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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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gleichen Schritt mit der Geschichte des Amts; der wirthschaftliche Körper
folgt gleichsam der Entwicklung der staatlichen Seele. In der ständi-
schen Epoche gibt es kein Gehalt; dasselbe beginnt erst da, wo der
Beamtete sich der einheitlichen Staatsgewalt unterordnet, hält mit dieser
Unterordnung gleichen Schritt, und tritt mit der verschiedenen Ent-
wicklung der staatsbürgerlichen Gesellschaft und der organischen Ver-
waltung ganz in die Verpflichtung des Staats über. Das Wesen der
selbständigen Persönlichkeit des Staats gegenüber den einzelnen Per-
sönlichkeiten der Staatsangehörigen nimmt jeder einzelnen Leistung der
Beamteten den Charakter einer wirthschaftlichen Leistung, deren Werth
ihm persönlich in der Gebühr gezahlt ward. Alle Thätigkeiten aller
Beamteten sind jetzt Eins, und der wirthschaftliche Unterhalt der Beamte-
ten erscheint daher seinerseits als Eine große, organisch nach der Bedeutung
des Amts vertheilte -- systematisirte -- Leistung des Staats für seinen
eignen Organismus, das System der Gehalte. Die verfassungsmäßige
Verwaltung enthält damit in der Bewilligung dieser Ausgabe den
Antheil, den die Volksvertretung an der Organisationsgewalt
der Verwaltung hat; und so greifen jetzt diese Elemente in einander.

An das Gehalt schließt sich das Ruhegehalt, das Recht und
das System der Pensionen. Das Ruhegehalt ist seinem Wesen nach
der Ueberschuß des wirthschaftlichen Lebens des Beamteten, den der
Staat ihm sichert für die Zeit, wo die persönlichen Kräfte der Amts-
führung nicht mehr entsprechen. Das Princip des Ruhegehaltes beruht
darauf, daß die Erfüllung des Lebensberufes die Fähigkeit haben muß,
einen solchen Ueberschuß zu erzeugen, während die Standesmäßigkeit
denselben nicht von der zufälligen wirthschaftlichen Berechnung und
Sparsamkeit des einzelnen Beamteten abhängig bleiben läßt. Die Auf-
fassung der Anstellung des Beamteten als eines Vertrages kann nur
schwer das Gehalt, niemals das Ruhegehalt als eine principiell dem
Staate obliegende Verpflichtung erklären. In ihm erscheint das höhere
Wesen des Amts in seiner concretesten wirthschaftlichen Form. Es ist
eben deßhalb ein immanenter Theil des organischen wirthschaftlichen
Staatsdienerrechts in allen Staaten Europas geworden.

Das dritte Gebiet des Staatsdienerrechts, das sich auf die ein-
zelnen Handlungen
des Beamteten bezieht, zerfällt wieder in drei
Theile.

Jede Handlung des Beamteten, die nicht im Wirkungskreis des
Amts liegt, ist keine amtliche, sondern eine Privathandlung, und fällt
daher unter das Privat- oder bürgerliche Strafrecht. Es ist durchaus
kein Grund, hier wieder ein besonderes Recht, oder einen besondern
Gerichtsstand einzuführen oder festzuhalten. Der letztere gehörte den

gleichen Schritt mit der Geſchichte des Amts; der wirthſchaftliche Körper
folgt gleichſam der Entwicklung der ſtaatlichen Seele. In der ſtändi-
ſchen Epoche gibt es kein Gehalt; daſſelbe beginnt erſt da, wo der
Beamtete ſich der einheitlichen Staatsgewalt unterordnet, hält mit dieſer
Unterordnung gleichen Schritt, und tritt mit der verſchiedenen Ent-
wicklung der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft und der organiſchen Ver-
waltung ganz in die Verpflichtung des Staats über. Das Weſen der
ſelbſtändigen Perſönlichkeit des Staats gegenüber den einzelnen Per-
ſönlichkeiten der Staatsangehörigen nimmt jeder einzelnen Leiſtung der
Beamteten den Charakter einer wirthſchaftlichen Leiſtung, deren Werth
ihm perſönlich in der Gebühr gezahlt ward. Alle Thätigkeiten aller
Beamteten ſind jetzt Eins, und der wirthſchaftliche Unterhalt der Beamte-
ten erſcheint daher ſeinerſeits als Eine große, organiſch nach der Bedeutung
des Amts vertheilte — ſyſtematiſirte — Leiſtung des Staats für ſeinen
eignen Organismus, das Syſtem der Gehalte. Die verfaſſungsmäßige
Verwaltung enthält damit in der Bewilligung dieſer Ausgabe den
Antheil, den die Volksvertretung an der Organiſationsgewalt
der Verwaltung hat; und ſo greifen jetzt dieſe Elemente in einander.

