selbst ausgeführt wird. Es leuchtet aber ein, daß die praktische Durch- führung dieses Grundsatzes auf die größten Schwierigkeiten stößt, die in gar keinem Verhältniß zu dem erreichten Resultate stehen. Daher muß man aus Zweckmäßigkeitsgründen demselben Organe, welches die Competenz zur Strafandrohung hat, auch die Competenz zur Fällung und Vollziehung des polizeilichen Strafurtheils geben, und in den meisten Staaten hat sich dieß auch von selbst gemacht, und zwar um so nothwendiger, als die Vollziehung der polizeilichen Drohung die Thatsache der Uebertretung, auf welche die polizeiliche Bestrafung folgen soll, ohnehin amtlich feststellt.
Um sich über die große Masse von Ansichten, die auf diesem Gebiete theils aufgestellt, theils nicht zu einem definitiven Resultate gelangt sind, klar zu werden, muß man die Hauptpunkte wohl unterscheiden. Denn in der That ist hier der Punkt, wo die persönliche Selbständigkeit mit dem persönlichen Willen des vollziehenden Organs in Gegensatz geräth, und wo daher die Schärfe der Gränzbestimmung doppelten Werth hat.
Erstlich sollte jedes Polizeigesetz -- was, so viel wir sehen, nirgends der Fall ist -- den Grundsatz festhalten, daß allenthalben, wo eine Vollziehung auf einen in Verhandlung gewesenen Fall folgt, niemals ein bloßer Befehl des vollziehenden Organs, sondern nur ein Vollziehungsdokument der Voll- ziehung durch Zwang zum Grunde gelegt werden müßte. Das Dokument müßte alsdann Art und Maß des Zwangs seinerseits enthalten, so daß hier jede Möglichkeit der Willkür beseitigt, und eben durch den Inhalt des Dokuments die Grundlage für die Frage gegeben werde, ob der Zwang seine Gränzen überschritten habe oder nicht.
Es ist dabei zu bemerken, daß dieß allein richtige Verfahren in Finanz- und Gerichtsverwaltung bereits wirklich besteht; es ist gar kein Grund vor- handen, es nicht auch für die innere Verwaltung grundsätzlich durchzuführen.
Wo dagegen ein Befehl eines Verwaltungsorganes ohne solche Verhand- lung erscheint, da muß allerdings das Recht der Strafandrohung auf der ge- setzlichen Competenz zur Erlassung derselben beruhen, und darüber sind alle einig. Die Frage ist nur, unter welchen Bedingungen das Gesetz den Behörden diese Competenz verleihen soll. Mohl, der in seiner Polizei- wissenschaftI. 40 ff. sich in einer höchst verständigen Weise über die ganze Frage ausspricht, und namentlich von der, wir möchten sagen, üblich gewor- denen Angst, "daß die Bestrafung wegen Uebertretung eines Polizeigesetzes nur von den Gerichten sollte ausgesprochen werden können, wegen der schützenden Formen der Gerichte und der größeren Unparteilichkeit derselben" frei ist -- "denn warum sollte die richtende Polizeibehörde parteiisch und ungerecht gestimmt sein, da es sich ja nicht von Privatangelegenheiten -- sondern von Erfüllung einer Amtspflicht handelt?" -- hat doch diese Frage nicht untersucht. Wir meinen, daß das Recht der Strafandrohung allenthalben eintreten müsse, wo der Schaden, den der Ungehorsam erzeugt, nicht nach Geld schätzbar, und eine
ſelbſt ausgeführt wird. Es leuchtet aber ein, daß die praktiſche Durch- führung dieſes Grundſatzes auf die größten Schwierigkeiten ſtößt, die in gar keinem Verhältniß zu dem erreichten Reſultate ſtehen. Daher muß man aus Zweckmäßigkeitsgründen demſelben Organe, welches die Competenz zur Strafandrohung hat, auch die Competenz zur Fällung und Vollziehung des polizeilichen Strafurtheils geben, und in den meiſten Staaten hat ſich dieß auch von ſelbſt gemacht, und zwar um ſo nothwendiger, als die Vollziehung der polizeilichen Drohung die Thatſache der Uebertretung, auf welche die polizeiliche Beſtrafung folgen ſoll, ohnehin amtlich feſtſtellt.
Um ſich über die große Maſſe von Anſichten, die auf dieſem Gebiete theils aufgeſtellt, theils nicht zu einem definitiven Reſultate gelangt ſind, klar zu werden, muß man die Hauptpunkte wohl unterſcheiden. Denn in der That iſt hier der Punkt, wo die perſönliche Selbſtändigkeit mit dem perſönlichen Willen des vollziehenden Organs in Gegenſatz geräth, und wo daher die Schärfe der Gränzbeſtimmung doppelten Werth hat.
Erſtlich ſollte jedes Polizeigeſetz — was, ſo viel wir ſehen, nirgends der Fall iſt — den Grundſatz feſthalten, daß allenthalben, wo eine Vollziehung auf einen in Verhandlung geweſenen Fall folgt, niemals ein bloßer Befehl des vollziehenden Organs, ſondern nur ein Vollziehungsdokument der Voll- ziehung durch Zwang zum Grunde gelegt werden müßte. Das Dokument müßte alsdann Art und Maß des Zwangs ſeinerſeits enthalten, ſo daß hier jede Möglichkeit der Willkür beſeitigt, und eben durch den Inhalt des Dokuments die Grundlage für die Frage gegeben werde, ob der Zwang ſeine Gränzen überſchritten habe oder nicht.
