wie der erstere kein städtischer, sondern ein königlicher Beamteter, darf deßhalb auch weder Mitglied des Common Council sein noch die Stadt im Parlament vertreten; das Element der Selbstverwaltung erscheint aber wieder darin, daß er sein Gehalt nicht vom Staat, sondern von der Gemeinde bekommt. -- Für alle diese Funktionen hat nun der Körper der Stadt das Recht, die bye laws, städtische Verordnungen mit Strafandrohung bis 30 Thaler oder einen Monat Gefängniß zu erlassen, und in der Commission of the peace gerade wie ein Friedens- richter durch ihren Polizeirichter entscheiden zu lassen; sie hat ihren städtischen Clerk of the peace, ihren städtischen Coroner und städtische Detentionshäuser, welche sie selbst verwalten. Die städtischen Watch Committees sind die städtische Ortspolizei, welche das Recht haben, In- struktionen für die Constablers mit bindender Kraft als "Regulations" zu geben, die mithin als die polizeilichen bye laws (städtische Polizei- ordnungen) erscheinen. (Gneist I, S. 488. 528. 547.) Auf diese Weise bildet die Stadt allerdings eine Gemeinde im deutschen Sinne des Wortes. Allein im Grunde ist die städtische Gemeindeordnung Englands durch nur eine Modifikation der Ordnung der Verwaltungs- gemeinde; diese bleibt mit ihren Grundlagen das herrschende Element in der englischen Selbstverwaltung; und das Gemeindewesen Englands zeigt daher seinen Charakter gegenüber dem deutschen wesentlich darin, daß er sich nicht an den Ort und seine Bedürfnisse, sondern an die Verwaltungsaufgabe und ihre Forderungen anschließt, daß es diese Aufgaben auch in der Städteverfassung unter bürgerlicher Haftbarkeit durchführt; daß es zu dem Ende sich selbst nach eigenem Steuerfuß besteuert, und das Recht auf seinen Antheil an der wirklichen Ver- waltung nicht wie auf dem Continent auf ein Gesetz zurückführt, welches ihm dieses Recht verfassungsmäßig verliehen, sondern vielmehr auf die Pflicht, nach bürgerlichen Grundsätzen zu haften, wenn die Verwal- tungsaufgaben nicht erfüllt sind. Es ist nicht schwer, den durchgreifen- den Unterschied sich zu vergegenwärtigen. Doch wird er erst unten bei der Darstellung der deutschen Verhältnisse recht anschaulich werden. Gewiß scheint jedoch schon hier der Satz, daß die natürliche Lösung des deutschen Streites über die Landgemeindeordnungen nicht in der Landgemeinde, sondern eben in der Herstellung von englischen Verwal- tungsgemeinden zu suchen ist, an welche sich dann die Stadtgemeinden leicht anschließen.
Auf diesen Grundlagen nun beruht das System der örtlichen Selbstverwaltung Englands. Es ist in ihm das Geheimniß der Stärke, aber freilich auch das der Schwäche Englands enthalten, und beides läßt sich jetzt wohl ziemlich bestimmt formuliren. Englands Selbst-
wie der erſtere kein ſtädtiſcher, ſondern ein königlicher Beamteter, darf deßhalb auch weder Mitglied des Common Council ſein noch die Stadt im Parlament vertreten; das Element der Selbſtverwaltung erſcheint aber wieder darin, daß er ſein Gehalt nicht vom Staat, ſondern von der Gemeinde bekommt. — Für alle dieſe Funktionen hat nun der Körper der Stadt das Recht, die bye laws, ſtädtiſche Verordnungen mit Strafandrohung bis 30 Thaler oder einen Monat Gefängniß zu erlaſſen, und in der Commission of the peace gerade wie ein Friedens- richter durch ihren Polizeirichter entſcheiden zu laſſen; ſie hat ihren ſtädtiſchen Clerk of the peace, ihren ſtädtiſchen Coroner und ſtädtiſche Detentionshäuſer, welche ſie ſelbſt verwalten. Die ſtädtiſchen Watch Committees ſind die ſtädtiſche Ortspolizei, welche das Recht haben, In- ſtruktionen für die Conſtablers mit bindender Kraft als „Regulations“ zu geben, die mithin als die polizeilichen bye laws (ſtädtiſche Polizei- ordnungen) erſcheinen. (Gneiſt I, S. 488. 528. 547.) Auf dieſe Weiſe bildet die Stadt allerdings eine Gemeinde im deutſchen Sinne des Wortes. Allein im Grunde iſt die ſtädtiſche Gemeindeordnung Englands durch nur eine Modifikation der Ordnung der Verwaltungs- gemeinde; dieſe bleibt mit ihren Grundlagen das herrſchende Element in der engliſchen Selbſtverwaltung; und das Gemeindeweſen Englands zeigt daher ſeinen Charakter gegenüber dem deutſchen weſentlich darin, daß er ſich nicht an den Ort und ſeine Bedürfniſſe, ſondern an die Verwaltungsaufgabe und ihre Forderungen anſchließt, daß es dieſe Aufgaben auch in der Städteverfaſſung unter bürgerlicher Haftbarkeit durchführt; daß es zu dem Ende ſich ſelbſt nach eigenem Steuerfuß beſteuert, und das Recht auf ſeinen Antheil an der wirklichen Ver- waltung nicht wie auf dem Continent auf ein Geſetz zurückführt, welches ihm dieſes Recht verfaſſungsmäßig verliehen, ſondern vielmehr auf die Pflicht, nach bürgerlichen Grundſätzen zu haften, wenn die Verwal- tungsaufgaben nicht erfüllt ſind. Es iſt nicht ſchwer, den durchgreifen- den Unterſchied ſich zu vergegenwärtigen. Doch wird er erſt unten bei der Darſtellung der deutſchen Verhältniſſe recht anſchaulich werden. Gewiß ſcheint jedoch ſchon hier der Satz, daß die natürliche Löſung des deutſchen Streites über die Landgemeindeordnungen nicht in der Landgemeinde, ſondern eben in der Herſtellung von engliſchen Verwal- tungsgemeinden zu ſuchen iſt, an welche ſich dann die Stadtgemeinden leicht anſchließen.
