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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.

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werden, da der Verkehr vor allem der möglichsten Klarheit und Ein-
fachheit des Rechts der Angehörigkeit bedarf, um mit ihr die Rechts-
sicherheit für seine einzelnen Akte zu gewinnen. Selbst da, wo sich die
ständischen Rechte nicht sogleich beseitigen ließen, forderte daher das
junge volkswirthschaftliche Leben die Anerkennung zweier großen Prin-
cipien, die Rechtsgleichheit aller Stände für die bindende Kraft der
Verträge
und zur Verwirklichung derselben allgemein gültige Grund-
sätze für die gerichtliche Competenz. Und während es die eigentlich
große historische That des römischen Rechts ist, jenes Princip der
Rechtsgleichheit für das Vertragsrecht durchgeführt zu haben, hat die
Lehre vom Civilproceß und die sich an dieselbe anschließende Reichs-
und Territorialgesetzgebung das nicht minder große Verdienst, Competenz-
principien, die von den ständischen Unterschieden unabhängig waren,
zuerst mit langem und hartnäckigem Kampfe zur Geltung gebracht zu
haben. Das geschah durch die Lehre vom Forum. Die juristische Theorie
vom Systeme des Forums hat eine weit über den Proceß hinausgehende
Bedeutung. Sie ist die erste, auf dem Princip der bürgerlichen Gleich-
heit
beruhende Ordnung der Bevölkerung zunächst für die Rechtspflege;
sie ist das juristische System für die Competenz des amt-
lichen Gerichts
im Gegensatz zum ständischen. Man kann das wohl
kaum für Sachkundige klarer und besser bezeichnen, als indem man
sagt, daß während die auf den Ungleichheiten der Personen und des
Besitzes beruhenden ständischen Gerichtscompetenzen mit ihren hundert-
fachen Unterschieden bisher die Regel waren, die Bildung des deutschen
Gemeinen Civilprocesses sie als Ausnahmen, als "privilegirte" Ge-
richtsstände hinstellte. Der Fortschritt, der in dieser Bezeichnung liegt,
ist ein sehr großer; der Kampf, der mit ihr gegen diese Privilegien er-
öffnet wird, ein vernichtender. Wenn die Staatswissenschaft einmal
allgemein den Satz anerkannt haben wird, daß der ganze bürgerliche
und Strafproceß nichts ist als eine große Verwaltungsmaßregel für
die Rechtsverwaltung, werden wir auch eine, mit der Entwicklung der
Gesellschaftsordnung in organischer Verbindung stehende Geschichte des
Processes im Allgemeinen, des Beweisverfahrens und der Beweismittel
im Besonderen, und endlich der Lehre vom Forum haben. Denn diese
Lehre ist es, bei welcher die Zuständigkeit des Einzelnen zuerst auf
die im Wesen des persönlichen Lebens, und nicht auf die ständischen
Unterschiede zurückgeführt ist. Wir müssen das andern Arbeitern über-
lassen; doch ist es verstattet, hier auf den ersten Versuch einer solchen
historischen Geschichte des Processes in meiner französischen Rechtsgeschichte
(Warnkönig und Stein, Bd. 3) hinzuweisen. Ohne allen Zweifel aber
wird dieß historisch die Grundlage für die ganze Systematik des amtlichen

werden, da der Verkehr vor allem der möglichſten Klarheit und Ein-
fachheit des Rechts der Angehörigkeit bedarf, um mit ihr die Rechts-
ſicherheit für ſeine einzelnen Akte zu gewinnen. Selbſt da, wo ſich die
ſtändiſchen Rechte nicht ſogleich beſeitigen ließen, forderte daher das
junge volkswirthſchaftliche Leben die Anerkennung zweier großen Prin-
cipien, die Rechtsgleichheit aller Stände für die bindende Kraft der
Verträge
und zur Verwirklichung derſelben allgemein gültige Grund-
ſätze für die gerichtliche Competenz. Und während es die eigentlich
große hiſtoriſche That des römiſchen Rechts iſt, jenes Princip der
Rechtsgleichheit für das Vertragsrecht durchgeführt zu haben, hat die
Lehre vom Civilproceß und die ſich an dieſelbe anſchließende Reichs-
und Territorialgeſetzgebung das nicht minder große Verdienſt, Competenz-
principien, die von den ſtändiſchen Unterſchieden unabhängig waren,
zuerſt mit langem und hartnäckigem Kampfe zur Geltung gebracht zu
haben. Das geſchah durch die Lehre vom Forum. Die juriſtiſche Theorie
vom Syſteme des Forums hat eine weit über den Proceß hinausgehende
Bedeutung. Sie iſt die erſte, auf dem Princip der bürgerlichen Gleich-
heit
beruhende Ordnung der Bevölkerung zunächſt für die Rechtspflege;
ſie iſt das juriſtiſche Syſtem für die Competenz des amt-
lichen Gerichts
im Gegenſatz zum ſtändiſchen. Man kann das wohl
kaum für Sachkundige klarer und beſſer bezeichnen, als indem man
ſagt, daß während die auf den Ungleichheiten der Perſonen und des
Beſitzes beruhenden ſtändiſchen Gerichtscompetenzen mit ihren hundert-
fachen Unterſchieden bisher die Regel waren, die Bildung des deutſchen
Gemeinen Civilproceſſes ſie als Ausnahmen, als „privilegirte“ Ge-
richtsſtände hinſtellte. Der Fortſchritt, der in dieſer Bezeichnung liegt,
iſt ein ſehr großer; der Kampf, der mit ihr gegen dieſe Privilegien er-
öffnet wird, ein vernichtender. Wenn die Staatswiſſenſchaft einmal
allgemein den Satz anerkannt haben wird, daß der ganze bürgerliche
und Strafproceß nichts iſt als eine große Verwaltungsmaßregel für
die Rechtsverwaltung, werden wir auch eine, mit der Entwicklung der
Geſellſchaftsordnung in organiſcher Verbindung ſtehende Geſchichte des
Proceſſes im Allgemeinen, des Beweisverfahrens und der Beweismittel
im Beſonderen, und endlich der Lehre vom Forum haben. Denn dieſe
Lehre iſt es, bei welcher die Zuſtändigkeit des Einzelnen zuerſt auf
die im Weſen des perſönlichen Lebens, und nicht auf die ſtändiſchen
Unterſchiede zurückgeführt iſt. Wir müſſen das andern Arbeitern über-
laſſen; doch iſt es verſtattet, hier auf den erſten Verſuch einer ſolchen
hiſtoriſchen Geſchichte des Proceſſes in meiner franzöſiſchen Rechtsgeſchichte
(Warnkönig und Stein, Bd. 3) hinzuweiſen. Ohne allen Zweifel aber
wird dieß hiſtoriſch die Grundlage für die ganze Syſtematik des amtlichen

