Grade gewechselt. Und andererseits sind jene Bestimmungen aller- dings sehr zahlreich, aber dennoch ist es nicht zu verkennen, daß sie für jede Epoche eine gewisse Einheit bilden, auf einem gewissen einheitlichen Princip beruhen, das die ganze Verwaltung dieses Gebietes beherrscht. Das nun gilt auch für unsere Gegenwart, obwohl sie in Beziehung auf jenes Recht so wesentlich verschieden von der Vergangenheit dasteht. Und indem wir daher von der wissenschaftlichen Behandlung dieses Ge- bietes reden, müssen wir allerdings streben, jenen gemeinsam geltenden festen Boden für das Ganze zu gewinnen. Möge man es daher ver- zeihen, wenn wir auch hier versuchen, nach festen Kategorien der Wissen- schaft zu streben, um den dauernden Boden zu gewinnen, von dem aus die weiteren Forschungen gehen können.
Es läßt sich schwer verkennen, daß die gegenwärtige Theorie über die obigen Fragen eine ziemlich haltlose, ja unbehülfliche ist. Während im vorigen Jahrhundert die Lehren der Wissenschaft ziemlich einig waren, und der Sache einen nicht geringen Nachdruck gaben, wissen die gegen- wärtigen nicht recht, ob die Frage nach Einwanderung und Auswan- derung noch Gegenstand der eigentlichen Verwaltungslehre sein, oder mehr im historischen, oder publicistischen Sinne behandelt werden soll, während die Gesetzgebung hier wie fast immer ihren ruhigen Weg fort- geht, durch jene Macht getragen, die wir sogleich näher bezeichnen werden. Es kann daher allerdings, wenn man die Bevölkerungslehre unserer Gegenwart ansieht, fast zweifelhaft erscheinen, ob denn dieser ganze Theil künftig noch der Bevölkerungspolitik substantiell angehören, und welche Stellung er in ihr annehmen soll. Und dennoch ist man sich einig, daß Einwanderung und Auswanderung zu den mächtigsten Faktoren des Weltlebens schon jetzt gehören, und vielleicht künftig noch mehr gehören werden, ohne doch zu einem Resultate darüber zu ge- langen, in welches Verhältniß dann die Verwaltung ihnen gegenüber zu treten habe. Dieß nun zu bestimmen, die Einwanderung, Aus- wanderung und Colonisation als ein bestimmtes, eigen geartetes, auf eigenen Grundlagen beruhendes Gebiet der Verwaltung hinzustellen, ist die eigentliche Aufgabe des Folgenden. Und hier werden wir aufs Neue gezwungen werden, unsern oft bezeichneten Standpunkt zu vertreten.
Allerdings nämlich erscheinen sowohl Auswanderung als Einwan- derung zunächst als Akte der vollkommenen freien Selbstbestimmung, und die Gründe derselben scheinen wesentlich im rein individuellen Leben zu liegen. Allein jede Ein- und Auswanderung bricht zugleich fast alle persönlichen Beziehungen des Betreffenden mit seinem früheren Vater- lande ab, und knüpft neue für ihn an; sie ist in der That ein ganz
Grade gewechſelt. Und andererſeits ſind jene Beſtimmungen aller- dings ſehr zahlreich, aber dennoch iſt es nicht zu verkennen, daß ſie für jede Epoche eine gewiſſe Einheit bilden, auf einem gewiſſen einheitlichen Princip beruhen, das die ganze Verwaltung dieſes Gebietes beherrſcht. Das nun gilt auch für unſere Gegenwart, obwohl ſie in Beziehung auf jenes Recht ſo weſentlich verſchieden von der Vergangenheit daſteht. Und indem wir daher von der wiſſenſchaftlichen Behandlung dieſes Ge- bietes reden, müſſen wir allerdings ſtreben, jenen gemeinſam geltenden feſten Boden für das Ganze zu gewinnen. Möge man es daher ver- zeihen, wenn wir auch hier verſuchen, nach feſten Kategorien der Wiſſen- ſchaft zu ſtreben, um den dauernden Boden zu gewinnen, von dem aus die weiteren Forſchungen gehen können.
