diese Auswanderung einen großen Einfluß auf das Einwanderungsrecht; denn es gibt gar keinen Bevölkerungszustand, in dem nicht jeder Staat gerne berufstüchtige Leute zu sich heran zöge; den berufsmäßigen Aus- wanderern haben daher alle Staaten fast ausnahmslos gerne die Gränzen geöffnet, und die in der Darstellung des Einwanderungsrechts bezeichneten Unterstützungen der Einwanderer beziehen sich eben auf diese Form der Auswanderung. -- Die Massenauswanderungen da- gegen entstehen in dieser Epoche stets wesentlich aus geistigen, meist religiösen Gründen. Sie sind ursprünglich, in ihrer großartigsten Form, Versuche, Eroberungen für die Religion zu machen, wie die Kreuzzüge, die Züge der Araber, der Türken, und andere. Dahin ge- hören im Grunde auch die Massenauswanderungen der Spanier und Portugiesen nach Amerika, während die der Holländer dem Colonial- wesen und die der Engländer dem folgenden gehören. Dann aber erscheinen sie als letzter, verzweiflungsvoller Schritt, sich der religiösen Unfreiheit zu entziehen: die kirchlichen Auswanderungen. Das Cha- rakteristische dieser Auswanderungen ist es stets, daß sie mit dem Classen- und Besitzunterschied gar nichts gemein haben, sondern vielmehr mit dem Aufgeben des eignen Besitzes in der Heimath verbunden sind. Solche Auswanderungen verbreiten sich, je nachdem die unter- drückte Confession in einem ganzen Lande verbreitet ist, über das ganze Land, wie im 17. Jahrhundert über England, deren Geschichte uns die Historiker der Union so trefflich schildern, oder sie finden nur aus be- gränzten Gebieten statt, wie die der Salzburger Protestanten. Sie wirken stets in großartiger Weise; denn sie bringen den tiefen sittlichen Ernst, der sie veranlaßte, lieber ihr Vermögen als ihren Glauben zu verlassen, mit in ihre neue Heimath, und befruchten dieselbe stets geistig und wirthschaftlich in hohem Grade. Aber das Verhältniß derselben zur Verwaltung ist ein eigenthümliches. Es zeigt dasselbe stets zwei sehr verschiedene und doch ziemlich leicht verständliche Seiten. Da näm- lich solche Auswanderer ihr Vermögen meistens zurücklassen und die Concurrenz erleichtern, so werden sie von den Körpern der Selbstver- waltung stets gerne und anstandslos entlassen. Erst da, wo die Staatsgewalt zur Erkenntniß gelangt, daß der Staat als Ganzes viel mehr durch sie verliert, als die in den einzelnen Gemeinden Zurück- bleibenden durch sie gewinnen, pflegt das Auswanderungsverbot, diese erste populationistische Maßregel, auf sie Anwendung zu finden, und das kirchliche Auswanderungsrecht verschmilzt mit dem polizeilichen, zu dem wir sofort übergehen.
Anders gestaltet sich die zweite Seite des Auswanderungswesens der ständischen Epoche.
dieſe Auswanderung einen großen Einfluß auf das Einwanderungsrecht; denn es gibt gar keinen Bevölkerungszuſtand, in dem nicht jeder Staat gerne berufstüchtige Leute zu ſich heran zöge; den berufsmäßigen Aus- wanderern haben daher alle Staaten faſt ausnahmslos gerne die Gränzen geöffnet, und die in der Darſtellung des Einwanderungsrechts bezeichneten Unterſtützungen der Einwanderer beziehen ſich eben auf dieſe Form der Auswanderung. — Die Maſſenauswanderungen da- gegen entſtehen in dieſer Epoche ſtets weſentlich aus geiſtigen, meiſt religiöſen Gründen. Sie ſind urſprünglich, in ihrer großartigſten Form, Verſuche, Eroberungen für die Religion zu machen, wie die Kreuzzüge, die Züge der Araber, der Türken, und andere. Dahin ge- hören im Grunde auch die Maſſenauswanderungen der Spanier und Portugieſen nach Amerika, während die der Holländer dem Colonial- weſen und die der Engländer dem folgenden gehören. Dann aber erſcheinen ſie als letzter, verzweiflungsvoller Schritt, ſich der religiöſen Unfreiheit zu entziehen: die kirchlichen Auswanderungen. Das Cha- rakteriſtiſche dieſer Auswanderungen iſt es ſtets, daß ſie mit dem Claſſen- und Beſitzunterſchied gar nichts gemein haben, ſondern vielmehr mit dem Aufgeben des eignen Beſitzes in der Heimath verbunden ſind. Solche Auswanderungen verbreiten ſich, je nachdem die unter- drückte Confeſſion in einem ganzen Lande verbreitet iſt, über das ganze Land, wie im 17. Jahrhundert über England, deren Geſchichte uns die Hiſtoriker der Union ſo trefflich ſchildern, oder ſie finden nur aus be- gränzten Gebieten ſtatt, wie die der Salzburger Proteſtanten. Sie wirken ſtets in großartiger Weiſe; denn ſie bringen den tiefen ſittlichen Ernſt, der ſie veranlaßte, lieber ihr Vermögen als ihren Glauben zu verlaſſen, mit in ihre neue Heimath, und befruchten dieſelbe ſtets geiſtig und wirthſchaftlich in hohem Grade. Aber das Verhältniß derſelben zur Verwaltung iſt ein eigenthümliches. Es zeigt daſſelbe ſtets zwei ſehr verſchiedene und doch ziemlich leicht verſtändliche Seiten. Da näm- lich ſolche Auswanderer ihr Vermögen meiſtens zurücklaſſen und die Concurrenz erleichtern, ſo werden ſie von den Körpern der Selbſtver- waltung ſtets gerne und anſtandslos entlaſſen. Erſt da, wo die Staatsgewalt zur Erkenntniß gelangt, daß der Staat als Ganzes viel mehr durch ſie verliert, als die in den einzelnen Gemeinden Zurück- bleibenden durch ſie gewinnen, pflegt das Auswanderungsverbot, dieſe erſte populationiſtiſche Maßregel, auf ſie Anwendung zu finden, und das kirchliche Auswanderungsrecht verſchmilzt mit dem polizeilichen, zu dem wir ſofort übergehen.
