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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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Dagegen ist das Gebiet der innern Verwaltung allerdings der Ent-
wicklung fähig, und zwar ist es das Einzige, aus welchem sich unsere
Ministerien entwickeln können. In der That nämlich ist zwar das Princip
der innern Verwaltung immer dasselbe, und deßhalb kann dieselbe als
Ein Gebiet betrachtet werden; aber die Lebensverhältnisse, auf welche es
Anwendung findet, sind so verschieden, daß bei großen Staaten jedes der-
selben durch Ein Ministerium vertreten werden kann. Und hier zeigt es sich
vielleicht am deutlichsten, wie die organische Natur der Sache -- die wir
in der Wissenschaft ja nur als System darstellen -- wirksam wird. Das
Gebiet der innern Verwaltung umfaßt das persönliche, das geistige, das
volkswirthschaftliche und das gesellschaftliche Leben des Volkes. Jedes dieser
Gebiete ist fähig, ein eigenes Ministerium zu empfangen. Die Verwaltung
der persönlichen Lebensverhältnisse hat das Polizeiministerium, das Mini-
sterium der Sicherheit oder der Ordnung, die der geistigen das
Ministerium für Kultus und Unterricht, das wir daher das Ministerium
der Berufe nennen möchten, die der Volkswirthschaft das sogenannte
Handelsministerium oder das Ministerium der Volkswirthschaft,
das was wir zunächst als das Uebrige bezeichnen, das eigentliche Mini-
sterium des Innern, das Ministerium der Verwaltung im engsten
Sinne
oder das Ministerium der Gesellschaftsordnung. Diese
vier Ministerien sind innerhalb der innern Verwaltung möglich; aber
sie sind nicht nothwendig. Ob sie entstehen und wie viele von ihnen,
hängt meistens von der innern Entwicklung des Staates ab, und daher
finden wir dem entsprechend in diesen Ministerien einen beständigen
Wechsel, während die übrigen Ministerien sich unverändert erhalten.
Ohne allen Zweifel beruht nun das Theilen des allgemeinen Mini-
steriums des Innern in jene Ministerien nicht darauf, daß man die
Geschäfte als solche ihres Umfanges wegen theilen will, sondern viel-
mehr auf dem Bewußtsein von demjenigen, was zu ihrer Vollziehung
erforderlich ist. Die wahre Bedingung der Lösung dieser verschiedenen
Verwaltungsaufgaben beruht aber darauf, daß man erkennt, wie jedes
jener Lebensgebiete wieder eigene Gesetze seiner Entwicklung und Be-
wegung hat, welche zu kennen nicht bloß im Allgemeinen gut ist, sondern
deren tiefes Verständniß als nothwendige Bedingung der guten Ver-
waltung überhaupt erscheint. So wie dieß klar ist, wird man es noth-
wendig finden, jeder dieser Gruppen von Lebensverhältnissen und Auf-
gaben der Verwaltung als einem von eigenthümlichen Gesetzen beherrsch-
ten Ganzen, einen eigenen Verwaltungskörper mit eigenem Ministerium
zu geben. Und so kann man sagen, daß jene Eintheilung der innern
Verwaltung mit der Entwicklung der Staatswissenschaften gleichen Schritt
hält, von ihr bedingt wird, und gleichsam den praktischen Ausdruck des

Dagegen iſt das Gebiet der innern Verwaltung allerdings der Ent-
wicklung fähig, und zwar iſt es das Einzige, aus welchem ſich unſere
Miniſterien entwickeln können. In der That nämlich iſt zwar das Princip
der innern Verwaltung immer daſſelbe, und deßhalb kann dieſelbe als
Ein Gebiet betrachtet werden; aber die Lebensverhältniſſe, auf welche es
Anwendung findet, ſind ſo verſchieden, daß bei großen Staaten jedes der-
ſelben durch Ein Miniſterium vertreten werden kann. Und hier zeigt es ſich
vielleicht am deutlichſten, wie die organiſche Natur der Sache — die wir
in der Wiſſenſchaft ja nur als Syſtem darſtellen — wirkſam wird. Das
Gebiet der innern Verwaltung umfaßt das perſönliche, das geiſtige, das
volkswirthſchaftliche und das geſellſchaftliche Leben des Volkes. Jedes dieſer
Gebiete iſt fähig, ein eigenes Miniſterium zu empfangen. Die Verwaltung
der perſönlichen Lebensverhältniſſe hat das Polizeiminiſterium, das Mini-
ſterium der Sicherheit oder der Ordnung, die der geiſtigen das
Miniſterium für Kultus und Unterricht, das wir daher das Miniſterium
der Berufe nennen möchten, die der Volkswirthſchaft das ſogenannte
Handelsminiſterium oder das Miniſterium der Volkswirthſchaft,
das was wir zunächſt als das Uebrige bezeichnen, das eigentliche Mini-
ſterium des Innern, das Miniſterium der Verwaltung im engſten
Sinne
oder das Miniſterium der Geſellſchaftsordnung. Dieſe
vier Miniſterien ſind innerhalb der innern Verwaltung möglich; aber
ſie ſind nicht nothwendig. Ob ſie entſtehen und wie viele von ihnen,
hängt meiſtens von der innern Entwicklung des Staates ab, und daher
finden wir dem entſprechend in dieſen Miniſterien einen beſtändigen
Wechſel, während die übrigen Miniſterien ſich unverändert erhalten.
