Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

Bild:
<< vorherige Seite

Ein ganz anderes Verhältniß tritt da ein, wo sich eine Gemein-
schaft bildet, welche entweder durch die Art und Weise, wie sie ihre
Mittel aufbringt, oder bloß durch den Zweck, den sie sich setzt, oder
durch beides zugleich in die Aufgaben und Thätigkeiten der innern
Verwaltung hineingreift. Sowie dieß geschieht, wird aus einer solchen
Gemeinschaft offenbar ein -- weiteres oder entfernteres -- Glied der
Verwaltung
selbst. Als solches kann sie nicht mehr bloß auf dem
Willen ihrer Mitglieder beruhen, da die Theilnahme an der wirklichen
Verwaltung von dieser selbst mitbestimmt werden muß. Die Gemein-
schaft ist alsdann, und zwar zunächst gleichviel ob der Zweck der Er-
werb der Mitglieder ist, der durch eine öffentliche Funktion erzielt
werden soll, oder ob die Mitglieder gar nichts erwerben, oder gar noch
durch Beiträge von dem Ihrigen hergeben, ein Organ der Verwaltung,
ein selbständiger Wille innerhalb derselben, ein einheitlicher Körper,
dessen Leben ein Theil des Staatslebens ist. Daher muß sie als
juristische Persönlichkeit die Selbständigkeit ihres, nicht erst im Willen
der Mitglieder, sondern im Begriffe des Staats selbst liegenden Zweckes
zur Geltung bringen. Sie empfängt daher die juristische Persönlichkeit;
aber sie hat keine staatsbürgerlichen Rechte, wie der einzelne
Staatsbürger, sondern sie hat nur die Rechte der vollziehenden Gewalt
innerhalb ihrer Lebenssphäre. Sie ist daher eine administrative
juristische Persönlichkeit, die juristische Persönlichkeit der Verwaltung.

Natürlich ergibt sich daraus zugleich das Princip, welches das Recht
dieser Form der juristischen Persönlichkeit erzeugt und bedingt. Der
Antheil, den der Staat an derselben nimmt, wird stets zunächst davon
abhängen, ob der Zweck derselben eine Aufgabe der Verwaltung ent-
hält (Eisenbahnen, Banken etc.) oder ob und wie weit nur die
Mittel
in das Gebiet der Verwaltungsthätigkeit fallen (Beiträge,
Aktien). Je mehr das erste der Fall ist, um so größer wird natürlich
der Inhalt der Rechte dieser juristischen Persönlichkeit, und um so leb-
hafter die Betheiligung der Staatsverwaltung; wo das letzte der Fall
ist, wird dagegen nur die Sicherung öffentlicher Interessen die Aufgabe
der letzteren sein. Das nun gehört in die Lehre vom innern Verwal-
tungsrecht. Aber alle hier einschlagenden Modifikationen ändern doch
nicht das Wesen dieser zweiten Grundform der administrativen juristischen
Persönlichkeit.

Die dritte Grundform ist die, welche dann entsteht, wenn der juri-
stischen Persönlichkeit das Recht des Staatsbürgerthums, das ist, ein
organisch bestimmter Antheil an der Bildung des Staatswillens gegeben
wird; oder, wenn einer solchen Persönlichkeit das Recht der Wahl oder
der Wählbarkeit
für die Vertretungsformen des Volkes gegeben ist.