Anders geſtaltet ſich die zweite Seite des Auswanderungsweſens der ſtändiſchen Epoche.
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dieſe Auswanderung einen großen Einfluß auf das Einwanderungsrecht;
denn es gibt gar keinen Bevölkerungszuſtand, in dem nicht jeder Staat
gerne berufstüchtige Leute zu ſich heran zöge; den berufsmäßigen Aus-
wanderern haben daher alle Staaten faſt ausnahmslos gerne die
Gränzen geöffnet, und die in der Darſtellung des Einwanderungsrechts
bezeichneten Unterſtützungen der Einwanderer beziehen ſich eben auf dieſe
Form der Auswanderung. — Die Maſſenauswanderungen da-
gegen entſtehen in dieſer Epoche ſtets weſentlich aus geiſtigen, meiſt
religiöſen Gründen. Sie ſind urſprünglich, in ihrer großartigſten
Form, Verſuche, Eroberungen für die Religion zu machen, wie die
Kreuzzüge, die Züge der Araber, der Türken, und andere. Dahin ge-
hören im Grunde auch die Maſſenauswanderungen der Spanier und
Portugieſen nach Amerika, während die der Holländer dem Colonial-
weſen und die der Engländer dem folgenden gehören. Dann aber
erſcheinen ſie als letzter, verzweiflungsvoller Schritt, ſich der religiöſen
Unfreiheit zu entziehen: die kirchlichen Auswanderungen. Das Cha-
rakteriſtiſche dieſer Auswanderungen iſt es ſtets, daß ſie mit dem
Claſſen- und Beſitzunterſchied gar nichts gemein haben, ſondern vielmehr
mit dem Aufgeben des eignen Beſitzes in der Heimath verbunden
ſind. Solche Auswanderungen verbreiten ſich, je nachdem die unter-
drückte Confeſſion in einem ganzen Lande verbreitet iſt, über das ganze
Land, wie im 17. Jahrhundert über England, deren Geſchichte uns die
Hiſtoriker der Union ſo trefflich ſchildern, oder ſie finden nur aus be-
gränzten Gebieten ſtatt, wie die der Salzburger Proteſtanten. Sie
wirken ſtets in großartiger Weiſe; denn ſie bringen den tiefen ſittlichen
Ernſt, der ſie veranlaßte, lieber ihr Vermögen als ihren Glauben zu
verlaſſen, mit in ihre neue Heimath, und befruchten dieſelbe ſtets geiſtig
und wirthſchaftlich in hohem Grade. Aber das Verhältniß derſelben
zur Verwaltung iſt ein eigenthümliches. Es zeigt daſſelbe ſtets zwei
ſehr verſchiedene und doch ziemlich leicht verſtändliche Seiten. Da näm-
lich ſolche Auswanderer ihr Vermögen meiſtens zurücklaſſen und die
Concurrenz erleichtern, ſo werden ſie von den Körpern der Selbſtver-
waltung ſtets gerne und anſtandslos entlaſſen. Erſt da, wo die
Staatsgewalt zur Erkenntniß gelangt, daß der Staat als Ganzes viel
mehr durch ſie verliert, als die in den einzelnen Gemeinden Zurück-
bleibenden durch ſie gewinnen, pflegt das Auswanderungsverbot, dieſe
erſte populationiſtiſche Maßregel, auf ſie Anwendung zu finden, und das
kirchliche Auswanderungsrecht verſchmilzt mit dem polizeilichen, zu dem
wir ſofort übergehen.
Anders geſtaltet ſich die zweite Seite des Auswanderungsweſens
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/212>, abgerufen am 24.11.2024.
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