Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.organische Bedeutung des Besitzes gesagt und nachgewiesen wird, für organiſche Bedeutung des Beſitzes geſagt und nachgewieſen wird, für <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p><pb facs="#f0153" n="131"/> organiſche Bedeutung des <hi rendition="#g">Beſitzes</hi> geſagt und nachgewieſen wird, für<lb/> die Staatswiſſenſchaft bisher keine weiteren Forſchungen hervorgerufen!<lb/> Das Geſchlechterrecht der germaniſchen Eheconſenſe unterſcheidet ſich<lb/> indeß weſentlich von der alten Welt dadurch, daß der <hi rendition="#g">Sohn</hi> freier iſt,<lb/> während die Tochter völlig in der <hi rendition="#aq">patria potestas</hi> ſteht, und „wegge-<lb/> geben“ wird. Eine juriſtiſche Formulirung empfängt dagegen das ger-<lb/> maniſche Recht erſt mit dem Lehnsrechte, und dem Kampfe, den das<lb/> ſpätere öffentliche Eherecht gegen daſſelbe erhebt, und der dem letzteren<lb/> ſeine ſo merkwürdige Doppelgeſtalt gegeben hat. Nur im <hi rendition="#g">Hageſtolzen-<lb/> recht</hi> erhält ſich noch das alte Geſchlechterrecht. Der Grundgedanke der<lb/> letzteren, daß nicht der Einzelne, ſondern erſt die Familie die ſtaatliche<lb/> Perſönlichkeit iſt, erſcheint in vielen aber dennoch vereinzelten Erſchei-<lb/> nungen, wie in dem Princip vieler Stadtrechte, daß die Verheirathung<lb/> zu den öffentlichen Aemtern, zum Meiſterrechte und andern Ehrenſtellen<lb/> Bedingung ſein ſolle. Freilich verlor ſich dadurch das Bewußtſein, daß<lb/> es ſich hier um eine ſociale Frage handle, und dieſe wie ſo manche<lb/> andere Sache ſind vollſtändig in die eigentliche Jurisprudenz, wo ſie<lb/> durch <hi rendition="#g">Wernher</hi> (<hi rendition="#aq">Dissert. de jure Hagestolziatus,</hi> 1724) und beſonders<lb/> durch <hi rendition="#g">Ludewig</hi> zu einem eigenen juriſtiſchen Gebiet wird (<hi rendition="#aq">De Hage-<lb/> stolziatu,</hi> 1727), ſpäter <hi rendition="#g">Freytag</hi> (<hi rendition="#aq">Hagestolziatus ex antiquitate<lb/> illustratus,</hi> 1786), während ſie faſt gleichzeitig in dem Rechtsſyſteme<lb/> ihren Platz findet. (<hi rendition="#g">Selchow</hi>, <hi rendition="#aq">Elem. pr. Germ.,</hi> S. 290; <hi rendition="#g">Runde</hi>,<lb/> deutſches Privatrecht, 559.) Das Hageſtolzen<hi rendition="#g">recht</hi> verſchwindet mit dem<lb/> Anfange des vorigen Jahrhunderts, theils durch ausdrückliche Geſetze<lb/> wie in Brandenburg 1731, Braunſchweig-Wolfenbüttel 1727, aufge-<lb/> hoben (<hi rendition="#g">Berg</hi>, Polizeirecht, Bd. <hi rendition="#aq">III.</hi> 2. 2, S. 25), theils iſt es<lb/> „heutzutage größtentheils abgekommen und wird meiſt noch unter den<lb/><hi rendition="#g">Bauern</hi> (den Reſten der Geſchlechterordnung!) und <hi rendition="#g">Leibeignen</hi> (über-<lb/> gegangen auf die Grundherrſchaft) in einigen Orten angetroffen.“<lb/> (<hi rendition="#g">Fiſcher</hi>, Cameral- und Polizeirecht, <hi rendition="#aq">I.</hi> §. 569.) Doch will <hi rendition="#g">Süßmilch</hi><lb/> noch die Hageſtolzen nicht dulden (Cap. <hi rendition="#aq">II.</hi> §. 233), und noch <hi rendition="#g">Luden</hi><lb/> in ſeinem Handbuch der Staatsweisheit oder Politik (<hi rendition="#aq">I.</hi> 404) ſie be-<lb/> ſtrafen. <hi rendition="#g">Gerſtner</hi> (S. 214) hält es noch für gut, dieſe Vorſtellungen<lb/> zu bekämpfen. — <hi rendition="#g">Hugo Grotius</hi> trägt dann die Frage nach dem<lb/> Recht des väterlichen Conſenſes ins <hi rendition="#g">Naturrecht</hi> hinüber, und ſeine<lb/> Anſicht darf als diejenige angeſehen werden, durch welche ſich das neue<lb/> ſtaatsbürgerliche Princip des vormundſchaftlichen Conſensrechts des<lb/> Vaters von dem alten ſtrengen des Geſchlechterrechts ſcheidet. <hi rendition="#aq">„Quod<lb/> autem a Romanis aliisque constitutum est, ut quaedam nuptiae quia<lb/> consensus patris defuit, irritae sint, <hi rendition="#g">non ex natura est</hi>, sed ex juris<lb/> conditorum voluntate,“ (de Jure Belli et Pacis, II. V. 10).</hi> Dann:<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [131/0153]
organiſche Bedeutung des Beſitzes geſagt und nachgewieſen wird, für
die Staatswiſſenſchaft bisher keine weiteren Forſchungen hervorgerufen!
