Stellung als Rath des Staatsoberhaupts in allen, der Sanktion desselben unterliegenden Angelegenheiten sowohl der Gesetzgebung als der Verwaltung; und das ist in der That das Wesen seiner Stellung, soweit sie in Deutschland sich auszubilden im Begriff ist.
Auf dieser Grundlage nun ist auch dasjenige leicht verständlich, was man wohl als die einzelnen Attributionen des Staatsraths bezeichnet hat; d. i. seine Funktionen im organischen Leben der Ver- fassung. Man hat dabei die berathende von der entscheidenden unter- schieden, und die letztere nach dem Vorgange Frankreichs namentlich in der Administrativjustiz als Competenzconfliktshof gefunden. Die Unter- scheidung ist in gewissem Sinne ganz richtig. Der Umfang der Berathung ist schon in dem Wesen des Staatsraths gegeben; was aber die ent- scheidende Gewalt des Staatsrathes, wie sie in seiner Natur liegt, an- betrifft, so muß man wohl folgende Gesichtspunkte unterscheiden. Die Entscheidung über eine streitige Competenz ist, soweit es sich um das durch die Thätigkeit eines Verwaltungsorganes verletzte Recht eines Einzelnen handelt, überhaupt Sache der Klage oder des Gerichts; wenn dagegen die Competenz zweier Ministerien ohne Beziehung auf ein Einzelrecht fraglich wird, ist die Vorlage an den Staatsrath und das Recht der Entscheidung durch denselben nichts anderes, als die Uebertragung der Organisationsgewalt des Regenten an den Staatsrath. Es ist aber gewiß zweckmäßig, daß dieß Recht dem Staatsrathe, der ja die Organisationsverordnungen zu berathen hat, übertragen werde. Ebenso ist es naturgemäß, daß die Verordnungen über den Belagerungs- zustand nur nach Anhörung des Staatsraths erlassen werden. Das Recht des Staatsraths dagegen, zu entscheiden, ob ein Staatsdiener ge- richtlich verfolgt werden dürfe oder nicht, steht mit dem Principe des Klagrechts in unlösbarem Widerspruch. Fraglich kann dagegen erscheinen, ob jede Beschwerde den Staatsrath als dritte und letzte Instanz fordern solle. Wir müssen uns entschieden dafür aussprechen; denn hier liegt im Grunde immer die Frage vor, in welchem Verhältniß eine Verfügung zu einer Verordnung stehe, und diese Frage muß an letzter Stelle stets die höchste verordnende Gewalt, das Staatsoberhaupt, entscheiden können, und das Organ, auf dessen Rath diese Entscheidung erfolgt, sollte eben nie zuletzt dasselbe sein, gegen dessen Verfahren die Beschwerde erhoben ward, das einzelne Ministerium. In der That hat das Recht des französischen Conseil d'Etat dieß vollkommen richtig und scharf bestimmt, nur mit dem Unterschiede, daß derselbe zugleich über Klagrecht entscheidet. Im Wesentlichen kann man nun sagen, daß die Organisationen des Staatsrathes auf dem Continent fast alle auf diesem
Stellung als Rath des Staatsoberhaupts in allen, der Sanktion deſſelben unterliegenden Angelegenheiten ſowohl der Geſetzgebung als der Verwaltung; und das iſt in der That das Weſen ſeiner Stellung, ſoweit ſie in Deutſchland ſich auszubilden im Begriff iſt.
Auf dieſer Grundlage nun iſt auch dasjenige leicht verſtändlich, was man wohl als die einzelnen Attributionen des Staatsraths bezeichnet hat; d. i. ſeine Funktionen im organiſchen Leben der Ver- faſſung. Man hat dabei die berathende von der entſcheidenden unter- ſchieden, und die letztere nach dem Vorgange Frankreichs namentlich in der Adminiſtrativjuſtiz als Competenzconfliktshof gefunden. Die Unter- ſcheidung iſt in gewiſſem Sinne ganz richtig. Der Umfang der Berathung iſt ſchon in dem Weſen des Staatsraths gegeben; was aber die ent- ſcheidende Gewalt des Staatsrathes, wie ſie in ſeiner Natur liegt, an- betrifft, ſo muß man wohl folgende Geſichtspunkte unterſcheiden. Die Entſcheidung über eine ſtreitige Competenz iſt, ſoweit es ſich um das durch die Thätigkeit eines Verwaltungsorganes verletzte Recht eines Einzelnen handelt, überhaupt Sache der Klage oder des Gerichts; wenn dagegen die Competenz zweier Miniſterien ohne Beziehung auf ein Einzelrecht fraglich wird, iſt die Vorlage an den Staatsrath und das Recht der Entſcheidung durch denſelben nichts anderes, als die Uebertragung der Organiſationsgewalt des Regenten an den Staatsrath. Es iſt aber gewiß zweckmäßig, daß dieß