Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

Bild:
<< vorherige Seite

bezweifelt werden, daß der Grundsatz: "der König habe alle Anstalten zur
Ausführung der Gesetze zu treffen," oder ähnliche Ausdrücke, dem Staats-
oberhaupt die volle Freiheit in der Ministerialorganisation gibt. Bayern ist
mit seiner Verfassung, sowie mit seinem wirklichen Staatsleben dabei ein Muster.
Wir finden die oben ausgesprochenen Gedanken in spezieller Anwendung auf
Bayern sehr klar und erschöpfend dargestellt bei Pötzl Bayerisches Verfassungs-
recht §. 175, Bayerisches Verwaltungsrecht §. 9 ff. Es ist auch unpraktisch,
die Organisation der Ministerien durch Gesetze festzustellen; in der Bewilligung
des Verwaltungsbüdgets liegt an sich schon das richtige Maß des Einflusses
der Gesetzgebung auf das Gebiet der vollziehenden Gewalt.

2) Das Organisationsrecht in der Selbstverwaltung.

Auch die Ordnung des Organisationsrechtes in der Selbstverwaltung
hat zur Voraussetzung ihres richtigen Verständnisses im Grunde schon
den Ueberblick dieses Organismus selbst, und die Darstellung des Princips
wird daher erst in dem zweiten Theil ihre vollständige Erfüllung erhalten.
Dennoch ist die Grundlage schon hier aufzustellen.

Wir gehen nämlich davon aus, daß die Selbstverwaltung, wie es
schon in ihrem Namen liegt, einen Theil der Verwaltung, und ihre
Thätigkeit damit einen Theil der vollziehenden Gewalt bildet. Es folgt
daraus von diesem Standpunkt, daß die Organisation der Selbstver-
waltung als ein Recht des Staatsoberhauptes erscheint, wie die gesammte
übrige Organisation. Andererseits schließt der Begriff der Selbstverwal-
tung eine solche Organisation von Seiten der höchsten Staatsgewalt
wieder aus. Wie die Selbstverwaltung an sich, ihrem eigensten Begriff
nach, nicht durch die einheitliche Gewalt des Staats erzeugt wird, son-
dern auf Grundlage der freien Individualität als ein Organismus des
Staats entsteht, so muß sie sich auch selbst ihre Organe und die
Ordnung ihrer Thätigkeit setzen. Auf diese Weise treten für das Or-
ganisationsrecht der Selbstverwaltung zwei Principien einander gegen-
über, und die feste und klare Bestimmung des Verhältnisses beider zu
einander wird dadurch zu einer der wesentlichsten Bestimmungen des
öffentlichen Rechtes.

Offenbar nun kann dieß erst genau und einigermaßen erschöpfend
erst dann dargelegt werden, wenn wir den Organismus und die Haupt-
formen der Selbstverwaltung selbst darstellen. Allein die Grundlage
dieser Ordnung, das entscheidende Princip für das Verhältniß zwischen
der Organisationsgewalt des Staatsoberhaupts gegenüber der Selbst-
verwaltung bildet dennoch einen so wesentlichen Inhalt des Regierungs-
rechts, daß wir sie hier schon aufnehmen müssen.

Auch in diesem Gebiete zeigt sich nun der große und gleichartige

bezweifelt werden, daß der Grundſatz: „der König habe alle Anſtalten zur
Ausführung der Geſetze zu treffen,“ oder ähnliche Ausdrücke, dem Staats-
oberhaupt die volle Freiheit in der Miniſterialorganiſation gibt. Bayern iſt
mit ſeiner Verfaſſung, ſowie mit ſeinem wirklichen Staatsleben dabei ein Muſter.
Wir finden die oben ausgeſprochenen Gedanken in ſpezieller Anwendung auf
Bayern ſehr klar und erſchöpfend dargeſtellt bei Pötzl Bayeriſches Verfaſſungs-
recht §. 175, Bayeriſches Verwaltungsrecht §. 9 ff. Es iſt auch unpraktiſch,
die Organiſation der Miniſterien durch Geſetze feſtzuſtellen; in der Bewilligung
des Verwaltungsbüdgets liegt an ſich ſchon das richtige Maß des Einfluſſes
der Geſetzgebung auf das Gebiet der vollziehenden Gewalt.

