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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.

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der Weltgeschichte. Es ist kein Zweifel, daß sich eine neue, vierte
Gestalt der Gesellschaftsordnung bilden will. Sie wird hundert
oder zweihundert Jahre brauchen, aber kommen wird sie. Und sie
wird zum Inhalt haben, dem Reichthum, der Klugheit und selbst
dem Interesse zu beweisen, was die Menschenliebe und das warme
Herz so gerne glauben, daß die materiellen Ordnungen des wirth-
schaftlichen Lebens, wie die formellen der Staatsthätigkeit doch
zuletzt einem Höheren dienen, und daß die edelsten Gefühle der
Menschen, daß die höchsten Gesetze der Religion ein Recht haben,
dereinst die "praktische" Welt zu regieren, und die Grundlagen
der Verwaltung zu bilden
.

Es ist doch vielleicht nicht ohne Werth, auch in praktischen
Dingen den höchsten, abstractesten Standpunkt festzuhalten.

Dem sei wie ihm wolle; das Folgende mag zunächst und vor
allem seinen Werth als rein wissenschaftliche Arbeit suchen. Vielleicht
daß es ihr gelingt, die Bahn für eine höhere, zugleich historische
und organische Auffassung der Verwaltung zu brechen. Ihr bester
Erfolg wäre der, daß Andere dann Besseres leisten.

Wien, November 1865.

L. Stein.


der Weltgeſchichte. Es iſt kein Zweifel, daß ſich eine neue, vierte
Geſtalt der Geſellſchaftsordnung bilden will. Sie wird hundert
oder zweihundert Jahre brauchen, aber kommen wird ſie. Und ſie
wird zum Inhalt haben, dem Reichthum, der Klugheit und ſelbſt
dem Intereſſe zu beweiſen, was die Menſchenliebe und das warme
Herz ſo gerne glauben, daß die materiellen Ordnungen des wirth-
ſchaftlichen Lebens, wie die formellen der Staatsthätigkeit doch
zuletzt einem Höheren dienen, und daß die edelſten Gefühle der
Menſchen, daß die höchſten Geſetze der Religion ein Recht haben,
dereinſt die „praktiſche“ Welt zu regieren, und die Grundlagen
der Verwaltung zu bilden
.

Es iſt doch vielleicht nicht ohne Werth, auch in praktiſchen
Dingen den höchſten, abſtracteſten Standpunkt feſtzuhalten.

Dem ſei wie ihm wolle; das Folgende mag zunächſt und vor
allem ſeinen Werth als rein wiſſenſchaftliche Arbeit ſuchen. Vielleicht
daß es ihr gelingt, die Bahn für eine höhere, zugleich hiſtoriſche
und organiſche Auffaſſung der Verwaltung zu brechen. Ihr beſter
Erfolg wäre der, daß Andere dann Beſſeres leiſten.

Wien, November 1865.

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[VIII/0014] der Weltgeſchichte. Es iſt kein Zweifel, daß ſich eine neue, vierte Geſtalt der Geſellſchaftsordnung bilden will. Sie wird hundert oder zweihundert Jahre brauchen, aber kommen wird ſie. Und ſie wird zum Inhalt haben, dem Reichthum, der Klugheit und ſelbſt dem Intereſſe zu beweiſen, was die Menſchenliebe und das warme Herz ſo gerne glauben, daß die materiellen Ordnungen des wirth- ſchaftlichen Lebens, wie die formellen der Staatsthätigkeit doch zuletzt einem Höheren dienen, und daß die edelſten Gefühle der Menſchen, daß die höchſten Geſetze der Religion ein Recht haben, dereinſt die „praktiſche“ Welt zu regieren, und die Grundlagen der Verwaltung zu bilden. Es iſt doch vielleicht nicht ohne Werth, auch in praktiſchen Dingen den höchſten, abſtracteſten Standpunkt feſtzuhalten. Dem ſei wie ihm wolle; das Folgende mag zunächſt und vor allem ſeinen Werth als rein wiſſenſchaftliche Arbeit ſuchen. Vielleicht daß es ihr gelingt, die Bahn für eine höhere, zugleich hiſtoriſche und organiſche Auffaſſung der Verwaltung zu brechen. Ihr beſter Erfolg wäre der, daß Andere dann Beſſeres leiſten. Wien, November 1865. L. Stein.

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. VIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/14>, abgerufen am 19.04.2024.