Recht dem Staatsrathe, der ja die Organiſationsverordnungen zu berathen hat, übertragen werde. Ebenſo iſt es naturgemäß, daß die Verordnungen über den Belagerungs- zuſtand nur nach Anhörung des Staatsraths erlaſſen werden. Das Recht des Staatsraths dagegen, zu entſcheiden, ob ein Staatsdiener ge- richtlich verfolgt werden dürfe oder nicht, ſteht mit dem Principe des Klagrechts in unlösbarem Widerſpruch. Fraglich kann dagegen erſcheinen, ob jede Beſchwerde den Staatsrath als dritte und letzte Inſtanz fordern ſolle. Wir müſſen uns entſchieden dafür ausſprechen; denn hier liegt im Grunde immer die Frage vor, in welchem Verhältniß eine Verfügung zu einer Verordnung ſtehe, und dieſe Frage muß an letzter Stelle ſtets die höchſte verordnende Gewalt, das Staatsoberhaupt, entſcheiden können, und das Organ, auf deſſen Rath dieſe Entſcheidung erfolgt, ſollte eben nie zuletzt daſſelbe ſein, gegen deſſen Verfahren die Beſchwerde erhoben ward, das einzelne Miniſterium. In der That hat das Recht des franzöſiſchen Conseil d’État dieß vollkommen richtig und ſcharf beſtimmt, nur mit dem Unterſchiede, daß derſelbe zugleich über Klagrecht entſcheidet. Im Weſentlichen kann man nun ſagen, daß die Organiſationen des Staatsrathes auf dem Continent faſt alle auf dieſem
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Stellung als Rath des Staatsoberhaupts in allen, der
Sanktion deſſelben unterliegenden Angelegenheiten ſowohl
der Geſetzgebung als der Verwaltung; und das iſt in der That das
Weſen ſeiner Stellung, ſoweit ſie in Deutſchland ſich auszubilden im
Begriff iſt.
Auf dieſer Grundlage nun iſt auch dasjenige leicht verſtändlich,
was man wohl als die einzelnen Attributionen des Staatsraths
bezeichnet hat; d. i. ſeine Funktionen im organiſchen Leben der Ver-
faſſung. Man hat dabei die berathende von der entſcheidenden unter-
ſchieden, und die letztere nach dem Vorgange Frankreichs namentlich in
der Adminiſtrativjuſtiz als Competenzconfliktshof gefunden. Die Unter-
ſcheidung iſt in gewiſſem Sinne ganz richtig. Der Umfang der Berathung
iſt ſchon in dem Weſen des Staatsraths gegeben; was aber die ent-
ſcheidende Gewalt des Staatsrathes, wie ſie in ſeiner Natur liegt, an-
betrifft, ſo muß man wohl folgende Geſichtspunkte unterſcheiden. Die
Entſcheidung über eine ſtreitige Competenz iſt, ſoweit es ſich um
das durch die Thätigkeit eines Verwaltungsorganes verletzte Recht eines
Einzelnen handelt, überhaupt Sache der Klage oder des Gerichts;
wenn dagegen die Competenz zweier Miniſterien ohne Beziehung auf
ein Einzelrecht fraglich wird, iſt die Vorlage an den Staatsrath und
das Recht der Entſcheidung durch denſelben nichts anderes, als die
Uebertragung der Organiſationsgewalt des Regenten an den Staatsrath.
Es iſt aber gewiß zweckmäßig, daß dieß Recht dem Staatsrathe, der ja
die Organiſationsverordnungen zu berathen hat, übertragen werde.
Ebenſo iſt es naturgemäß, daß die Verordnungen über den Belagerungs-
zuſtand nur nach Anhörung des Staatsraths erlaſſen werden. Das
Recht des Staatsraths dagegen, zu entſcheiden, ob ein Staatsdiener ge-
richtlich verfolgt werden dürfe oder nicht, ſteht mit dem Principe des
Klagrechts in unlösbarem Widerſpruch. Fraglich kann dagegen erſcheinen,
ob jede Beſchwerde den Staatsrath als dritte und letzte Inſtanz
fordern ſolle. Wir müſſen uns entſchieden dafür ausſprechen; denn
hier liegt im Grunde immer die Frage vor, in welchem Verhältniß
eine Verfügung zu einer Verordnung ſtehe, und dieſe Frage muß an
letzter Stelle ſtets die höchſte verordnende Gewalt, das Staatsoberhaupt,
entſcheiden können, und das Organ, auf deſſen Rath dieſe Entſcheidung
erfolgt, ſollte eben nie zuletzt daſſelbe ſein, gegen deſſen Verfahren die
Beſchwerde erhoben ward, das einzelne Miniſterium. In der That hat
das Recht des franzöſiſchen Conseil d’État dieß vollkommen richtig und
ſcharf beſtimmt, nur mit dem Unterſchiede, daß derſelbe zugleich über
Klagrecht entſcheidet. Im Weſentlichen kann man nun ſagen, daß die
Organiſationen des Staatsrathes auf dem Continent faſt alle auf dieſem
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/296>, abgerufen am 03.12.2024.
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