beziehung nur als einen Uebergangszuſtand aner-
kennen können.
Literatur und Geſetzgebung für das deutſche Heimathsrecht.
Im Allgemeinen muß man bei jeder Beurtheilung von Literatur
und Geſetzgebung namentlich über Gemeindeangehörigkeit und Heimaths-
weſen feſthalten, daß die beſtändige Verſchmelzung beider Begriffe und
der mehr oder weniger klar ausgeſprochene Grundgedanke, daß das
Heimathsrecht nur ein Theil der Gemeindeangehörigkeit ſei und ſein,
und alſo auch als ſolches verſtanden und organiſirt werden
ſolle, eine eingehende Kritik von unſerm Standpunkte gar nicht als
thunlich erſcheinen läßt. Es iſt eben auf dieſem Wege zu keinem Re-
ſultat zu kommen; nicht einmal darüber wird man einig, ob nicht auch
das ganze Indigenationsrecht mit in das Heimathsrecht hinein gehöre.
So hat Weiske in ſeiner ſonſt trefflichen Einleitung zu ſeiner „Samm-
lung neuer deutſcher Gemeindegeſetze“ 1848 das Heimathsweſen gar
nicht berührt. Döhl in ſeiner „Armenpflege des preußiſchen Staats“
1860 läßt dafür wieder das Gemeinderecht weg; Bitzers oben ange-
führtes Werk wirft Buntes durcheinander; die höchſt geſchmackvoll ge-
arbeitete und in ihrem Gebiete wohldurchdachte kleine Schrift von
Varnbühler: „Ueber die Frage eines deutſchen Heimathsrechts“ 1864
hat ſich leider weſentlich auf jenes wunderliche Gebiet beſchränkt, welches
wir das internationale Heimathsrecht unter den einzelnen deutſchen
Staaten nennen müſſen, ohne auf das innere Heimathsrecht der ein-
zelnen Staaten einzugehen; Schäffle, Deutſche Vierteljahrs-Schrift
1853 bleibt ſehr unklar; Swieceny (ſ. u.) verſchmilzt es vielfach mit
dem Staatsbürgerthum; Stubenrauch läßt wieder das Gemeinde-
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/362>, abgerufen am 16.02.2025.
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