ununterschieden gebraucht; man nennt unbedenklich Vereine Gesellschaften und umgekehrt, und an sich ist das nicht falsch. Allein man sollte um der Klarheit willen diese willkürlichen Bezeichnungen aufgeben. Der folgende Begriff des Vereins wird zeigen, daß wir mit Recht das Ge- biet der Gesellschaften auf diejenigen Vereinigungen beziehen, welche einen wirthschaftlichen Zweck haben. Im Grunde entspricht dieser Begriff auch dem Sprachgebrauch; namentlich scheint uns das Handels- gesetzbuch ganz diese Auffassung zur Geltung gebracht zu haben, indem es, von Gesellschaften redend, immer nur an wirthschaftliche Gesellschaften denkt. Wir werden daher den Ausdruck festhalten, um so mehr als auch die politischen Gesetze, so weit sie existiren, vorzugsweise bei "Ver- einen" schon staatliche Zwecke hinzudenken, wie sich unten zeigen wird.
Trotz dieser Beschränkung des Begriffes von Gesellschaften auf die wirthschaftlichen Vereinigungen, erscheinen dennoch höchst wesentliche Modifikationen in demselben, die wieder, aus der Natur des Objekts hervorgehend, das Verhältniß der Mitglieder bestimmen.
Zuerst kann die Gesellschaft bloß in einer Vereinigung des Ver- mögens Einzelner mit der Unternehmung Dritter bestehen, so daß sie eine Vereinigung eines Kapitals mit einer Unternehmung ist; das ist die stille Gesellschaft. Dann kann sie in der Vereinigung der gesammten Wirthschaft für ein selbständiges Unternehmen bestehen; das ist die offene Gesellschaft. Dann kann sie in der Verschmelzung beider Arten bestehen, indem für ein drittes, selbständiges Unternehmen einige Mitglieder mit ihrem ganzen Vermögen, einige nur mit einem bestimmten Antheil ein- treten, und das ist die Commanditgesellschaft. Die Commanditgesell- schaft unterscheidet sich von der stillen Gesellschaft dadurch, daß sie nur dann als Gesellschaft denkbar ist, wenn der Zweck der Gesellschaft nicht ein bereits bestehender, sondern ein durch die Theilnehmer neu und selbständig gesetzter ist. Die Commandite kann allerdings ein bereits bestehendes Unternehmen übernehmen, aber sie wird als Gesellschaft dessen Eigenthümerin, während bei der stillen Gesellschaft der frühere Herr des Unternehmers Eigenthümer bleibt, und das Wesen einer solchen Gesellschaft nur in der Abhängigkeit der Verzinsung des eingelegten Kapitals von dem Gewinne des Geschäfts besteht. Das deutsche Han- delsgesetzbuch ist in seiner Auffassung der Commandite vollkommen un- klar, so wie in seiner Auffassung des Wesens der stillen Gesellschaft. Es hat den Kern der Sache nicht zu erfassen gewußt, indem es das, worauf es ankommt, das Eigenthum am Unternehmen, nicht selb- ständig aufgefaßt hat. Mit Recht hat man daher auch der stillen Ge- sellschaft des Handelsgesetzbuches die Lebensfähigkeit abgesprochen, in der Weise, in der sie aufgestellt ist; denn es wird jedem unmöglich bleiben,
ununterſchieden gebraucht; man nennt unbedenklich Vereine Geſellſchaften und umgekehrt, und an ſich iſt das nicht falſch. Allein man ſollte um der Klarheit willen dieſe willkürlichen Bezeichnungen aufgeben. Der folgende Begriff des Vereins wird zeigen, daß wir mit Recht das Ge- biet der Geſellſchaften auf diejenigen Vereinigungen beziehen, welche einen wirthſchaftlichen Zweck haben. Im Grunde entſpricht dieſer Begriff auch dem Sprachgebrauch; namentlich ſcheint uns das Handels- geſetzbuch ganz dieſe Auffaſſung zur Geltung gebracht zu haben, indem es, von Geſellſchaften redend, immer nur an wirthſchaftliche Geſellſchaften denkt. Wir werden daher den Ausdruck feſthalten, um ſo mehr als auch die politiſchen Geſetze, ſo weit ſie exiſtiren, vorzugsweiſe bei „Ver- einen“ ſchon ſtaatliche Zwecke hinzudenken, wie ſich unten zeigen wird.
Trotz dieſer Beſchränkung des Begriffes von Geſellſchaften auf die wirthſchaftlichen Vereinigungen, erſcheinen dennoch höchſt weſentliche Modifikationen in demſelben, die wieder, aus der Natur des Objekts hervorgehend, das Verhältniß der Mitglieder beſtimmen.
