Königthum, in welcher nur einzelne theoretische Bestrebungen die Selbständigkeit des Amts zu erhalten trachten, namentlich in Deutschland, wie Moser (Landes- hoheit), während andere, wie Gönner (Staatsdienst S. 209), und Haller wieder den unbedingten Gehorsam predigen. Das 19. Jahrhundert macht dagegen aus der Frage die des verfassungsmäßigen Gehorsams, in welchem die Entscheidung über jene, tief im sittlichen Wesen der Staats- und Einzel- persönlichkeit liegenden Gränze den Formen der Verfassung und den juristischen Grundsätzen der Verantwortlichkeit zugeschoben wird, ohne daß man doch wenigstens in Deutschland zu dem Bewußtsein gelangte, die Sache auf diesem Wege bis auf den Grund erledigt zu haben, geschweige denn, daß man ge- setzlich zum formellen Abschluß gekommen wäre. Hier wird nur die höhere sitt- liche Idee des Amtes ausreichen. Unter den einzelnen Darstellungen ist sehr gut die von Könne (II. §. 295) und Zachariä (Staats- und Bundesrecht II. §. 137); Zöpfl hat (II. §. 518. 519) namentlich die Straf- und Disciplinar- gewalt über die Staatsdiener sehr genau behandelt. Die beste Darstellung der ganzen Literatur, sowohl der deutschen als nichtdeutschen, über die Frage, und zugleich die einzige, welche das historische Moment in derselben festgehalten hat, ist ohne Zweifel die von R. v. Mohl in seiner Geschichte der Staatswissen- schaften I. S. 320--334 (Literatur über den bloß verfassungsmäßigen Gehorsam).
c) Das Recht des Beamteten.
Das Recht des Beamteten, oft das Staatsdienerrecht im eigent- lichen Sinne genannt, entsteht, indem innerhalb des Amts die Persön- lichkeit des Beamteten gegenüber der Persönlichkeit des Staats als selb- ständige erscheint, und umfaßt daher das Recht aller aus der Uebernahme des Amts entstehenden persönlichen Lebensverhältnisse des Beamteten.
Auf den ersten Blick erscheint dieß Recht als ein vertragsmäßiges, das durch die Anstellung begründet wird. Allein diese Auffassung reicht nicht nur praktisch nicht aus, da die wichtigsten Punkte des Staats- dienerrechts, die gesellschaftlichen und Disciplinarrechte, in dem Vertrage gar nicht enthalten sind, und die Frage nach dem Recht auf das Amt nicht von ihr entschieden werden kann, sondern sie ist an und für sich einseitig. Denn nicht der speziell auf die einzelnen Punkte des Staats- dienerrechts gerichtete Wille des Contrahenten, sondern das organische Wesen des Amts bedingt und setzt den Inhalt des Staatsdienerrechts, so zwar, daß einzelne Theile desselben auch formell durch einen solchen Vertrag gar nicht geändert werden könnten, selbst wenn die Contra- henten darüber einig wären, wie das Recht des Staatsdieners auf die gesellschaftliche Ehre des Amts oder das Recht des Staats auf Aus- übung der Disciplinargewalt. Es muß daher das Recht des Staats- dieners und die ihm entsprechende Verpflichtung des Staats als ein organischer Theil des öffentlichen Rechts, der unbedingt durch die
Königthum, in welcher nur einzelne theoretiſche Beſtrebungen die Selbſtändigkeit des Amts zu erhalten trachten, namentlich in Deutſchland, wie Moſer (Landes- hoheit), während andere, wie Gönner (Staatsdienſt S. 209), und Haller wieder den unbedingten Gehorſam predigen. Das 19. Jahrhundert macht dagegen aus der Frage die des verfaſſungsmäßigen Gehorſams, in welchem die Entſcheidung über jene, tief im ſittlichen Weſen der Staats- und Einzel- perſönlichkeit liegenden Gränze den Formen der Verfaſſung und den juriſtiſchen Grundſätzen der Verantwortlichkeit zugeſchoben wird, ohne daß man doch wenigſtens in Deutſchland zu dem Bewußtſein gelangte, die Sache auf dieſem Wege bis auf den Grund erledigt zu haben, geſchweige denn, daß man ge- ſetzlich zum formellen Abſchluß gekommen wäre. Hier wird nur die höhere ſitt- liche Idee des Amtes ausreichen. Unter den einzelnen Darſtellungen iſt ſehr gut die von Könne (II. §. 295) und Zachariä (Staats- und Bundesrecht II. §. 137); Zöpfl hat (II. §. 518. 519) namentlich die Straf- und Disciplinar- gewalt über die Staatsdiener ſehr genau behandelt. Die beſte Darſtellung der ganzen Literatur, ſowohl der deutſchen als nichtdeutſchen, über die Frage, und zugleich die einzige, welche das hiſtoriſche Moment in derſelben feſtgehalten hat, iſt ohne Zweifel die von R. v. Mohl in ſeiner Geſchichte der Staatswiſſen- ſchaften I. S. 320—334 (Literatur über den bloß verfaſſungsmäßigen Gehorſam).
c) Das Recht des Beamteten.