Ein ganz anderes Verhältniß tritt da ein, wo ſich eine Gemein-
ſchaft bildet, welche entweder durch die Art und Weiſe, wie ſie ihre
Mittel aufbringt, oder bloß durch den Zweck, den ſie ſich ſetzt, oder
durch beides zugleich in die Aufgaben und Thätigkeiten der innern
Verwaltung hineingreift. Sowie dieß geſchieht, wird aus einer ſolchen
Gemeinſchaft offenbar ein — weiteres oder entfernteres — Glied der
Verwaltung
ſelbſt. Als ſolches kann ſie nicht mehr bloß auf dem
Willen ihrer Mitglieder beruhen, da die Theilnahme an der wirklichen
Verwaltung von dieſer ſelbſt mitbeſtimmt werden muß. Die Gemein-
ſchaft iſt alsdann, und zwar zunächſt gleichviel ob der Zweck der Er-
werb der Mitglieder iſt, der durch eine öffentliche Funktion erzielt
werden ſoll, oder ob die Mitglieder gar nichts erwerben, oder gar noch
durch Beiträge von dem Ihrigen hergeben, ein Organ der Verwaltung,
ein ſelbſtändiger Wille innerhalb derſelben, ein einheitlicher Körper,
deſſen Leben ein Theil des Staatslebens iſt. Daher muß ſie als
juriſtiſche Perſönlichkeit die Selbſtändigkeit ihres, nicht erſt im Willen
der Mitglieder, ſondern im Begriffe des Staats ſelbſt liegenden Zweckes
zur Geltung bringen. Sie empfängt daher die juriſtiſche Perſönlichkeit;
aber ſie hat keine ſtaatsbürgerlichen Rechte, wie der einzelne
Staatsbürger, ſondern ſie hat nur die Rechte der vollziehenden Gewalt
innerhalb ihrer Lebensſphäre. Sie iſt daher eine adminiſtrative
juriſtiſche Perſönlichkeit, die juriſtiſche Perſönlichkeit der Verwaltung.

Natürlich ergibt ſich daraus zugleich das Princip, welches das Recht
dieſer Form der juriſtiſchen Perſönlichkeit erzeugt und bedingt. Der
Antheil, den der Staat an derſelben nimmt, wird ſtets zunächſt davon
abhängen, ob der Zweck derſelben eine Aufgabe der Verwaltung ent-
hält (Eiſenbahnen, Banken ꝛc.) oder ob und wie weit nur die
Mittel
in das Gebiet der Verwaltungsthätigkeit fallen (Beiträge,
Aktien). Je mehr das erſte der Fall iſt, um ſo größer wird natürlich
der Inhalt der Rechte dieſer juriſtiſchen Perſönlichkeit, und um ſo leb-
hafter die Betheiligung der Staatsverwaltung; wo das letzte der Fall
iſt, wird dagegen nur die Sicherung öffentlicher Intereſſen die Aufgabe
der letzteren ſein. Das nun gehört in die Lehre vom innern Verwal-
tungsrecht. Aber alle hier einſchlagenden Modifikationen ändern doch
nicht das Weſen dieſer zweiten Grundform der adminiſtrativen juriſtiſchen
Perſönlichkeit.