Zuerſt kann die Geſellſchaft bloß in einer Vereinigung des Ver- mögens Einzelner mit der Unternehmung Dritter beſtehen, ſo daß ſie eine Vereinigung eines Kapitals mit einer Unternehmung iſt; das iſt die ſtille Geſellſchaft. Dann kann ſie in der Vereinigung der geſammten Wirthſchaft für ein ſelbſtändiges Unternehmen beſtehen; das iſt die offene Geſellſchaft. Dann kann ſie in der Verſchmelzung beider Arten beſtehen, indem für ein drittes, ſelbſtändiges Unternehmen einige Mitglieder mit ihrem ganzen Vermögen, einige nur mit einem beſtimmten Antheil ein- treten, und das iſt die Commanditgeſellſchaft. Die Commanditgeſell- ſchaft unterſcheidet ſich von der ſtillen Geſellſchaft dadurch, daß ſie nur dann als Geſellſchaft denkbar iſt, wenn der Zweck der Geſellſchaft nicht ein bereits beſtehender, ſondern ein durch die Theilnehmer neu und ſelbſtändig geſetzter iſt. Die Commandite kann allerdings ein bereits beſtehendes Unternehmen übernehmen, aber ſie wird als Geſellſchaft deſſen Eigenthümerin, während bei der ſtillen Geſellſchaft der frühere Herr des Unternehmers Eigenthümer bleibt, und das Weſen einer ſolchen Geſellſchaft nur in der Abhängigkeit der Verzinſung des eingelegten Kapitals von dem Gewinne des Geſchäfts beſteht. Das deutſche Han- delsgeſetzbuch iſt in ſeiner Auffaſſung der Commandite vollkommen un- klar, ſo wie in ſeiner Auffaſſung des Weſens der ſtillen Geſellſchaft. Es hat den Kern der Sache nicht zu erfaſſen gewußt, indem es das, worauf es ankommt, das Eigenthum am Unternehmen, nicht ſelb- ſtändig aufgefaßt hat. Mit Recht hat man daher auch der ſtillen Ge- ſellſchaft des Handelsgeſetzbuches die Lebensfähigkeit abgeſprochen, in der Weiſe, in der ſie aufgeſtellt iſt; denn es wird jedem unmöglich bleiben,
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ununterſchieden gebraucht; man nennt unbedenklich Vereine Geſellſchaften
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der Klarheit willen dieſe willkürlichen Bezeichnungen aufgeben. Der
folgende Begriff des Vereins wird zeigen, daß wir mit Recht das Ge-
biet der Geſellſchaften auf diejenigen Vereinigungen beziehen, welche
einen wirthſchaftlichen Zweck haben. Im Grunde entſpricht dieſer
Begriff auch dem Sprachgebrauch; namentlich ſcheint uns das Handels-
geſetzbuch ganz dieſe Auffaſſung zur Geltung gebracht zu haben, indem
es, von Geſellſchaften redend, immer nur an wirthſchaftliche Geſellſchaften
denkt. Wir werden daher den Ausdruck feſthalten, um ſo mehr als
auch die politiſchen Geſetze, ſo weit ſie exiſtiren, vorzugsweiſe bei „Ver-
einen“ ſchon ſtaatliche Zwecke hinzudenken, wie ſich unten zeigen wird.
Trotz dieſer Beſchränkung des Begriffes von Geſellſchaften auf die
wirthſchaftlichen Vereinigungen, erſcheinen dennoch höchſt weſentliche
Modifikationen in demſelben, die wieder, aus der Natur des Objekts
hervorgehend, das Verhältniß der Mitglieder beſtimmen.
Zuerſt kann die Geſellſchaft bloß in einer Vereinigung des Ver-
mögens Einzelner mit der Unternehmung Dritter beſtehen, ſo daß ſie
eine Vereinigung eines Kapitals mit einer Unternehmung iſt; das iſt
die ſtille Geſellſchaft. Dann kann ſie in der Vereinigung der geſammten
Wirthſchaft für ein ſelbſtändiges Unternehmen beſtehen; das iſt die offene
Geſellſchaft. Dann kann ſie in der Verſchmelzung beider Arten beſtehen,
indem für ein drittes, ſelbſtändiges Unternehmen einige Mitglieder mit
ihrem ganzen Vermögen, einige nur mit einem beſtimmten Antheil ein-
treten, und das iſt die Commanditgeſellſchaft. Die Commanditgeſell-
ſchaft unterſcheidet ſich von der ſtillen Geſellſchaft dadurch, daß ſie nur
dann als Geſellſchaft denkbar iſt, wenn der Zweck der Geſellſchaft nicht
ein bereits beſtehender, ſondern ein durch die Theilnehmer neu und
ſelbſtändig geſetzter iſt. Die Commandite kann allerdings ein bereits
beſtehendes Unternehmen übernehmen, aber ſie wird als Geſellſchaft deſſen
Eigenthümerin, während bei der ſtillen Geſellſchaft der frühere Herr
des Unternehmers Eigenthümer bleibt, und das Weſen einer ſolchen
Geſellſchaft nur in der Abhängigkeit der Verzinſung des eingelegten
Kapitals von dem Gewinne des Geſchäfts beſteht. Das deutſche Han-
delsgeſetzbuch iſt in ſeiner Auffaſſung der Commandite vollkommen un-
klar, ſo wie in ſeiner Auffaſſung des Weſens der ſtillen Geſellſchaft.
Es hat den Kern der Sache nicht zu erfaſſen gewußt, indem es
das, worauf es ankommt, das Eigenthum am Unternehmen, nicht ſelb-
ſtändig aufgefaßt hat. Mit Recht hat man daher auch der ſtillen Ge-
ſellſchaft des Handelsgeſetzbuches die Lebensfähigkeit abgeſprochen, in der
Weiſe, in der ſie aufgeſtellt iſt; denn es wird jedem unmöglich bleiben,
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 570. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/594>, abgerufen am 22.11.2024.
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