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[323/0345] werden, da der Verkehr vor allem der möglichſten Klarheit und Ein- fachheit des Rechts der Angehörigkeit bedarf, um mit ihr die Rechts- ſicherheit für ſeine einzelnen Akte zu gewinnen. Selbſt da, wo ſich die ſtändiſchen Rechte nicht ſogleich beſeitigen ließen, forderte daher das junge volkswirthſchaftliche Leben die Anerkennung zweier großen Prin- cipien, die Rechtsgleichheit aller Stände für die bindende Kraft der Verträge und zur Verwirklichung derſelben allgemein gültige Grund- ſätze für die gerichtliche Competenz. Und während es die eigentlich große hiſtoriſche That des römiſchen Rechts iſt, jenes Princip der Rechtsgleichheit für das Vertragsrecht durchgeführt zu haben, hat die Lehre vom Civilproceß und die ſich an dieſelbe anſchließende Reichs- und Territorialgeſetzgebung das nicht minder große Verdienſt, Competenz- principien, die von den ſtändiſchen Unterſchieden unabhängig waren, zuerſt mit langem und hartnäckigem Kampfe zur Geltung gebracht zu haben. Das geſchah durch die Lehre vom Forum. Die juriſtiſche Theorie vom Syſteme des Forums hat eine weit über den Proceß hinausgehende Bedeutung. Sie iſt die erſte, auf dem Princip der bürgerlichen Gleich- heit beruhende Ordnung der Bevölkerung zunächſt für die Rechtspflege; ſie iſt das juriſtiſche Syſtem für die Competenz des amt- lichen Gerichts im Gegenſatz zum ſtändiſchen. Man kann das wohl kaum für Sachkundige klarer und beſſer bezeichnen, als indem man ſagt, daß während die auf den Ungleichheiten der Perſonen und des Beſitzes beruhenden ſtändiſchen Gerichtscompetenzen mit ihren hundert- fachen Unterſchieden bisher die Regel waren, die Bildung des deutſchen Gemeinen Civilproceſſes ſie als Ausnahmen, als „privilegirte“ Ge- richtsſtände hinſtellte. Der Fortſchritt, der in dieſer Bezeichnung liegt, iſt ein ſehr großer; der Kampf, der mit ihr gegen dieſe Privilegien er- öffnet wird, ein vernichtender. Wenn die Staatswiſſenſchaft einmal allgemein den Satz anerkannt haben wird, daß der ganze bürgerliche und Strafproceß nichts iſt als eine große Verwaltungsmaßregel für die Rechtsverwaltung, werden wir auch eine, mit der Entwicklung der Geſellſchaftsordnung in organiſcher Verbindung ſtehende Geſchichte des Proceſſes im Allgemeinen, des Beweisverfahrens und der Beweismittel im Beſonderen, und endlich der Lehre vom Forum haben. Denn dieſe Lehre iſt es, bei welcher die Zuſtändigkeit des Einzelnen zuerſt auf die im Weſen des perſönlichen Lebens, und nicht auf die ſtändiſchen Unterſchiede zurückgeführt iſt. Wir müſſen das andern Arbeitern über- laſſen; doch iſt es verſtattet, hier auf den erſten Verſuch einer ſolchen hiſtoriſchen Geſchichte des Proceſſes in meiner franzöſiſchen Rechtsgeſchichte (Warnkönig und Stein, Bd. 3) hinzuweiſen. Ohne allen Zweifel aber wird dieß hiſtoriſch die Grundlage für die ganze Syſtematik des amtlichen

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/345>, abgerufen am 24.11.2024.