Das Geſchlechterrecht der germaniſchen Eheconſenſe unterſcheidet ſich
indeß weſentlich von der alten Welt dadurch, daß der Sohn freier iſt,
während die Tochter völlig in der patria potestas ſteht, und „wegge-
geben“ wird. Eine juriſtiſche Formulirung empfängt dagegen das ger-
maniſche Recht erſt mit dem Lehnsrechte, und dem Kampfe, den das
ſpätere öffentliche Eherecht gegen daſſelbe erhebt, und der dem letzteren
ſeine ſo merkwürdige Doppelgeſtalt gegeben hat. Nur im Hageſtolzen-
recht erhält ſich noch das alte Geſchlechterrecht. Der Grundgedanke der
letzteren, daß nicht der Einzelne, ſondern erſt die Familie die ſtaatliche
Perſönlichkeit iſt, erſcheint in vielen aber dennoch vereinzelten Erſchei-
nungen, wie in dem Princip vieler Stadtrechte, daß die Verheirathung
zu den öffentlichen Aemtern, zum Meiſterrechte und andern Ehrenſtellen
Bedingung ſein ſolle. Freilich verlor ſich dadurch das Bewußtſein, daß
es ſich hier um eine ſociale Frage handle, und dieſe wie ſo manche
andere Sache ſind vollſtändig in die eigentliche Jurisprudenz, wo ſie
durch Wernher (Dissert. de jure Hagestolziatus, 1724) und beſonders
durch Ludewig zu einem eigenen juriſtiſchen Gebiet wird (De Hage-
stolziatu, 1727), ſpäter Freytag (Hagestolziatus ex antiquitate
illustratus, 1786), während ſie faſt gleichzeitig in dem Rechtsſyſteme
ihren Platz findet. (Selchow, Elem. pr. Germ., S. 290; Runde,
deutſches Privatrecht, 559.) Das Hageſtolzenrecht verſchwindet mit dem
Anfange des vorigen Jahrhunderts, theils durch ausdrückliche Geſetze
wie in Brandenburg 1731, Braunſchweig-Wolfenbüttel 1727, aufge-
hoben (Berg, Polizeirecht, Bd. III. 2. 2, S. 25), theils iſt es
„heutzutage größtentheils abgekommen und wird meiſt noch unter den
Bauern (den Reſten der Geſchlechterordnung!) und Leibeignen (über-
gegangen auf die Grundherrſchaft) in einigen Orten angetroffen.“
(Fiſcher, Cameral- und Polizeirecht, I. §. 569.) Doch will Süßmilch
noch die Hageſtolzen nicht dulden (Cap. II. §. 233), und noch Luden
in ſeinem Handbuch der Staatsweisheit oder Politik (I. 404) ſie be-
ſtrafen. Gerſtner (S. 214) hält es noch für gut, dieſe Vorſtellungen
zu bekämpfen. — Hugo Grotius trägt dann die Frage nach dem
Recht des väterlichen Conſenſes ins Naturrecht hinüber, und ſeine
Anſicht darf als diejenige angeſehen werden, durch welche ſich das neue
ſtaatsbürgerliche Princip des vormundſchaftlichen Conſensrechts des
Vaters von dem alten ſtrengen des Geſchlechterrechts ſcheidet. „Quod
autem a Romanis aliisque constitutum est, ut quaedam nuptiae quia
consensus patris defuit, irritae sint, non ex natura est, sed ex juris
conditorum voluntate,“ (de Jure Belli et Pacis, II. V. 10). Dann:
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |