Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.Smith in die Nationalökonomie hineingezogen ward, fiel es derselben gar nicht I. Das allgemeine Rechtsprincip und System des Paß- und Fremdenwesens. (Begriff des öffentlichen Reiserechts. Doppelter Inhalt. Es enthält zuerst Offenbar ist der Wechsel des Aufenthalts zunächst ein Akt der Allein dieser Wechsel enthält zugleich andere Beziehungen. Er ist Smith in die Nationalökonomie hineingezogen ward, fiel es derſelben gar nicht I. Das allgemeine Rechtsprincip und Syſtem des Paß- und Fremdenweſens. (Begriff des öffentlichen Reiſerechts. Doppelter Inhalt. Es enthält zuerſt Offenbar iſt der Wechſel des Aufenthalts zunächſt ein Akt der Allein dieſer Wechſel enthält zugleich andere Beziehungen. Er iſt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0269" n="247"/> Smith in die Nationalökonomie hineingezogen ward, fiel es derſelben gar nicht<lb/> ein, mit der Bevölkerungslehre das Paßweſen zu verbinden; ſelbſt <hi rendition="#g">Rau</hi> läßt es<lb/> ganz bei Seite liegen. Aber auch die Populationiſtik und Statiſtik nahmen es<lb/> nicht auf, obwohl ſie den Wechſel der Bevölkerung als wichtige ſtatiſtiſche That-<lb/> ſachen anerkannten, und ſich mit Geburts- und Sterbeliſten eifrig beſchäftigten.<lb/> Vielleicht wäre es ganz aus der Wiſſenſchaft verſchwunden, wenn es nicht auf<lb/> Grundlage von territorialen und zum Theil bundesrechtlichen Vorſchriften noch<lb/> eine Heimath im Staatsrecht gefunden hätte, wie bei <hi rendition="#g">Klüber</hi> und <hi rendition="#g">Zachariä</hi>,<lb/> während die theoretiſche Staatsrechtslehre, wie bei <hi rendition="#g">Pölitz, Aretin, Rotteck</hi>,<lb/> ſich bis zu dieſen rein „polizeilichen“ Maßregeln nicht herabließen, und andere<lb/> wie <hi rendition="#g">Zöpfl</hi> es, wie es ſcheint, einfach vergeſſen haben. Auch im territorialen<lb/> Staatsrecht iſt die größte Verſchiedenheit. In den größeren Staaten, wie<lb/> Oeſterreich und Preußen, haben die Lehrer des poſitiven Rechts es allerdings<lb/> behandelt, wie <hi rendition="#g">Kopetz, Stubenrauch, Rönne</hi>; in andern wieder nicht, wie<lb/><hi rendition="#g">Milhauſer, Weiß</hi>; dagegen ſind <hi rendition="#g">Pötzl</hi> für Bayern, <hi rendition="#g">Mohl</hi> für Württemberg,<lb/><hi rendition="#g">Funke</hi> für Sachſen wieder ſehr ausführlich; die meiſten Staaten haben gar<lb/> keine Darſtellung gefunden. Daran ſchließen ſich rein praktiſche Darſtellungen<lb/> für die ausübende Paßpolizei, wie in Oeſterreich von <hi rendition="#g">Mayerhofer</hi>, in <hi rendition="#g">Preußen</hi><lb/> die neueſte Darſtellung von <hi rendition="#g">Rauer</hi>, citirt bei Rönne, in <hi rendition="#g">Sachſen Richters</hi><lb/> ſyſtematiſche Darſtellung von 1843; Arbeiten, die natürlich nur einen unmittel-<lb/> baren praktiſchen Werth haben. Früher gab es auch ganz allgemeine Samm-<lb/> lungen der Paßgeſetze (<hi rendition="#g">Kamptz</hi>, Literatur des Völkerrechts, und <hi rendition="#g">deſſen</hi> Samm-<lb/> lung der Paßgeſetze der europäiſchen Staaten, 1817). Der Einzige, der das<lb/> Paßweſen in neuerer Zeit behandelt hat, iſt <hi rendition="#g">Mohl</hi> in ſeiner Präventivjuſtiz<lb/> (§. 11). <hi rendition="#g">Mohl</hi> hat dabei nach dem Vorgange der ganzen bisherigen Literatur<lb/> im Paßweſen nichts als ein rein ſicherheitspolizeiliches Inſtitut geſehen, und<lb/> ſeine Darſtellung iſt daher nichts als eine theoretiſche Paßpolizei; doch hat er<lb/> die Fremdenbücher wenigſtens mit aufgenommen. <hi rendition="#g">Gerſtner</hi> iſt in ſeiner Be-<lb/> völkerungslehre über die Bevölkerungspolitik auch hier nicht hinausgekommen.</p><lb/> <div n="7"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I.</hi> Das allgemeine Rechtsprincip und Syſtem des Paß- und Fremdenweſens.</hi> </head><lb/> <argument> <p>(Begriff des öffentlichen Reiſerechts. Doppelter Inhalt. Es enthält zuerſt<lb/> das Recht auf eventuelles Verbot der örtlichen Bewegung, zweitens die Her-<lb/> ſtellung der öffentlich rechtlichen Bedingungen der Conſtatirung von Staats-<lb/> angehörigkeit und Individualität. — Das <hi rendition="#g">Syſtem</hi> der <hi rendition="#g">Mittel</hi> für dieſe<lb/> Verwaltungsaufgabe.)</p> </argument><lb/> <p>Offenbar iſt der Wechſel des Aufenthalts zunächſt ein Akt der<lb/> freien individuellen Selbſtbeſtimmung, und betrifft nur das Intereſſe<lb/> des Einzelnen. Es iſt daher zunächſt nicht bloß an ſich frei, ſondern<lb/> ſteht auch in ſo weit in keiner Beziehung zur Thätigkeit der Ver-<lb/> waltung.</p><lb/> <p>Allein dieſer Wechſel enthält zugleich andere Beziehungen. Er iſt<lb/> zunächſt das Verlaſſen der örtlichen Beziehungen des Individuums, die<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [247/0269]
Smith in die Nationalökonomie hineingezogen ward, fiel es derſelben gar nicht
ein, mit der Bevölkerungslehre das Paßweſen zu verbinden; ſelbſt Rau läßt es
ganz bei Seite liegen. Aber auch die Populationiſtik und Statiſtik nahmen es
nicht auf, obwohl ſie den Wechſel der Bevölkerung als wichtige ſtatiſtiſche That-
ſachen anerkannten, und ſich mit Geburts- und Sterbeliſten eifrig beſchäftigten.
Vielleicht wäre es ganz aus der Wiſſenſchaft verſchwunden, wenn es nicht auf
Grundlage von territorialen und zum Theil bundesrechtlichen Vorſchriften noch
eine Heimath im Staatsrecht gefunden hätte, wie bei Klüber und Zachariä,
während die theoretiſche Staatsrechtslehre, wie bei Pölitz, Aretin, Rotteck,
ſich bis zu dieſen rein „polizeilichen“ Maßregeln nicht herabließen, und andere
wie Zöpfl es, wie es ſcheint, einfach vergeſſen haben. Auch im territorialen
Staatsrecht iſt die größte Verſchiedenheit. In den größeren Staaten, wie
Oeſterreich und Preußen, haben die Lehrer des poſitiven Rechts es allerdings
behandelt, wie Kopetz, Stubenrauch, Rönne; in andern wieder nicht, wie
Milhauſer, Weiß; dagegen ſind Pötzl für Bayern, Mohl für Württemberg,
Funke für Sachſen wieder ſehr ausführlich; die meiſten Staaten haben gar
keine Darſtellung gefunden. Daran ſchließen ſich rein praktiſche Darſtellungen
für die ausübende Paßpolizei, wie in Oeſterreich von Mayerhofer, in Preußen
die neueſte Darſtellung von Rauer, citirt bei Rönne, in Sachſen Richters
ſyſtematiſche Darſtellung von 1843; Arbeiten, die natürlich nur einen unmittel-
baren praktiſchen Werth haben. Früher gab es auch ganz allgemeine Samm-
lungen der Paßgeſetze (Kamptz, Literatur des Völkerrechts, und deſſen Samm-
lung der Paßgeſetze der europäiſchen Staaten, 1817). Der Einzige, der das
Paßweſen in neuerer Zeit behandelt hat, iſt Mohl in ſeiner Präventivjuſtiz
(§. 11). Mohl hat dabei nach dem Vorgange der ganzen bisherigen Literatur
im Paßweſen nichts als ein rein ſicherheitspolizeiliches Inſtitut geſehen, und
ſeine Darſtellung iſt daher nichts als eine theoretiſche Paßpolizei; doch hat er
die Fremdenbücher wenigſtens mit aufgenommen. Gerſtner iſt in ſeiner Be-
völkerungslehre über die Bevölkerungspolitik auch hier nicht hinausgekommen.
I. Das allgemeine Rechtsprincip und Syſtem des Paß- und Fremdenweſens.
(Begriff des öffentlichen Reiſerechts. Doppelter Inhalt. Es enthält zuerſt
das Recht auf eventuelles Verbot der örtlichen Bewegung, zweitens die Her-
ſtellung der öffentlich rechtlichen Bedingungen der Conſtatirung von Staats-
angehörigkeit und Individualität. — Das Syſtem der Mittel für dieſe
Verwaltungsaufgabe.)
Offenbar iſt der Wechſel des Aufenthalts zunächſt ein Akt der
freien individuellen Selbſtbeſtimmung, und betrifft nur das Intereſſe
des Einzelnen. Es iſt daher zunächſt nicht bloß an ſich frei, ſondern
ſteht auch in ſo weit in keiner Beziehung zur Thätigkeit der Ver-
waltung.
Allein dieſer Wechſel enthält zugleich andere Beziehungen. Er iſt
zunächſt das Verlaſſen der örtlichen Beziehungen des Individuums, die
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