b) Der Stand der staatsbürgerlichen Gesellschaft ist der Beruf, insofern er von der Gemeinschaft seine wirthschaftliche Existenz em- pfängt. Die beiden dauernd gültigen Formen desselben sind der Wehr- stand und der Stand der Staatsdiener. Das Verhältniß des öffent- lichen Eherechts zu beiden ist äußerlich verschieden; innerlich aber dasselbe. Unter dem Wehrstand in der staatsbürgerlichen Gesellschaft kann nämlich nicht die Gesammtheit der wehrhaften und damit wehr- pflichtigen Staatsbürger, sondern nur die Gesammtheit derer verstan- den werden, welche die Waffen zu ihrem Lebensberuf gemacht haben; unter dem Stande der Staatsdiener gleichfalls nicht jeder, der das Amt verwaltet, sondern nur die berufsmäßig gebildeten Staatsdiener. Für beide muß nun die Ehe nicht bloß frei, sondern sie muß auch wirth- schaftlich möglich sein. Allein da sie selbst der höchste Ausdruck der wirthschaftlichen Selbständigkeit ist, so kann sie auch nicht unbedingt für jeden Theilnehmer an diesem Berufe gestattet werden; es muß viel- mehr erst eine bestimmte Stufe des Berufes die wirthschaftlichen Be- dingungen der Ehe darbieten, oder es tritt das Recht zur Verehelichung erst bei dieser Stufe der militärischen und amtlichen Laufbahn ein. Daran schließen sich zwei Formen. Erstlich, daß die Eingehung der Ehe unterhalb dieser Stufe zwar frei ist, daß sie aber den Austritt aus der standesmäßigen Laufbahn zur Folge hat; zweitens, daß wenn der Betreffende die wirthschaftlichen Bedingungen der Ehe und Familie außerhalb seines standesmäßigen Einkommens hat, die Ehe auf jeder Stufe frei sein muß. Der Begriff und die Form einer eigentlichen "Bewilligung" der Ehe widerstreitet dem Wesen derselben. Die Dar- stellung dieses standesmäßigen Eherechts gehört dem Militär- und Staats- dienerrecht an; die Gültigkeit desselben wird stets von der berufsmäßigen Auffassung des Standes bedingt sein. Daher ist in England gar kein Staatsdiener-Eherecht vorhanden, während das Militär-Eherecht bei den untern Graden durch den Mangel der allgemeinen Wehrpflicht viel strenger ist als auf dem Continent. Leider mangeln uns die Quellen, um diese Verhältnisse genauer zu verfolgen. Wir können nur das Be- dauern aussprechen, daß die noch immer auf Grundlage des bürgerlichen Rechts einseitig aufgefaßte Behandlung des Eherechts von Seiten der Jurisprudenz auch diesen Theil des bürgerlichen Verwaltungsrechts nicht in seinem Stoffe aufgenommen hat. Im Allgemeinen kann dasjenige als im Wesentlichen auch jetzt gültig angesehen werden, was wir oben unter der polizeilichen Epoche angeführt haben.
c) Für die staatsbürgerliche Gesellschaft muß man nun zwei Ge- sichtspunkte wohl unterscheiden, den der Bedingungen der Ehe, und den der Ehebeschränkung.
b) Der Stand der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft iſt der Beruf, inſofern er von der Gemeinſchaft ſeine wirthſchaftliche Exiſtenz em- pfängt. Die beiden dauernd gültigen Formen deſſelben ſind der Wehr- ſtand und der Stand der Staatsdiener. Das Verhältniß des öffent- lichen Eherechts zu beiden iſt äußerlich verſchieden; innerlich aber daſſelbe. Unter dem Wehrſtand in der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft kann nämlich nicht die Geſammtheit der wehrhaften und damit wehr- pflichtigen Staatsbürger, ſondern nur die Geſammtheit derer verſtan- den werden, welche die Waffen zu ihrem Lebensberuf gemacht haben; unter dem Stande der Staatsdiener gleichfalls nicht jeder, der das Amt verwaltet, ſondern nur die berufsmäßig gebildeten Staatsdiener. Für beide muß nun die Ehe nicht bloß frei, ſondern ſie muß auch wirth- ſchaftlich möglich ſein. Allein da ſie ſelbſt der höchſte Ausdruck der wirthſchaftlichen Selbſtändigkeit iſt, ſo kann ſie auch nicht unbedingt für jeden Theilnehmer an dieſem Berufe geſtattet werden; es muß viel- mehr erſt eine beſtimmte Stufe des Berufes die wirthſchaftlichen Be- dingungen der Ehe darbieten, oder es tritt das Recht zur Verehelichung erſt bei dieſer Stufe der militäriſchen und amtlichen Laufbahn ein. Daran ſchließen ſich zwei Formen. Erſtlich, daß die Eingehung der Ehe unterhalb dieſer Stufe zwar frei iſt, daß ſie aber den Austritt aus der ſtandesmäßigen Laufbahn zur Folge hat; zweitens, daß wenn der Betreffende die wirthſchaftlichen Bedingungen der Ehe und Familie außerhalb ſeines ſtandesmäßigen Einkommens hat, die Ehe auf jeder Stufe frei ſein muß. Der Begriff und die Form einer eigentlichen „Bewilligung“ der Ehe widerſtreitet dem Weſen derſelben. Die Dar- ſtellung dieſes ſtandesmäßigen Eherechts gehört dem Militär- und Staats- dienerrecht an; die Gültigkeit deſſelben wird ſtets von der berufsmäßigen Auffaſſung des Standes bedingt ſein. Daher iſt in England gar kein Staatsdiener-Eherecht vorhanden, während das Militär-Eherecht bei den untern Graden durch den Mangel der allgemeinen Wehrpflicht viel ſtrenger iſt als auf dem Continent. Leider mangeln uns die Quellen, um dieſe Verhältniſſe genauer zu verfolgen. Wir können nur das Be- dauern ausſprechen, daß die noch immer auf Grundlage des bürgerlichen Rechts einſeitig aufgefaßte Behandlung des Eherechts von Seiten der Jurisprudenz auch dieſen Theil des bürgerlichen Verwaltungsrechts nicht in ſeinem Stoffe aufgenommen hat. Im Allgemeinen kann dasjenige als im Weſentlichen auch jetzt gültig angeſehen werden, was wir oben unter der polizeilichen Epoche angeführt haben.
