Vict. 18. 19). Es wäre sehr zu wünschen, daß in dieser Beziehung eine systema- tische Ausbildung der Gesetzgebung stattfände; es sollte keine Vereinsgesetzgebung gemacht werden, ohne darüber genaue und zweckmäßige Vorschriften zu geben. Während über die polizeiliche Ueberwachung sehr ausführliche Gesetze und In- struktionen vorhanden sind, fehlen dieselben gänzlich über die statistische. Auch jene ist wieder sehr verschieden. In Preußen und Oesterreich ist dieselbe strenge. (Rönne, preußisches Staatsrecht §. 100; Stubenrauch, österreichische Ver- waltungsgesetzkunde a. a. O.) In Baden und Bayern dagegen sehr frei, ebenso in Württemberg. (Dietz a. a. O.; Pötzl, Verwaltungsrecht §. 103; Mohl, württembergisches Staatsrecht §. 76.) Der Grund des ersteren Standpunkts liegt offenbar nicht in der Auffassung des Vereinswesens an sich, sondern viel- mehr in den Bedenken gegen das Versammlungsrecht der politischen Vereine.
3) Suspendirung, Schließung und Verbot des Vereins.
Das Recht der Suspendirung, Schließung und des Verbots der Vereine folgt aus dem Rechte der Oberaufsicht, die ohne jenes Recht nur eine Formalität wäre. Hier wird der Unterschied zwischen Verein und Gesellschaften wieder entscheidend, indem der öffentliche Zweck der ersteren der Regierung Rechte verleiht, welche der Privatzweck der letztern als unmotivirt erscheinen läßt.
Die Suspension der Constituirung muß auf geschehene Anzeige eintreten, wenn der Vereinsvertrag wesentliche Punkte der Verfassung, Organisation oder Verwaltung des Vereins außer Acht läßt. Die Er- klärung der Staatsverwaltung wird in diesem Falle dahin lauten, daß der Vereinsvertrag in diesen genau anzugebenden Punkten zu vervoll- ständig[ - 1 Zeichen fehlt]n sei, und daß darüber eine zweite Anzeige gewärtigt werde. Die Constituirung hat auf diese Erklärung nicht zu warten; es ist Sache der Staatsverwaltung, sie so bald als nöthig zu erlassen; geschieht sie aber, so ist allerdings von dem Augenblicke der Uebergabe an den Verein derselbe suspendirt. Es ist wieder Sache des Vereins, sich selbst zu überlegen, ob er mit der Constituirung nicht lieber warten, oder eine solche Erklärung sich von der Behörde einholen will, ehe er sich constituirt. Thut er das letztere, so ist allerdings die Verwaltung ver- pflichtet, eine Zulassungserklärung zu geben; die Bedeutung derselben aber bezieht sich dann allerdings nur noch auf den Vereinsvertrag und auf die strenge aus demselben erfolgenden Thätigkeiten. Die Weige- rung der Verwaltung, eine solche Erklärung zu geben, enthält nicht eine Suspension der Constituirung, die nur durch eine ausdrücklich dahin lautende Erklärung geschehen kann. Der Verein kann -- stets unter Voraussetzung, daß er keiner Genehmigung bedarf -- auf die Gefahr der persönlichen und solidarischen Haftung seiner einzelnen Mitglieder hin sich constituiren und thätig werden.
Vict. 18. 19). Es wäre ſehr zu wünſchen, daß in dieſer Beziehung eine ſyſtema- tiſche Ausbildung der Geſetzgebung ſtattfände; es ſollte keine Vereinsgeſetzgebung gemacht werden, ohne darüber genaue und zweckmäßige Vorſchriften zu geben. Während über die polizeiliche Ueberwachung ſehr ausführliche Geſetze und In- ſtruktionen vorhanden ſind, fehlen dieſelben gänzlich über die ſtatiſtiſche. Auch jene iſt wieder ſehr verſchieden. In Preußen und Oeſterreich iſt dieſelbe ſtrenge. (Rönne, preußiſches Staatsrecht §. 100; Stubenrauch, öſterreichiſche Ver- waltungsgeſetzkunde a. a. O.) In Baden und Bayern dagegen ſehr frei, ebenſo in Württemberg. (Dietz a. a. O.; Pötzl, Verwaltungsrecht §. 103; Mohl, württembergiſches Staatsrecht §. 76.) Der Grund des erſteren Standpunkts liegt offenbar nicht in der Auffaſſung des Vereinsweſens an ſich, ſondern viel- mehr in den Bedenken gegen das Verſammlungsrecht der politiſchen Vereine.
3) Suſpendirung, Schließung und Verbot des Vereins.
Das Recht der Suſpendirung, Schließung und des Verbots der Vereine folgt aus dem Rechte der Oberaufſicht, die ohne jenes Recht nur eine Formalität wäre. Hier wird der Unterſchied zwiſchen Verein und Geſellſchaften wieder entſcheidend, indem der öffentliche Zweck der erſteren der Regierung Rechte verleiht, welche der Privatzweck der letztern als unmotivirt erſcheinen läßt.
