classen. -- Das Recht Oesterreichs hat sich namentlich seit 1815 con- solidirt und steht noch auf dem damaligen Standpunkt. Nach der aller- höchsten Entschließung vom 12. Januar 1815 ist nämlich die Ehe der Beamten frei; jedoch ist der frühere Grundsatz von 1802 für Finanzbeamte festgehalten, daß sie die Verehelichung melden; für Militärbeamte (Verordnung vom 25. Nov. 1826), daß sie die Ein- willigung erhalten müssen, während nach Verordnung vom 31. Mai 1858 Unterlehrer an Volksschulen die Genehmigung der Schulbehör- den haben oder abgehen müssen (Stubenrauch §. 340). -- In Preußen gilt ursprünglich der Grundsatz, daß umgekehrt jede Ehe der Beamteten genehmigt werden müsse (Anhang zum allgem. Landrecht II. 1. §. 70), was erst die k. Verordnung vom 9. Juli 1839 dahin begränzte, daß die Genehmigung nur bei solchen Beamten gefordert wird, die bei der Wittwenkasse receptionsfähig sind (Rönne II. §. 295). In Bayern müssen noch immer alle im unmittelbaren Staatsdienst Angestellten nach der Verordnung vom 2. Februar 1845 eine dienstliche Ehebewil- ligung erhalten (Pözl, Verfassungsrecht §. 29). In Württemberg fordert die Dienstpragmatik §. 9 die Anzeige der Verehelichung, gibt aber auch der obern Behörde das Recht, die letztere zu verbieten, wenn "die Ehre des Staatsdienstes oder die ökonomische Lage des Dieners die Ehe unzulässig erscheinen ließe (Mohl, württemb. Verwaltungsrecht §. 162). Von den übrigen Staaten fehlen die Quellen. Selbst Funke hat in seinen weitläuftigen Polizeigesetzen des König- reichs Sachsen (5 Bde. 1846) nichts darüber. -- Das freieste Recht ist darnach das von Oesterreich; in allen andern Staaten ist der Beamte sehr abhängig von seinen Vorgesetzten. Warum nicht einfach die Alter- native aufstellen: entweder ist der Gehalt für eine Familie zu gering, und dann ist er selbst falsch, da das Amt kein Cölibat sein soll und kann -- oder er ist es nicht, wozu dann noch Ehebewilligung? Und wenn es richtig ist, daß die Wittwe des Beamten standesmäßig leben muß, warum an die Stelle der an sich verkehrten Ehebewilligung nicht einfach die Verpflichtung zum Eintritt in eine Wittwenpensionskasse setzen? Hier ist offenbar in den meisten deutschen Staaten die ständische Epoche nicht überwunden, obgleich anderseits der Grundsatz, aus dem die berufsmäßige Ehebewilligung hervorgegangen ist, als ein an sich edler und berechtigter angesehen werden muß.
III. Das öffentliche Eherecht der polizeilichen Epoche und seine gegen- wärtige Gestalt.
Wenn das öffentliche Eherecht der polizeilichen Epoche in Deutsch- land, eben so wie es in England und Frankreich der Fall ist, mit dem
claſſen. — Das Recht Oeſterreichs hat ſich namentlich ſeit 1815 con- ſolidirt und ſteht noch auf dem damaligen Standpunkt. Nach der aller- höchſten Entſchließung vom 12. Januar 1815 iſt nämlich die Ehe der Beamten frei; jedoch iſt der frühere Grundſatz von 1802 für Finanzbeamte feſtgehalten, daß ſie die Verehelichung melden; für Militärbeamte (Verordnung vom 25. Nov. 1826), daß ſie die Ein- willigung erhalten müſſen, während nach Verordnung vom 31. Mai 1858 Unterlehrer an Volksſchulen die Genehmigung der Schulbehör- den haben oder abgehen müſſen (Stubenrauch §. 340). — In Preußen gilt urſprünglich der Grundſatz, daß umgekehrt jede Ehe der Beamteten genehmigt werden müſſe (Anhang zum allgem. Landrecht II. 1. §. 70), was erſt die k. Verordnung vom 9. Juli 1839 dahin begränzte, daß die Genehmigung nur bei ſolchen Beamten gefordert wird, die bei der Wittwenkaſſe receptionsfähig ſind (Rönne II. §. 295). In Bayern müſſen noch immer alle im unmittelbaren Staatsdienſt Angeſtellten nach der Verordnung vom 2. Februar 1845 eine dienſtliche Ehebewil- ligung erhalten (Pözl, Verfaſſungsrecht §. 29). In Württemberg fordert die Dienſtpragmatik §. 9 die Anzeige der Verehelichung, gibt aber auch der obern Behörde das Recht, die letztere zu verbieten, wenn „die Ehre des Staatsdienſtes oder die ökonomiſche Lage des Dieners die Ehe unzuläſſig erſcheinen ließe (Mohl, württemb. Verwaltungsrecht §. 162). Von den übrigen Staaten fehlen die Quellen. Selbſt Funke hat in ſeinen weitläuftigen Polizeigeſetzen des König- reichs Sachſen (5 Bde. 1846) nichts darüber. — Das freieſte Recht iſt darnach das von Oeſterreich; in allen andern Staaten iſt der Beamte ſehr abhängig von ſeinen Vorgeſetzten. Warum nicht einfach die Alter- native aufſtellen: entweder iſt der Gehalt für eine Familie zu gering, und dann iſt er ſelbſt falſch, da das Amt kein Cölibat ſein ſoll und kann — oder er iſt es nicht, wozu dann noch Ehebewilligung? Und wenn es richtig iſt, daß die Wittwe des Beamten ſtandesmäßig leben muß, warum an die Stelle der an ſich verkehrten Ehebewilligung nicht einfach die Verpflichtung zum Eintritt in eine Wittwenpenſionskaſſe ſetzen? Hier iſt offenbar in den meiſten deutſchen Staaten die ſtändiſche Epoche nicht überwunden, obgleich anderſeits der Grundſatz, aus dem die berufsmäßige Ehebewilligung hervorgegangen iſt, als ein an ſich edler und berechtigter angeſehen werden muß.