Auf dieſen Grundlagen nun beruht das Syſtem der örtlichen Selbſtverwaltung Englands. Es iſt in ihm das Geheimniß der Stärke, aber freilich auch das der Schwäche Englands enthalten, und beides läßt ſich jetzt wohl ziemlich beſtimmt formuliren. Englands Selbſt-
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wie der erſtere kein ſtädtiſcher, ſondern ein königlicher Beamteter, darf
deßhalb auch weder Mitglied des Common Council ſein noch die Stadt
im Parlament vertreten; das Element der Selbſtverwaltung erſcheint
aber wieder darin, daß er ſein Gehalt nicht vom Staat, ſondern von
der Gemeinde bekommt. — Für alle dieſe Funktionen hat nun der
Körper der Stadt das Recht, die bye laws, ſtädtiſche Verordnungen
mit Strafandrohung bis 30 Thaler oder einen Monat Gefängniß zu
erlaſſen, und in der Commission of the peace gerade wie ein Friedens-
richter durch ihren Polizeirichter entſcheiden zu laſſen; ſie hat ihren
ſtädtiſchen Clerk of the peace, ihren ſtädtiſchen Coroner und ſtädtiſche
Detentionshäuſer, welche ſie ſelbſt verwalten. Die ſtädtiſchen Watch
Committees ſind die ſtädtiſche Ortspolizei, welche das Recht haben, In-
ſtruktionen für die Conſtablers mit bindender Kraft als „Regulations“
zu geben, die mithin als die polizeilichen bye laws (ſtädtiſche Polizei-
ordnungen) erſcheinen. (Gneiſt I, S. 488. 528. 547.) Auf dieſe Weiſe
bildet die Stadt allerdings eine Gemeinde im deutſchen Sinne des
Wortes. Allein im Grunde iſt die ſtädtiſche Gemeindeordnung Englands
durch nur eine Modifikation der Ordnung der Verwaltungs-
gemeinde; dieſe bleibt mit ihren Grundlagen das herrſchende Element
in der engliſchen Selbſtverwaltung; und das Gemeindeweſen Englands
zeigt daher ſeinen Charakter gegenüber dem deutſchen weſentlich darin,
daß er ſich nicht an den Ort und ſeine Bedürfniſſe, ſondern an die
Verwaltungsaufgabe und ihre Forderungen anſchließt, daß es dieſe
Aufgaben auch in der Städteverfaſſung unter bürgerlicher Haftbarkeit
durchführt; daß es zu dem Ende ſich ſelbſt nach eigenem Steuerfuß
beſteuert, und das Recht auf ſeinen Antheil an der wirklichen Ver-
waltung nicht wie auf dem Continent auf ein Geſetz zurückführt, welches
ihm dieſes Recht verfaſſungsmäßig verliehen, ſondern vielmehr auf die
Pflicht, nach bürgerlichen Grundſätzen zu haften, wenn die Verwal-
tungsaufgaben nicht erfüllt ſind. Es iſt nicht ſchwer, den durchgreifen-
den Unterſchied ſich zu vergegenwärtigen. Doch wird er erſt unten bei
der Darſtellung der deutſchen Verhältniſſe recht anſchaulich werden.
Gewiß ſcheint jedoch ſchon hier der Satz, daß die natürliche Löſung
des deutſchen Streites über die Landgemeindeordnungen nicht in der
Landgemeinde, ſondern eben in der Herſtellung von engliſchen Verwal-
tungsgemeinden zu ſuchen iſt, an welche ſich dann die Stadtgemeinden
leicht anſchließen.
Auf dieſen Grundlagen nun beruht das Syſtem der örtlichen
Selbſtverwaltung Englands. Es iſt in ihm das Geheimniß der Stärke,
aber freilich auch das der Schwäche Englands enthalten, und beides
läßt ſich jetzt wohl ziemlich beſtimmt formuliren. Englands Selbſt-
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 475. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/499>, abgerufen am 22.11.2024.
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