Die dritte Grundform iſt die, welche dann entſteht, wenn der juri-
ſtiſchen Perſönlichkeit das Recht des Staatsbürgerthums, das iſt, ein
organiſch beſtimmter Antheil an der Bildung des Staatswillens gegeben
wird; oder, wenn einer ſolchen Perſönlichkeit das Recht der Wahl oder
der Wählbarkeit
für die Vertretungsformen des Volkes gegeben iſt.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <pb facs="#f0602" n="578"/>
                  <p>Ein ganz anderes Verhältniß tritt da ein, wo &#x017F;ich eine Gemein-<lb/>
&#x017F;chaft bildet, welche entweder durch die Art und Wei&#x017F;e, wie &#x017F;ie ihre<lb/>
Mittel aufbringt, oder bloß durch den Zweck, den &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;etzt, oder<lb/>
durch beides zugleich in die Aufgaben und Thätigkeiten der innern<lb/>
Verwaltung hineingreift. Sowie dieß ge&#x017F;chieht, wird aus einer &#x017F;olchen<lb/>
Gemein&#x017F;chaft offenbar ein &#x2014; weiteres oder entfernteres &#x2014; <hi rendition="#g">Glied der<lb/>
Verwaltung</hi> &#x017F;elb&#x017F;t. Als &#x017F;olches kann &#x017F;ie nicht mehr bloß auf dem<lb/>
Willen ihrer Mitglieder beruhen, da die Theilnahme an der wirklichen<lb/>
Verwaltung von die&#x017F;er &#x017F;elb&#x017F;t mitbe&#x017F;timmt werden muß. Die Gemein-<lb/>
&#x017F;chaft i&#x017F;t alsdann, und zwar zunäch&#x017F;t gleichviel ob der Zweck der Er-<lb/>
werb der Mitglieder i&#x017F;t, der durch eine öffentliche Funktion erzielt<lb/>
werden &#x017F;oll, oder ob die Mitglieder gar nichts erwerben, oder gar noch<lb/>
durch Beiträge von dem Ihrigen hergeben, ein Organ der Verwaltung,<lb/>
ein &#x017F;elb&#x017F;tändiger Wille innerhalb der&#x017F;elben, ein einheitlicher Körper,<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Leben ein Theil des Staatslebens i&#x017F;t. Daher muß &#x017F;ie als<lb/>
juri&#x017F;ti&#x017F;che Per&#x017F;önlichkeit die Selb&#x017F;tändigkeit ihres, nicht er&#x017F;t im Willen<lb/>
der Mitglieder, &#x017F;ondern im Begriffe des Staats &#x017F;elb&#x017F;t liegenden Zweckes<lb/>
zur Geltung bringen. Sie empfängt daher die juri&#x017F;ti&#x017F;che Per&#x017F;önlichkeit;<lb/>
aber &#x017F;ie hat <hi rendition="#g">keine &#x017F;taatsbürgerlichen Rechte</hi>, wie der einzelne<lb/>
Staatsbürger, &#x017F;ondern &#x017F;ie hat nur die Rechte der vollziehenden Gewalt<lb/>
innerhalb ihrer Lebens&#x017F;phäre. Sie i&#x017F;t daher eine <hi rendition="#g">admini&#x017F;trative</hi><lb/>
juri&#x017F;ti&#x017F;che Per&#x017F;önlichkeit, die juri&#x017F;ti&#x017F;che Per&#x017F;önlichkeit der <hi rendition="#g">Verwaltung</hi>.</p><lb/>
                  <p>Natürlich ergibt &#x017F;ich daraus zugleich das Princip, welches das Recht<lb/>
die&#x017F;er Form der juri&#x017F;ti&#x017F;chen Per&#x017F;önlichkeit erzeugt und bedingt. Der<lb/>
Antheil, den der Staat an der&#x017F;elben nimmt, wird &#x017F;tets zunäch&#x017F;t davon<lb/>
abhängen, ob der <hi rendition="#g">Zweck</hi> der&#x017F;elben eine Aufgabe der Verwaltung ent-<lb/>
hält (Ei&#x017F;enbahnen, Banken &#xA75B;c.) oder <hi rendition="#g">ob und wie weit nur die<lb/>
Mittel</hi> in das Gebiet der Verwaltungsthätigkeit fallen (Beiträge,<lb/>
Aktien). Je mehr das er&#x017F;te der Fall i&#x017F;t, um &#x017F;o größer wird natürlich<lb/>
der Inhalt der Rechte die&#x017F;er juri&#x017F;ti&#x017F;chen Per&#x017F;önlichkeit, und um &#x017F;o leb-<lb/>
hafter die Betheiligung der Staatsverwaltung; wo das letzte der Fall<lb/>
i&#x017F;t, wird dagegen nur die Sicherung öffentlicher Intere&#x017F;&#x017F;en die Aufgabe<lb/>
der letzteren &#x017F;ein. Das nun gehört in die Lehre vom innern Verwal-<lb/>
tungsrecht. Aber alle hier ein&#x017F;chlagenden Modifikationen ändern doch<lb/>