III. Das öffentliche Eherecht der polizeilichen Epoche und ſeine gegen- wärtige Geſtalt.
Wenn das öffentliche Eherecht der polizeilichen Epoche in Deutſch- land, eben ſo wie es in England und Frankreich der Fall iſt, mit dem
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ſolidirt und ſteht noch auf dem damaligen Standpunkt. Nach der aller-
höchſten Entſchließung vom 12. Januar 1815 iſt nämlich die Ehe
der Beamten frei; jedoch iſt der frühere Grundſatz von 1802 für
Finanzbeamte feſtgehalten, daß ſie die Verehelichung melden; für
Militärbeamte (Verordnung vom 25. Nov. 1826), daß ſie die Ein-
willigung erhalten müſſen, während nach Verordnung vom 31. Mai
1858 Unterlehrer an Volksſchulen die Genehmigung der Schulbehör-
den haben oder abgehen müſſen (Stubenrauch §. 340). — In Preußen
gilt urſprünglich der Grundſatz, daß umgekehrt jede Ehe der Beamteten
genehmigt werden müſſe (Anhang zum allgem. Landrecht II. 1.
§. 70), was erſt die k. Verordnung vom 9. Juli 1839 dahin begränzte,
daß die Genehmigung nur bei ſolchen Beamten gefordert wird, die bei
der Wittwenkaſſe receptionsfähig ſind (Rönne II. §. 295). In Bayern
müſſen noch immer alle im unmittelbaren Staatsdienſt Angeſtellten
nach der Verordnung vom 2. Februar 1845 eine dienſtliche Ehebewil-
ligung erhalten (Pözl, Verfaſſungsrecht §. 29). In Württemberg
fordert die Dienſtpragmatik §. 9 die Anzeige der Verehelichung,
gibt aber auch der obern Behörde das Recht, die letztere zu verbieten,
wenn „die Ehre des Staatsdienſtes oder die ökonomiſche Lage des Dieners
die Ehe unzuläſſig erſcheinen ließe (Mohl, württemb. Verwaltungsrecht
§. 162). Von den übrigen Staaten fehlen die Quellen. Selbſt
Funke hat in ſeinen weitläuftigen Polizeigeſetzen des König-
reichs Sachſen (5 Bde. 1846) nichts darüber. — Das freieſte Recht
iſt darnach das von Oeſterreich; in allen andern Staaten iſt der Beamte
ſehr abhängig von ſeinen Vorgeſetzten. Warum nicht einfach die Alter-
native aufſtellen: entweder iſt der Gehalt für eine Familie zu gering,
und dann iſt er ſelbſt falſch, da das Amt kein Cölibat ſein ſoll und
kann — oder er iſt es nicht, wozu dann noch Ehebewilligung? Und
wenn es richtig iſt, daß die Wittwe des Beamten ſtandesmäßig leben
muß, warum an die Stelle der an ſich verkehrten Ehebewilligung nicht
einfach die Verpflichtung zum Eintritt in eine Wittwenpenſionskaſſe
ſetzen? Hier iſt offenbar in den meiſten deutſchen Staaten die ſtändiſche
Epoche nicht überwunden, obgleich anderſeits der Grundſatz, aus dem
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edler und berechtigter angeſehen werden muß.
III. Das öffentliche Eherecht der polizeilichen Epoche und ſeine gegen-
wärtige Geſtalt.
Wenn das öffentliche Eherecht der polizeilichen Epoche in Deutſch-
land, eben ſo wie es in England und Frankreich der Fall iſt, mit dem
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/162>, abgerufen am 16.02.2025.
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