Es läßt ſich ſchwer verkennen, daß die gegenwärtige Theorie über die obigen Fragen eine ziemlich haltloſe, ja unbehülfliche iſt. Während im vorigen Jahrhundert die Lehren der Wiſſenſchaft ziemlich einig waren, und der Sache einen nicht geringen Nachdruck gaben, wiſſen die gegen- wärtigen nicht recht, ob die Frage nach Einwanderung und Auswan- derung noch Gegenſtand der eigentlichen Verwaltungslehre ſein, oder mehr im hiſtoriſchen, oder publiciſtiſchen Sinne behandelt werden ſoll, während die Geſetzgebung hier wie faſt immer ihren ruhigen Weg fort- geht, durch jene Macht getragen, die wir ſogleich näher bezeichnen werden. Es kann daher allerdings, wenn man die Bevölkerungslehre unſerer Gegenwart anſieht, faſt zweifelhaft erſcheinen, ob denn dieſer ganze Theil künftig noch der Bevölkerungspolitik ſubſtantiell angehören, und welche Stellung er in ihr annehmen ſoll. Und dennoch iſt man ſich einig, daß Einwanderung und Auswanderung zu den mächtigſten Faktoren des Weltlebens ſchon jetzt gehören, und vielleicht künftig noch mehr gehören werden, ohne doch zu einem Reſultate darüber zu ge- langen, in welches Verhältniß dann die Verwaltung ihnen gegenüber zu treten habe. Dieß nun zu beſtimmen, die Einwanderung, Aus- wanderung und Coloniſation als ein beſtimmtes, eigen geartetes, auf eigenen Grundlagen beruhendes Gebiet der Verwaltung hinzuſtellen, iſt die eigentliche Aufgabe des Folgenden. Und hier werden wir aufs Neue gezwungen werden, unſern oft bezeichneten Standpunkt zu vertreten.
Allerdings nämlich erſcheinen ſowohl Auswanderung als Einwan- derung zunächſt als Akte der vollkommenen freien Selbſtbeſtimmung, und die Gründe derſelben ſcheinen weſentlich im rein individuellen Leben zu liegen. Allein jede Ein- und Auswanderung bricht zugleich faſt alle perſönlichen Beziehungen des Betreffenden mit ſeinem früheren Vater- lande ab, und knüpft neue für ihn an; ſie iſt in der That ein ganz
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Grade gewechſelt. Und andererſeits ſind jene Beſtimmungen aller-
dings ſehr zahlreich, aber dennoch iſt es nicht zu verkennen, daß ſie für
jede Epoche eine gewiſſe Einheit bilden, auf einem gewiſſen einheitlichen
Princip beruhen, das die ganze Verwaltung dieſes Gebietes beherrſcht.
Das nun gilt auch für unſere Gegenwart, obwohl ſie in Beziehung
auf jenes Recht ſo weſentlich verſchieden von der Vergangenheit daſteht.
Und indem wir daher von der wiſſenſchaftlichen Behandlung dieſes Ge-
bietes reden, müſſen wir allerdings ſtreben, jenen gemeinſam geltenden
feſten Boden für das Ganze zu gewinnen. Möge man es daher ver-
zeihen, wenn wir auch hier verſuchen, nach feſten Kategorien der Wiſſen-
ſchaft zu ſtreben, um den dauernden Boden zu gewinnen, von dem
aus die weiteren Forſchungen gehen können.
Es läßt ſich ſchwer verkennen, daß die gegenwärtige Theorie über
die obigen Fragen eine ziemlich haltloſe, ja unbehülfliche iſt. Während
im vorigen Jahrhundert die Lehren der Wiſſenſchaft ziemlich einig waren,
und der Sache einen nicht geringen Nachdruck gaben, wiſſen die gegen-
wärtigen nicht recht, ob die Frage nach Einwanderung und Auswan-
derung noch Gegenſtand der eigentlichen Verwaltungslehre ſein, oder
mehr im hiſtoriſchen, oder publiciſtiſchen Sinne behandelt werden ſoll,
während die Geſetzgebung hier wie faſt immer ihren ruhigen Weg fort-
geht, durch jene Macht getragen, die wir ſogleich näher bezeichnen
werden. Es kann daher allerdings, wenn man die Bevölkerungslehre
unſerer Gegenwart anſieht, faſt zweifelhaft erſcheinen, ob denn dieſer
ganze Theil künftig noch der Bevölkerungspolitik ſubſtantiell angehören,
und welche Stellung er in ihr annehmen ſoll. Und dennoch iſt man
ſich einig, daß Einwanderung und Auswanderung zu den mächtigſten
Faktoren des Weltlebens ſchon jetzt gehören, und vielleicht künftig noch
mehr gehören werden, ohne doch zu einem Reſultate darüber zu ge-
langen, in welches Verhältniß dann die Verwaltung ihnen gegenüber
zu treten habe. Dieß nun zu beſtimmen, die Einwanderung, Aus-
wanderung und Coloniſation als ein beſtimmtes, eigen geartetes, auf
eigenen Grundlagen beruhendes Gebiet der Verwaltung
hinzuſtellen, iſt die eigentliche Aufgabe des Folgenden. Und hier
werden wir aufs Neue gezwungen werden, unſern oft bezeichneten
Standpunkt zu vertreten.
Allerdings nämlich erſcheinen ſowohl Auswanderung als Einwan-
derung zunächſt als Akte der vollkommenen freien Selbſtbeſtimmung,
und die Gründe derſelben ſcheinen weſentlich im rein individuellen Leben
zu liegen. Allein jede Ein- und Auswanderung bricht zugleich faſt alle
perſönlichen Beziehungen des Betreffenden mit ſeinem früheren Vater-
lande ab, und knüpft neue für ihn an; ſie iſt in der That ein ganz
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/186>, abgerufen am 21.11.2024.
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