nicht das We&#x017F;en die&#x017F;er zweiten Grundform der admini&#x017F;trativen juri&#x017F;ti&#x017F;chen<lb/>
Per&#x017F;önlichkeit.</p><lb/>
                  <p>Die dritte Grundform i&#x017F;t die, welche dann ent&#x017F;teht, wenn der juri-<lb/>
&#x017F;ti&#x017F;chen Per&#x017F;önlichkeit das Recht des Staatsbürgerthums, das i&#x017F;t, ein<lb/>
organi&#x017F;ch be&#x017F;timmter Antheil an der Bildung des Staatswillens gegeben<lb/>
wird; oder, wenn einer &#x017F;olchen Per&#x017F;önlichkeit das Recht der <hi rendition="#g">Wahl oder<lb/>
der Wählbarkeit</hi> für die Vertretungsformen des Volkes gegeben i&#x017F;t.<lb/></p>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[578/0602] Ein ganz anderes Verhältniß tritt da ein, wo ſich eine Gemein- ſchaft bildet, welche entweder durch die Art und Weiſe, wie ſie ihre Mittel aufbringt, oder bloß durch den Zweck, den ſie ſich ſetzt, oder durch beides zugleich in die Aufgaben und Thätigkeiten der innern Verwaltung hineingreift. Sowie dieß geſchieht, wird aus einer ſolchen Gemeinſchaft offenbar ein — weiteres oder entfernteres — Glied der Verwaltung ſelbſt. Als ſolches kann ſie nicht mehr bloß auf dem Willen ihrer Mitglieder beruhen, da die Theilnahme an der wirklichen Verwaltung von dieſer ſelbſt mitbeſtimmt werden muß. Die Gemein- ſchaft iſt alsdann, und zwar zunächſt gleichviel ob der Zweck der Er- werb der Mitglieder iſt, der durch eine öffentliche Funktion erzielt werden ſoll, oder ob die Mitglieder gar nichts erwerben, oder gar noch durch Beiträge von dem Ihrigen hergeben, ein Organ der Verwaltung, ein ſelbſtändiger Wille innerhalb derſelben, ein einheitlicher Körper, deſſen Leben ein Theil des Staatslebens iſt. Daher muß ſie als juriſtiſche Perſönlichkeit die Selbſtändigkeit ihres, nicht erſt im Willen der Mitglieder, ſondern im Begriffe des Staats ſelbſt liegenden Zweckes zur Geltung bringen. Sie empfängt daher die juriſtiſche Perſönlichkeit; aber ſie hat keine ſtaatsbürgerlichen Rechte, wie der einzelne Staatsbürger, ſondern ſie hat nur die Rechte der vollziehenden Gewalt innerhalb ihrer Lebensſphäre. Sie iſt daher eine adminiſtrative juriſtiſche Perſönlichkeit, die juriſtiſche Perſönlichkeit der Verwaltung. Natürlich ergibt ſich daraus zugleich das Princip, welches das Recht dieſer Form der juriſtiſchen Perſönlichkeit erzeugt und bedingt. Der Antheil, den der Staat an derſelben nimmt, wird ſtets zunächſt davon abhängen, ob der Zweck derſelben eine Aufgabe der Verwaltung ent- hält (Eiſenbahnen, Banken ꝛc.) oder ob und wie weit nur die Mittel in das Gebiet der Verwaltungsthätigkeit fallen (Beiträge, Aktien). Je mehr das erſte der Fall iſt, um ſo größer wird natürlich der Inhalt der Rechte dieſer juriſtiſchen Perſönlichkeit, und um ſo leb- hafter die Betheiligung der Staatsverwaltung; wo das letzte der Fall iſt, wird dagegen nur die Sicherung öffentlicher Intereſſen die Aufgabe der letzteren ſein. Das nun gehört in die Lehre vom innern Verwal- tungsrecht. Aber alle hier einſchlagenden Modifikationen ändern doch nicht das Weſen dieſer zweiten Grundform der adminiſtrativen juriſtiſchen Perſönlichkeit. Die dritte Grundform iſt die, welche dann entſteht, wenn der juri- ſtiſchen Perſönlichkeit das Recht des Staatsbürgerthums, das iſt, ein organiſch beſtimmter Antheil an der Bildung des Staatswillens gegeben wird; oder, wenn einer ſolchen Perſönlichkeit das Recht der Wahl oder der Wählbarkeit für die Vertretungsformen des Volkes gegeben iſt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/602
Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 578. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/602>, abgerufen am 04.05.2024.