Die Suſpenſion der Conſtituirung muß auf geſchehene Anzeige eintreten, wenn der Vereinsvertrag weſentliche Punkte der Verfaſſung, Organiſation oder Verwaltung des Vereins außer Acht läßt. Die Er- klärung der Staatsverwaltung wird in dieſem Falle dahin lauten, daß der Vereinsvertrag in dieſen genau anzugebenden Punkten zu vervoll- ſtändig[ – 1 Zeichen fehlt]n ſei, und daß darüber eine zweite Anzeige gewärtigt werde. Die Conſtituirung hat auf dieſe Erklärung nicht zu warten; es iſt Sache der Staatsverwaltung, ſie ſo bald als nöthig zu erlaſſen; geſchieht ſie aber, ſo iſt allerdings von dem Augenblicke der Uebergabe an den Verein derſelbe ſuſpendirt. Es iſt wieder Sache des Vereins, ſich ſelbſt zu überlegen, ob er mit der Conſtituirung nicht lieber warten, oder eine ſolche Erklärung ſich von der Behörde einholen will, ehe er ſich conſtituirt. Thut er das letztere, ſo iſt allerdings die Verwaltung ver- pflichtet, eine Zulaſſungserklärung zu geben; die Bedeutung derſelben aber bezieht ſich dann allerdings nur noch auf den Vereinsvertrag und auf die ſtrenge aus demſelben erfolgenden Thätigkeiten. Die Weige- rung der Verwaltung, eine ſolche Erklärung zu geben, enthält nicht eine Suſpenſion der Conſtituirung, die nur durch eine ausdrücklich dahin lautende Erklärung geſchehen kann. Der Verein kann — ſtets unter Vorausſetzung, daß er keiner Genehmigung bedarf — auf die Gefahr der perſönlichen und ſolidariſchen Haftung ſeiner einzelnen Mitglieder hin ſich conſtituiren und thätig werden.
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gemacht werden, ohne darüber genaue und zweckmäßige Vorſchriften zu geben.
Während über die polizeiliche Ueberwachung ſehr ausführliche Geſetze und In-
ſtruktionen vorhanden ſind, fehlen dieſelben gänzlich über die ſtatiſtiſche. Auch
jene iſt wieder ſehr verſchieden. In Preußen und Oeſterreich iſt dieſelbe ſtrenge.
(Rönne, preußiſches Staatsrecht §. 100; Stubenrauch, öſterreichiſche Ver-
waltungsgeſetzkunde a. a. O.) In Baden und Bayern dagegen ſehr frei, ebenſo
in Württemberg. (Dietz a. a. O.; Pötzl, Verwaltungsrecht §. 103; Mohl,
württembergiſches Staatsrecht §. 76.) Der Grund des erſteren Standpunkts
liegt offenbar nicht in der Auffaſſung des Vereinsweſens an ſich, ſondern viel-
mehr in den Bedenken gegen das Verſammlungsrecht der politiſchen Vereine.
3) Suſpendirung, Schließung und Verbot des Vereins.
Das Recht der Suſpendirung, Schließung und des Verbots der
Vereine folgt aus dem Rechte der Oberaufſicht, die ohne jenes Recht
nur eine Formalität wäre. Hier wird der Unterſchied zwiſchen Verein
und Geſellſchaften wieder entſcheidend, indem der öffentliche Zweck der
erſteren der Regierung Rechte verleiht, welche der Privatzweck der letztern
als unmotivirt erſcheinen läßt.
Die Suſpenſion der Conſtituirung muß auf geſchehene Anzeige
eintreten, wenn der Vereinsvertrag weſentliche Punkte der Verfaſſung,
Organiſation oder Verwaltung des Vereins außer Acht läßt. Die Er-
klärung der Staatsverwaltung wird in dieſem Falle dahin lauten, daß
der Vereinsvertrag in dieſen genau anzugebenden Punkten zu vervoll-
ſtändig_n ſei, und daß darüber eine zweite Anzeige gewärtigt werde.
Die Conſtituirung hat auf dieſe Erklärung nicht zu warten; es iſt Sache
der Staatsverwaltung, ſie ſo bald als nöthig zu erlaſſen; geſchieht ſie
aber, ſo iſt allerdings von dem Augenblicke der Uebergabe an den
Verein derſelbe ſuſpendirt. Es iſt wieder Sache des Vereins, ſich ſelbſt
zu überlegen, ob er mit der Conſtituirung nicht lieber warten, oder
eine ſolche Erklärung ſich von der Behörde einholen will, ehe er ſich
conſtituirt. Thut er das letztere, ſo iſt allerdings die Verwaltung ver-
pflichtet, eine Zulaſſungserklärung zu geben; die Bedeutung derſelben
aber bezieht ſich dann allerdings nur noch auf den Vereinsvertrag und
auf die ſtrenge aus demſelben erfolgenden Thätigkeiten. Die Weige-
rung der Verwaltung, eine ſolche Erklärung zu geben, enthält nicht
eine Suſpenſion der Conſtituirung, die nur durch eine ausdrücklich dahin
lautende Erklärung geſchehen kann. Der Verein kann — ſtets unter
Vorausſetzung, daß er keiner Genehmigung bedarf — auf die Gefahr
der perſönlichen und ſolidariſchen Haftung ſeiner einzelnen Mitglieder
hin ſich conſtituiren und thätig werden.
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 642. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/666>, abgerufen am 24.11.2024.
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