Es iſt dabei zu bemerken, daß dieß allein richtige Verfahren in Finanz- und Gerichtsverwaltung bereits wirklich beſteht; es iſt gar kein Grund vor- handen, es nicht auch für die innere Verwaltung grundſätzlich durchzuführen.
Wo dagegen ein Befehl eines Verwaltungsorganes ohne ſolche Verhand- lung erſcheint, da muß allerdings das Recht der Strafandrohung auf der ge- ſetzlichen Competenz zur Erlaſſung derſelben beruhen, und darüber ſind alle einig. Die Frage iſt nur, unter welchen Bedingungen das Geſetz den Behörden dieſe Competenz verleihen ſoll. Mohl, der in ſeiner Polizei- wiſſenſchaftI. 40 ff. ſich in einer höchſt verſtändigen Weiſe über die ganze Frage ausſpricht, und namentlich von der, wir möchten ſagen, üblich gewor- denen Angſt, „daß die Beſtrafung wegen Uebertretung eines Polizeigeſetzes nur von den Gerichten ſollte ausgeſprochen werden können, wegen der ſchützenden Formen der Gerichte und der größeren Unparteilichkeit derſelben“ frei iſt — „denn warum ſollte die richtende Polizeibehörde parteiiſch und ungerecht geſtimmt ſein, da es ſich ja nicht von Privatangelegenheiten — ſondern von Erfüllung einer Amtspflicht handelt?“ — hat doch dieſe Frage nicht unterſucht. Wir meinen, daß das Recht der Strafandrohung allenthalben eintreten müſſe, wo der Schaden, den der Ungehorſam erzeugt, nicht nach Geld ſchätzbar, und eine
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[207/0231]
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in gar keinem Verhältniß zu dem erreichten Reſultate ſtehen. Daher
muß man aus Zweckmäßigkeitsgründen demſelben Organe, welches die
Competenz zur Strafandrohung hat, auch die Competenz zur Fällung
und Vollziehung des polizeilichen Strafurtheils geben, und in
den meiſten Staaten hat ſich dieß auch von ſelbſt gemacht, und zwar
um ſo nothwendiger, als die Vollziehung der polizeilichen Drohung die
Thatſache der Uebertretung, auf welche die polizeiliche Beſtrafung folgen
ſoll, ohnehin amtlich feſtſtellt.
Um ſich über die große Maſſe von Anſichten, die auf dieſem Gebiete theils
aufgeſtellt, theils nicht zu einem definitiven Reſultate gelangt ſind, klar zu
werden, muß man die Hauptpunkte wohl unterſcheiden. Denn in der That iſt
hier der Punkt, wo die perſönliche Selbſtändigkeit mit dem perſönlichen Willen
des vollziehenden Organs in Gegenſatz geräth, und wo daher die Schärfe der
Gränzbeſtimmung doppelten Werth hat.
Erſtlich ſollte jedes Polizeigeſetz — was, ſo viel wir ſehen, nirgends
der Fall iſt — den Grundſatz feſthalten, daß allenthalben, wo eine Vollziehung
auf einen in Verhandlung geweſenen Fall folgt, niemals ein bloßer Befehl des
vollziehenden Organs, ſondern nur ein Vollziehungsdokument der Voll-
ziehung durch Zwang zum Grunde gelegt werden müßte. Das Dokument
müßte alsdann Art und Maß des Zwangs ſeinerſeits enthalten, ſo daß hier
jede Möglichkeit der Willkür beſeitigt, und eben durch den Inhalt des Dokuments
die Grundlage für die Frage gegeben werde, ob der Zwang ſeine Gränzen
überſchritten habe oder nicht.
Es iſt dabei zu bemerken, daß dieß allein richtige Verfahren in Finanz-
und Gerichtsverwaltung bereits wirklich beſteht; es iſt gar kein Grund vor-
handen, es nicht auch für die innere Verwaltung grundſätzlich durchzuführen.
Wo dagegen ein Befehl eines Verwaltungsorganes ohne ſolche Verhand-
lung erſcheint, da muß allerdings das Recht der Strafandrohung auf der ge-
ſetzlichen Competenz zur Erlaſſung derſelben beruhen, und darüber ſind alle
einig. Die Frage iſt nur, unter welchen Bedingungen das Geſetz den
Behörden dieſe Competenz verleihen ſoll. Mohl, der in ſeiner Polizei-
wiſſenſchaft I. 40 ff. ſich in einer höchſt verſtändigen Weiſe über die ganze
Frage ausſpricht, und namentlich von der, wir möchten ſagen, üblich gewor-
denen Angſt, „daß die Beſtrafung wegen Uebertretung eines Polizeigeſetzes nur
von den Gerichten ſollte ausgeſprochen werden können, wegen der ſchützenden
Formen der Gerichte und der größeren Unparteilichkeit derſelben“ frei iſt —
„denn warum ſollte die richtende Polizeibehörde parteiiſch und ungerecht geſtimmt
ſein, da es ſich ja nicht von Privatangelegenheiten — ſondern von Erfüllung
einer Amtspflicht handelt?“ — hat doch dieſe Frage nicht unterſucht. Wir
meinen, daß das Recht der Strafandrohung allenthalben eintreten müſſe, wo
der Schaden, den der Ungehorſam erzeugt, nicht nach Geld ſchätzbar, und eine
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/231>, abgerufen am 22.11.2024.
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