2) Das Organiſationsrecht in der Selbſtverwaltung.

Auch die Ordnung des Organiſationsrechtes in der Selbſtverwaltung
hat zur Vorausſetzung ihres richtigen Verſtändniſſes im Grunde ſchon
den Ueberblick dieſes Organismus ſelbſt, und die Darſtellung des Princips
wird daher erſt in dem zweiten Theil ihre vollſtändige Erfüllung erhalten.
Dennoch iſt die Grundlage ſchon hier aufzuſtellen.

Wir gehen nämlich davon aus, daß die Selbſtverwaltung, wie es
ſchon in ihrem Namen liegt, einen Theil der Verwaltung, und ihre
Thätigkeit damit einen Theil der vollziehenden Gewalt bildet. Es folgt
daraus von dieſem Standpunkt, daß die Organiſation der Selbſtver-
waltung als ein Recht des Staatsoberhauptes erſcheint, wie die geſammte
übrige Organiſation. Andererſeits ſchließt der Begriff der Selbſtverwal-
tung eine ſolche Organiſation von Seiten der höchſten Staatsgewalt
wieder aus. Wie die Selbſtverwaltung an ſich, ihrem eigenſten Begriff
nach, nicht durch die einheitliche Gewalt des Staats erzeugt wird, ſon-
dern auf Grundlage der freien Individualität als ein Organismus des
Staats entſteht, ſo muß ſie ſich auch ſelbſt ihre Organe und die
Ordnung ihrer Thätigkeit ſetzen. Auf dieſe Weiſe treten für das Or-
ganiſationsrecht der Selbſtverwaltung zwei Principien einander gegen-
über, und die feſte und klare Beſtimmung des Verhältniſſes beider zu
einander wird dadurch zu einer der weſentlichſten Beſtimmungen des
öffentlichen Rechtes.

Offenbar nun kann dieß erſt genau und einigermaßen erſchöpfend
erſt dann dargelegt werden, wenn wir den Organismus und die Haupt-
formen der Selbſtverwaltung ſelbſt darſtellen. Allein die Grundlage
dieſer Ordnung, das entſcheidende Princip für das Verhältniß zwiſchen
der Organiſationsgewalt des Staatsoberhaupts gegenüber der Selbſt-
verwaltung bildet dennoch einen ſo weſentlichen Inhalt des Regierungs-
rechts, daß wir ſie hier ſchon aufnehmen müſſen.

