Zahl und Vertheilung der Bevölkerung beruhendes Bild derselben und ihrer persönlichen, wirthschaftlichen und gesellschaftlichen Zustände für ihre Zwecke schafft. Dasselbe entsteht daher erst mit dem Bewußtsein von diesen Zwecken, und bildet sich in gleichem Schritte mit demselben aus. Die Geschlechter- und ständische Ordnung haben daher keine Zählungen. Sie beginnen stets mit der polizeilichen Verwaltung, sind anfangs auf militärische und finanzielle Zwecke beschränkt, und behalten auch später vorwiegend diesen Charakter. Mit der Entstehung der Be- völkerungslehre und der inneren Verwaltung entwickelt jedoch das Zählungswesen ein rationelles System, sowohl für die Momente des Zustandes der Bevölkerung als für den Vorgang der Zählungen selbst, das seinerseits auf dem bereits im vorigen Jahrhundert entschieden ausgebildeten Zustand der Wissenschaft beruht, und, obwohl in den verschiedenen Staaten noch sehr verschieden, dennoch bereits einer gleichartigen, und das ganze Leben der Bevölkerung umfassenden Dar- stellung entgegen geht, deren Wichtigkeit von Jahr zu Jahr mehr an- erkannt wird. Die Grundlagen, die sich dabei herausbilden, bestehen in dem Uebergang von der Schätzung zur Kopfzählung, und von dieser zum eigentlichen Zählungswesen, das zuerst bei der tabella- rischen Constatirung der persönlichen Verhältnisse (Alter, Geschlecht, Familie, Confession) beginnt, dann zu den wirthschaftlichen Ver- hältnissen übergeht (Erwerbsverhältnisse, Besitzstand, Viehstand, Häuser, Anlagskapitalien, Unternehmungen) und endlich die gesellschaft- lichen Verhältnisse aufnimmt (Stand, Beruf, Bildung). -- Das or- ganische Verhältniß der so gewonnenen Resultate zu den Aufgaben und den Erfolgen der inneren Verwaltung ist nur noch in sehr einzelnen Gebieten (Steuern, Schulbesuch, zum Theil Gesundheitspflege, Land- wirthschaft) untersucht, und fordert allerdings, daß die künftigen Zäh- lungen mit der gesammten Verwaltungsthätigkeit als in einem bestän- digen und causalen Wechselverhältniß stehend erkannt werden. Darin liegt die Zukunft des Zählungswesens, das stets der Mittelpunkt der Verwaltungsstatistik bleiben wird.
Eben wegen dieser Unfertigkeit des Verhältnisses zwischen Verwal- tung und Statistik hat sich bisher das Zählungswesen nicht gleichmäßig in den einzelnen Staaten ausbilden können. Zählungsprincip, Recht und Ordnung sind noch sehr verschieden, obwohl die Anerkennung der Wichtigkeit, ja der Nothwendigkeit desselben in ganz Europa als ent- schieden angesehen werden dürfen.