c) Für die ſtaatsbürgerliche Geſellſchaft muß man nun zwei Ge- ſichtspunkte wohl unterſcheiden, den der Bedingungen der Ehe, und den der Ehebeſchränkung.
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b) Der Stand der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft iſt der Beruf,
inſofern er von der Gemeinſchaft ſeine wirthſchaftliche Exiſtenz em-
pfängt. Die beiden dauernd gültigen Formen deſſelben ſind der Wehr-
ſtand und der Stand der Staatsdiener. Das Verhältniß des öffent-
lichen Eherechts zu beiden iſt äußerlich verſchieden; innerlich aber
daſſelbe. Unter dem Wehrſtand in der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft
kann nämlich nicht die Geſammtheit der wehrhaften und damit wehr-
pflichtigen Staatsbürger, ſondern nur die Geſammtheit derer verſtan-
den werden, welche die Waffen zu ihrem Lebensberuf gemacht haben;
unter dem Stande der Staatsdiener gleichfalls nicht jeder, der das Amt
verwaltet, ſondern nur die berufsmäßig gebildeten Staatsdiener. Für
beide muß nun die Ehe nicht bloß frei, ſondern ſie muß auch wirth-
ſchaftlich möglich ſein. Allein da ſie ſelbſt der höchſte Ausdruck der
wirthſchaftlichen Selbſtändigkeit iſt, ſo kann ſie auch nicht unbedingt
für jeden Theilnehmer an dieſem Berufe geſtattet werden; es muß viel-
mehr erſt eine beſtimmte Stufe des Berufes die wirthſchaftlichen Be-
dingungen der Ehe darbieten, oder es tritt das Recht zur Verehelichung
erſt bei dieſer Stufe der militäriſchen und amtlichen Laufbahn ein.
Daran ſchließen ſich zwei Formen. Erſtlich, daß die Eingehung der
Ehe unterhalb dieſer Stufe zwar frei iſt, daß ſie aber den Austritt
aus der ſtandesmäßigen Laufbahn zur Folge hat; zweitens, daß wenn
der Betreffende die wirthſchaftlichen Bedingungen der Ehe und Familie
außerhalb ſeines ſtandesmäßigen Einkommens hat, die Ehe auf jeder
Stufe frei ſein muß. Der Begriff und die Form einer eigentlichen
„Bewilligung“ der Ehe widerſtreitet dem Weſen derſelben. Die Dar-
ſtellung dieſes ſtandesmäßigen Eherechts gehört dem Militär- und Staats-
dienerrecht an; die Gültigkeit deſſelben wird ſtets von der berufsmäßigen
Auffaſſung des Standes bedingt ſein. Daher iſt in England gar kein
Staatsdiener-Eherecht vorhanden, während das Militär-Eherecht bei
den untern Graden durch den Mangel der allgemeinen Wehrpflicht viel
ſtrenger iſt als auf dem Continent. Leider mangeln uns die Quellen,
um dieſe Verhältniſſe genauer zu verfolgen. Wir können nur das Be-
dauern ausſprechen, daß die noch immer auf Grundlage des bürgerlichen
Rechts einſeitig aufgefaßte Behandlung des Eherechts von Seiten der
Jurisprudenz auch dieſen Theil des bürgerlichen Verwaltungsrechts nicht
in ſeinem Stoffe aufgenommen hat. Im Allgemeinen kann dasjenige
als im Weſentlichen auch jetzt gültig angeſehen werden, was wir oben
unter der polizeilichen Epoche angeführt haben.
c) Für die ſtaatsbürgerliche Geſellſchaft muß man nun zwei Ge-
ſichtspunkte wohl unterſcheiden, den der Bedingungen der Ehe, und
den der Ehebeſchränkung.
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/181>, abgerufen am 16.02.2025.
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