Auch in dieſem Gebiete zeigt ſich nun der große und gleichartige

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <p><pb facs="#f0182" n="158"/>
bezweifelt werden, daß der Grund&#x017F;atz: &#x201E;der König habe alle <hi rendition="#g">An&#x017F;talten</hi> zur<lb/>
Ausführung der Ge&#x017F;etze zu treffen,&#x201C; oder ähnliche Ausdrücke, dem Staats-<lb/>
oberhaupt die volle Freiheit in der Mini&#x017F;terialorgani&#x017F;ation gibt. <hi rendition="#g">Bayern</hi> i&#x017F;t<lb/>
mit &#x017F;einer Verfa&#x017F;&#x017F;ung, &#x017F;owie mit &#x017F;einem wirklichen Staatsleben dabei ein Mu&#x017F;ter.<lb/>
Wir finden die oben ausge&#x017F;prochenen Gedanken in &#x017F;pezieller Anwendung auf<lb/>
Bayern &#x017F;ehr klar und er&#x017F;chöpfend darge&#x017F;tellt bei <hi rendition="#g">Pötzl</hi> Bayeri&#x017F;ches Verfa&#x017F;&#x017F;ungs-<lb/>
recht §. 175, Bayeri&#x017F;ches Verwaltungsrecht §. 9 ff. Es i&#x017F;t auch unprakti&#x017F;ch,<lb/>
die Organi&#x017F;ation der Mini&#x017F;terien durch Ge&#x017F;etze fe&#x017F;tzu&#x017F;tellen; in der Bewilligung<lb/>
des Verwaltungsbüdgets liegt an &#x017F;ich &#x017F;chon das richtige Maß des Einflu&#x017F;&#x017F;es<lb/>
der Ge&#x017F;etzgebung auf das Gebiet der vollziehenden Gewalt.</p>
                </div><lb/>
                <div n="6">
                  <head>2) <hi rendition="#g">Das Organi&#x017F;ationsrecht in der Selb&#x017F;tverwaltung</hi>.</head><lb/>
                  <p>Auch die Ordnung des Organi&#x017F;ationsrechtes in der Selb&#x017F;tverwaltung<lb/>
hat zur Voraus&#x017F;etzung ihres richtigen Ver&#x017F;tändni&#x017F;&#x017F;es im Grunde &#x017F;chon<lb/>
den Ueberblick die&#x017F;es Organismus &#x017F;elb&#x017F;t, und die Dar&#x017F;tellung des Princips<lb/>
wird daher er&#x017F;t in dem zweiten Theil ihre voll&#x017F;tändige Erfüllung erhalten.<lb/>
Dennoch i&#x017F;t die Grundlage &#x017F;chon hier aufzu&#x017F;tellen.</p><lb/>
                  <p>Wir gehen nämlich davon aus, daß die Selb&#x017F;tverwaltung, wie es<lb/>
&#x017F;chon in ihrem Namen liegt, einen Theil der Verwaltung, und ihre<lb/>
Thätigkeit damit einen Theil der vollziehenden Gewalt bildet. Es folgt<lb/>
daraus von die&#x017F;em Standpunkt, daß die Organi&#x017F;ation der Selb&#x017F;tver-<lb/>
waltung als ein Recht des Staatsoberhauptes er&#x017F;cheint, wie die ge&#x017F;ammte<lb/>
übrige Organi&#x017F;ation. Anderer&#x017F;eits &#x017F;chließt der Begriff der Selb&#x017F;tverwal-<lb/>
tung eine &#x017F;olche Organi&#x017F;ation von Seiten der höch&#x017F;ten Staatsgewalt<lb/>
wieder aus. Wie die Selb&#x017F;tverwaltung an &#x017F;ich, ihrem eigen&#x017F;ten Begriff<lb/>
nach, nicht durch die einheitliche Gewalt des Staats erzeugt wird, &#x017F;on-<lb/>
dern auf Grundlage der freien Individualität als ein Organismus des<lb/>
Staats ent&#x017F;teht, &#x017F;o muß &#x017F;ie &#x017F;ich auch &#x017F;elb&#x017F;t ihre Organe und die<lb/>
Ordnung ihrer Thätigkeit &#x017F;etzen. Auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e treten für das Or-<lb/>
gani&#x017F;ationsrecht der Selb&#x017F;tverwaltung zwei Principien einander gegen-<lb/>
über, und die fe&#x017F;te und klare Be&#x017F;timmung des Verhältni&#x017F;&#x017F;es beider zu<lb/>
einander wird dadurch zu einer der we&#x017F;entlich&#x017F;ten Be&#x017F;timmungen des<lb/>
öffentlichen Rechtes.</p><lb/>
                  <p>Offenbar nun kann dieß er&#x017F;t genau und einigermaßen er&#x017F;chöpfend<lb/>
er&#x017F;t dann dargelegt werden, wenn wir den Organismus und die Haupt-<lb/>