Das Recht des Beamteten, oft das Staatsdienerrecht im eigent- lichen Sinne genannt, entſteht, indem innerhalb des Amts die Perſön- lichkeit des Beamteten gegenüber der Perſönlichkeit des Staats als ſelb- ſtändige erſcheint, und umfaßt daher das Recht aller aus der Uebernahme des Amts entſtehenden perſönlichen Lebensverhältniſſe des Beamteten.
Auf den erſten Blick erſcheint dieß Recht als ein vertragsmäßiges, das durch die Anſtellung begründet wird. Allein dieſe Auffaſſung reicht nicht nur praktiſch nicht aus, da die wichtigſten Punkte des Staats- dienerrechts, die geſellſchaftlichen und Disciplinarrechte, in dem Vertrage gar nicht enthalten ſind, und die Frage nach dem Recht auf das Amt nicht von ihr entſchieden werden kann, ſondern ſie iſt an und für ſich einſeitig. Denn nicht der ſpeziell auf die einzelnen Punkte des Staats- dienerrechts gerichtete Wille des Contrahenten, ſondern das organiſche Weſen des Amts bedingt und ſetzt den Inhalt des Staatsdienerrechts, ſo zwar, daß einzelne Theile deſſelben auch formell durch einen ſolchen Vertrag gar nicht geändert werden könnten, ſelbſt wenn die Contra- henten darüber einig wären, wie das Recht des Staatsdieners auf die geſellſchaftliche Ehre des Amts oder das Recht des Staats auf Aus- übung der Disciplinargewalt. Es muß daher das Recht des Staats- dieners und die ihm entſprechende Verpflichtung des Staats als ein organiſcher Theil des öffentlichen Rechts, der unbedingt durch die
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Königthum, in welcher nur einzelne theoretiſche Beſtrebungen die Selbſtändigkeit
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hoheit), während andere, wie Gönner (Staatsdienſt S. 209), und Haller
wieder den unbedingten Gehorſam predigen. Das 19. Jahrhundert macht
dagegen aus der Frage die des verfaſſungsmäßigen Gehorſams, in welchem
die Entſcheidung über jene, tief im ſittlichen Weſen der Staats- und Einzel-
perſönlichkeit liegenden Gränze den Formen der Verfaſſung und den juriſtiſchen
Grundſätzen der Verantwortlichkeit zugeſchoben wird, ohne daß man doch
wenigſtens in Deutſchland zu dem Bewußtſein gelangte, die Sache auf dieſem
Wege bis auf den Grund erledigt zu haben, geſchweige denn, daß man ge-
ſetzlich zum formellen Abſchluß gekommen wäre. Hier wird nur die höhere ſitt-
liche Idee des Amtes ausreichen. Unter den einzelnen Darſtellungen iſt ſehr
gut die von Könne (II. §. 295) und Zachariä (Staats- und Bundesrecht II.
§. 137); Zöpfl hat (II. §. 518. 519) namentlich die Straf- und Disciplinar-
gewalt über die Staatsdiener ſehr genau behandelt. Die beſte Darſtellung der
ganzen Literatur, ſowohl der deutſchen als nichtdeutſchen, über die Frage, und
zugleich die einzige, welche das hiſtoriſche Moment in derſelben feſtgehalten hat,
iſt ohne Zweifel die von R. v. Mohl in ſeiner Geſchichte der Staatswiſſen-
ſchaften I. S. 320—334 (Literatur über den bloß verfaſſungsmäßigen Gehorſam).
c) Das Recht des Beamteten.
Das Recht des Beamteten, oft das Staatsdienerrecht im eigent-
lichen Sinne genannt, entſteht, indem innerhalb des Amts die Perſön-
lichkeit des Beamteten gegenüber der Perſönlichkeit des Staats als ſelb-
ſtändige erſcheint, und umfaßt daher das Recht aller aus der Uebernahme
des Amts entſtehenden perſönlichen Lebensverhältniſſe des Beamteten.
Auf den erſten Blick erſcheint dieß Recht als ein vertragsmäßiges,
das durch die Anſtellung begründet wird. Allein dieſe Auffaſſung reicht
nicht nur praktiſch nicht aus, da die wichtigſten Punkte des Staats-
dienerrechts, die geſellſchaftlichen und Disciplinarrechte, in dem Vertrage
gar nicht enthalten ſind, und die Frage nach dem Recht auf das Amt
nicht von ihr entſchieden werden kann, ſondern ſie iſt an und für ſich
einſeitig. Denn nicht der ſpeziell auf die einzelnen Punkte des Staats-
dienerrechts gerichtete Wille des Contrahenten, ſondern das organiſche
Weſen des Amts bedingt und ſetzt den Inhalt des Staatsdienerrechts,
ſo zwar, daß einzelne Theile deſſelben auch formell durch einen ſolchen
Vertrag gar nicht geändert werden könnten, ſelbſt wenn die Contra-
henten darüber einig wären, wie das Recht des Staatsdieners auf die
geſellſchaftliche Ehre des Amts oder das Recht des Staats auf Aus-
übung der Disciplinargewalt. Es muß daher das Recht des Staats-
dieners und die ihm entſprechende Verpflichtung des Staats als ein
organiſcher Theil des öffentlichen Rechts, der unbedingt durch die
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/382>, abgerufen am 22.11.2024.
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