An das Gehalt ſchließt ſich das Ruhegehalt, das Recht und
das Syſtem der Penſionen. Das Ruhegehalt iſt ſeinem Weſen nach
der Ueberſchuß des wirthſchaftlichen Lebens des Beamteten, den der
Staat ihm ſichert für die Zeit, wo die perſönlichen Kräfte der Amts-
führung nicht mehr entſprechen. Das Princip des Ruhegehaltes beruht
darauf, daß die Erfüllung des Lebensberufes die Fähigkeit haben muß,
einen ſolchen Ueberſchuß zu erzeugen, während die Standesmäßigkeit
denſelben nicht von der zufälligen wirthſchaftlichen Berechnung und
Sparſamkeit des einzelnen Beamteten abhängig bleiben läßt. Die Auf-
faſſung der Anſtellung des Beamteten als eines Vertrages kann nur
ſchwer das Gehalt, niemals das Ruhegehalt als eine principiell dem
Staate obliegende Verpflichtung erklären. In ihm erſcheint das höhere
Weſen des Amts in ſeiner concreteſten wirthſchaftlichen Form. Es iſt
eben deßhalb ein immanenter Theil des organiſchen wirthſchaftlichen
Staatsdienerrechts in allen Staaten Europas geworden.

Das dritte Gebiet des Staatsdienerrechts, das ſich auf die ein-
zelnen Handlungen
des Beamteten bezieht, zerfällt wieder in drei
Theile.

Jede Handlung des Beamteten, die nicht im Wirkungskreis des
Amts liegt, iſt keine amtliche, ſondern eine Privathandlung, und fällt
daher unter das Privat- oder bürgerliche Strafrecht. Es iſt durchaus
kein Grund, hier wieder ein beſonderes Recht, oder einen beſondern
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[361/0385] gleichen Schritt mit der Geſchichte des Amts; der wirthſchaftliche Körper folgt gleichſam der Entwicklung der ſtaatlichen Seele. In der ſtändi- ſchen Epoche gibt es kein Gehalt; daſſelbe beginnt erſt da, wo der Beamtete ſich der einheitlichen Staatsgewalt unterordnet, hält mit dieſer Unterordnung gleichen Schritt, und tritt mit der verſchiedenen Ent- wicklung der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft und der organiſchen Ver- waltung ganz in die Verpflichtung des Staats über. Das Weſen der ſelbſtändigen Perſönlichkeit des Staats gegenüber den einzelnen Per- ſönlichkeiten der Staatsangehörigen nimmt jeder einzelnen Leiſtung der Beamteten den Charakter einer wirthſchaftlichen Leiſtung, deren Werth ihm perſönlich in der Gebühr gezahlt ward. Alle Thätigkeiten aller Beamteten ſind jetzt Eins, und der wirthſchaftliche Unterhalt der Beamte- ten erſcheint daher ſeinerſeits als Eine große, organiſch nach der Bedeutung des Amts vertheilte — ſyſtematiſirte — Leiſtung des Staats für ſeinen eignen Organismus, das Syſtem der Gehalte. Die verfaſſungsmäßige Verwaltung enthält damit in der Bewilligung dieſer Ausgabe den Antheil, den die Volksvertretung an der Organiſationsgewalt der Verwaltung hat; und ſo greifen jetzt dieſe Elemente in einander. An das Gehalt ſchließt ſich das Ruhegehalt, das Recht und das Syſtem der Penſionen. Das Ruhegehalt iſt ſeinem Weſen nach der Ueberſchuß des wirthſchaftlichen Lebens des Beamteten, den der Staat ihm ſichert für die Zeit, wo die perſönlichen Kräfte der Amts- führung nicht mehr entſprechen. Das Princip des Ruhegehaltes beruht darauf, daß die Erfüllung des Lebensberufes die Fähigkeit haben muß, einen ſolchen Ueberſchuß zu erzeugen, während die Standesmäßigkeit denſelben nicht von der zufälligen wirthſchaftlichen Berechnung und Sparſamkeit des einzelnen Beamteten abhängig bleiben läßt. Die Auf- faſſung der Anſtellung des Beamteten als eines Vertrages kann nur ſchwer das Gehalt, niemals das Ruhegehalt als eine principiell dem Staate obliegende Verpflichtung erklären. In ihm erſcheint das höhere Weſen des Amts in ſeiner concreteſten wirthſchaftlichen Form. Es iſt eben deßhalb ein immanenter Theil des organiſchen wirthſchaftlichen Staatsdienerrechts in allen Staaten Europas geworden. Das dritte Gebiet des Staatsdienerrechts, das ſich auf die ein- zelnen Handlungen des Beamteten bezieht, zerfällt wieder in drei Theile. Jede Handlung des Beamteten, die nicht im Wirkungskreis des Amts liegt, iſt keine amtliche, ſondern eine Privathandlung, und fällt daher unter das Privat- oder bürgerliche Strafrecht. Es iſt durchaus kein Grund, hier wieder ein beſonderes Recht, oder einen beſondern Gerichtsſtand einzuführen oder feſtzuhalten. Der letztere gehörte den

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/385>, abgerufen am 05.05.2024.