formen der Selb&#x017F;tverwaltung &#x017F;elb&#x017F;t dar&#x017F;tellen. Allein die Grundlage<lb/>
die&#x017F;er Ordnung, das ent&#x017F;cheidende Princip für das Verhältniß zwi&#x017F;chen<lb/>
der Organi&#x017F;ationsgewalt des Staatsoberhaupts gegenüber der Selb&#x017F;t-<lb/>
verwaltung bildet dennoch einen &#x017F;o we&#x017F;entlichen Inhalt des Regierungs-<lb/>
rechts, daß wir &#x017F;ie hier &#x017F;chon aufnehmen mü&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
                  <p>Auch in die&#x017F;em Gebiete zeigt &#x017F;ich nun der große und gleichartige<lb/></p>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[158/0182] bezweifelt werden, daß der Grundſatz: „der König habe alle Anſtalten zur Ausführung der Geſetze zu treffen,“ oder ähnliche Ausdrücke, dem Staats- oberhaupt die volle Freiheit in der Miniſterialorganiſation gibt. Bayern iſt mit ſeiner Verfaſſung, ſowie mit ſeinem wirklichen Staatsleben dabei ein Muſter. Wir finden die oben ausgeſprochenen Gedanken in ſpezieller Anwendung auf Bayern ſehr klar und erſchöpfend dargeſtellt bei Pötzl Bayeriſches Verfaſſungs- recht §. 175, Bayeriſches Verwaltungsrecht §. 9 ff. Es iſt auch unpraktiſch, die Organiſation der Miniſterien durch Geſetze feſtzuſtellen; in der Bewilligung des Verwaltungsbüdgets liegt an ſich ſchon das richtige Maß des Einfluſſes der Geſetzgebung auf das Gebiet der vollziehenden Gewalt. 2) Das Organiſationsrecht in der Selbſtverwaltung. Auch die Ordnung des Organiſationsrechtes in der Selbſtverwaltung hat zur Vorausſetzung ihres richtigen Verſtändniſſes im Grunde ſchon den Ueberblick dieſes Organismus ſelbſt, und die Darſtellung des Princips wird daher erſt in dem zweiten Theil ihre vollſtändige Erfüllung erhalten. Dennoch iſt die Grundlage ſchon hier aufzuſtellen. Wir gehen nämlich davon aus, daß die Selbſtverwaltung, wie es ſchon in ihrem Namen liegt, einen Theil der Verwaltung, und ihre Thätigkeit damit einen Theil der vollziehenden Gewalt bildet. Es folgt daraus von dieſem Standpunkt, daß die Organiſation der Selbſtver- waltung als ein Recht des Staatsoberhauptes erſcheint, wie die geſammte übrige Organiſation. Andererſeits ſchließt der Begriff der Selbſtverwal- tung eine ſolche Organiſation von Seiten der höchſten Staatsgewalt wieder aus. Wie die Selbſtverwaltung an ſich, ihrem eigenſten Begriff nach, nicht durch die einheitliche Gewalt des Staats erzeugt wird, ſon- dern auf Grundlage der freien Individualität als ein Organismus des Staats entſteht, ſo muß ſie ſich auch ſelbſt ihre Organe und die Ordnung ihrer Thätigkeit ſetzen. Auf dieſe Weiſe treten für das Or- ganiſationsrecht der Selbſtverwaltung zwei Principien einander gegen- über, und die feſte und klare Beſtimmung des Verhältniſſes beider zu einander wird dadurch zu einer der weſentlichſten Beſtimmungen des öffentlichen Rechtes. Offenbar nun kann dieß erſt genau und einigermaßen erſchöpfend erſt dann dargelegt werden, wenn wir den Organismus und die Haupt- formen der Selbſtverwaltung ſelbſt darſtellen. Allein die Grundlage dieſer Ordnung, das entſcheidende Princip für das Verhältniß zwiſchen der Organiſationsgewalt des Staatsoberhaupts gegenüber der Selbſt- verwaltung bildet dennoch einen ſo weſentlichen Inhalt des Regierungs- rechts, daß wir ſie hier ſchon aufnehmen müſſen. Auch in dieſem Gebiete zeigt ſich nun der große und gleichartige

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/182
Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/182>, abgerufen am 09.10.2024.