Ohne allen Zweifel beruht nun das Theilen des allgemeinen Mini-
ſteriums des Innern in jene Miniſterien nicht darauf, daß man die
Geſchäfte als ſolche ihres Umfanges wegen theilen will, ſondern viel-
mehr auf dem Bewußtſein von demjenigen, was zu ihrer Vollziehung
erforderlich iſt. Die wahre Bedingung der Löſung dieſer verſchiedenen
Verwaltungsaufgaben beruht aber darauf, daß man erkennt, wie jedes
jener Lebensgebiete wieder eigene Geſetze ſeiner Entwicklung und Be-
wegung hat, welche zu kennen nicht bloß im Allgemeinen gut iſt, ſondern
deren tiefes Verſtändniß als nothwendige Bedingung der guten Ver-
waltung überhaupt erſcheint. So wie dieß klar iſt, wird man es noth-
wendig finden, jeder dieſer Gruppen von Lebensverhältniſſen und Auf-
gaben der Verwaltung als einem von eigenthümlichen Geſetzen beherrſch-
ten Ganzen, einen eigenen Verwaltungskörper mit eigenem Miniſterium
zu geben. Und ſo kann man ſagen, daß jene Eintheilung der innern
Verwaltung mit der Entwicklung der Staatswiſſenſchaften gleichen Schritt
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[314/0338] Dagegen iſt das Gebiet der innern Verwaltung allerdings der Ent- wicklung fähig, und zwar iſt es das Einzige, aus welchem ſich unſere Miniſterien entwickeln können. In der That nämlich iſt zwar das Princip der innern Verwaltung immer daſſelbe, und deßhalb kann dieſelbe als Ein Gebiet betrachtet werden; aber die Lebensverhältniſſe, auf welche es Anwendung findet, ſind ſo verſchieden, daß bei großen Staaten jedes der- ſelben durch Ein Miniſterium vertreten werden kann. Und hier zeigt es ſich vielleicht am deutlichſten, wie die organiſche Natur der Sache — die wir in der Wiſſenſchaft ja nur als Syſtem darſtellen — wirkſam wird. Das Gebiet der innern Verwaltung umfaßt das perſönliche, das geiſtige, das volkswirthſchaftliche und das geſellſchaftliche Leben des Volkes. Jedes dieſer Gebiete iſt fähig, ein eigenes Miniſterium zu empfangen. Die Verwaltung der perſönlichen Lebensverhältniſſe hat das Polizeiminiſterium, das Mini- ſterium der Sicherheit oder der Ordnung, die der geiſtigen das Miniſterium für Kultus und Unterricht, das wir daher das Miniſterium der Berufe nennen möchten, die der Volkswirthſchaft das ſogenannte Handelsminiſterium oder das Miniſterium der Volkswirthſchaft, das was wir zunächſt als das Uebrige bezeichnen, das eigentliche Mini- ſterium des Innern, das Miniſterium der Verwaltung im engſten Sinne oder das Miniſterium der Geſellſchaftsordnung. Dieſe vier Miniſterien ſind innerhalb der innern Verwaltung möglich; aber ſie ſind nicht nothwendig. Ob ſie entſtehen und wie viele von ihnen, hängt meiſtens von der innern Entwicklung des Staates ab, und daher finden wir dem entſprechend in dieſen Miniſterien einen beſtändigen Wechſel, während die übrigen Miniſterien ſich unverändert erhalten. Ohne allen Zweifel beruht nun das Theilen des allgemeinen Mini- ſteriums des Innern in jene Miniſterien nicht darauf, daß man die Geſchäfte als ſolche ihres Umfanges wegen theilen will, ſondern viel- mehr auf dem Bewußtſein von demjenigen, was zu ihrer Vollziehung erforderlich iſt. Die wahre Bedingung der Löſung dieſer verſchiedenen Verwaltungsaufgaben beruht aber darauf, daß man erkennt, wie jedes jener Lebensgebiete wieder eigene Geſetze ſeiner Entwicklung und Be- wegung hat, welche zu kennen nicht bloß im Allgemeinen gut iſt, ſondern deren tiefes Verſtändniß als nothwendige Bedingung der guten Ver- waltung überhaupt erſcheint. So wie dieß klar iſt, wird man es noth- wendig finden, jeder dieſer Gruppen von Lebensverhältniſſen und Auf- gaben der Verwaltung als einem von eigenthümlichen Geſetzen beherrſch- ten Ganzen, einen eigenen Verwaltungskörper mit eigenem Miniſterium zu geben. Und ſo kann man ſagen, daß jene Eintheilung der innern Verwaltung mit der Entwicklung der Staatswiſſenſchaften gleichen Schritt hält, von ihr bedingt wird, und gleichſam den praktiſchen Ausdruck des

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/338>, abgerufen am 24.11.2024.