Literatur und Statistik. Erste Versuche: allgemeine Erkenntniß der Wichtigkeit, ohne System; einzelne örtliche Beobachtungen. Montesquieu, L. 23. Mohl, Literatur der Staatswissenschaft I. S. 424 ff. Süßmilch,
Zahl und Vertheilung der Bevölkerung beruhendes Bild derſelben und ihrer perſönlichen, wirthſchaftlichen und geſellſchaftlichen Zuſtände für ihre Zwecke ſchafft. Daſſelbe entſteht daher erſt mit dem Bewußtſein von dieſen Zwecken, und bildet ſich in gleichem Schritte mit demſelben aus. Die Geſchlechter- und ſtändiſche Ordnung haben daher keine Zählungen. Sie beginnen ſtets mit der polizeilichen Verwaltung, ſind anfangs auf militäriſche und finanzielle Zwecke beſchränkt, und behalten auch ſpäter vorwiegend dieſen Charakter. Mit der Entſtehung der Be- völkerungslehre und der inneren Verwaltung entwickelt jedoch das Zählungsweſen ein rationelles Syſtem, ſowohl für die Momente des Zuſtandes der Bevölkerung als für den Vorgang der Zählungen ſelbſt, das ſeinerſeits auf dem bereits im vorigen Jahrhundert entſchieden ausgebildeten Zuſtand der Wiſſenſchaft beruht, und, obwohl in den verſchiedenen Staaten noch ſehr verſchieden, dennoch bereits einer gleichartigen, und das ganze Leben der Bevölkerung umfaſſenden Dar- ſtellung entgegen geht, deren Wichtigkeit von Jahr zu Jahr mehr an- erkannt wird. Die Grundlagen, die ſich dabei herausbilden, beſtehen in dem Uebergang von der Schätzung zur Kopfzählung, und von dieſer zum eigentlichen Zählungsweſen, das zuerſt bei der tabella- riſchen Conſtatirung der perſönlichen Verhältniſſe (Alter, Geſchlecht, Familie, Confeſſion) beginnt, dann zu den wirthſchaftlichen Ver- hältniſſen übergeht (Erwerbsverhältniſſe, Beſitzſtand, Viehſtand, Häuſer, Anlagskapitalien, Unternehmungen) und endlich die geſellſchaft- lichen Verhältniſſe aufnimmt (Stand, Beruf, Bildung). — Das or- ganiſche Verhältniß der ſo gewonnenen Reſultate zu den Aufgaben und den Erfolgen der inneren Verwaltung iſt nur noch in ſehr einzelnen Gebieten (Steuern, Schulbeſuch, zum Theil Geſundheitspflege, Land- wirthſchaft) unterſucht, und fordert allerdings, daß die künftigen Zäh- lungen mit der geſammten Verwaltungsthätigkeit als in einem beſtän- digen und cauſalen Wechſelverhältniß ſtehend erkannt werden. Darin liegt die Zukunft des Zählungsweſens, das ſtets der Mittelpunkt der Verwaltungsſtatiſtik bleiben wird.
Eben wegen dieſer Unfertigkeit des Verhältniſſes zwiſchen Verwal- tung und Statiſtik hat ſich bisher das Zählungsweſen nicht gleichmäßig in den einzelnen Staaten ausbilden können. Zählungsprincip, Recht und Ordnung ſind noch ſehr verſchieden, obwohl die Anerkennung der Wichtigkeit, ja der Nothwendigkeit deſſelben in ganz Europa als ent- ſchieden angeſehen werden dürfen.
Literatur und Statiſtik. Erſte Verſuche: allgemeine Erkenntniß der Wichtigkeit, ohne Syſtem; einzelne örtliche Beobachtungen. Montesquieu, L. 23. Mohl, Literatur der Staatswiſſenſchaft I. S. 424 ff. Süßmilch,
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ihrer perſönlichen, wirthſchaftlichen und geſellſchaftlichen Zuſtände für
ihre Zwecke ſchafft. Daſſelbe entſteht daher erſt mit dem Bewußtſein
von dieſen Zwecken, und bildet ſich in gleichem Schritte mit demſelben
aus. Die Geſchlechter- und ſtändiſche Ordnung haben daher keine
Zählungen. Sie beginnen ſtets mit der polizeilichen Verwaltung, ſind
anfangs auf militäriſche und finanzielle Zwecke beſchränkt, und behalten
auch ſpäter vorwiegend dieſen Charakter. Mit der Entſtehung der Be-
völkerungslehre und der inneren Verwaltung entwickelt jedoch das
Zählungsweſen ein rationelles Syſtem, ſowohl für die Momente des
Zuſtandes der Bevölkerung als für den Vorgang der Zählungen ſelbſt,
das ſeinerſeits auf dem bereits im vorigen Jahrhundert entſchieden
ausgebildeten Zuſtand der Wiſſenſchaft beruht, und, obwohl in den
verſchiedenen Staaten noch ſehr verſchieden, dennoch bereits einer
gleichartigen, und das ganze Leben der Bevölkerung umfaſſenden Dar-
ſtellung entgegen geht, deren Wichtigkeit von Jahr zu Jahr mehr an-
erkannt wird. Die Grundlagen, die ſich dabei herausbilden, beſtehen
in dem Uebergang von der Schätzung zur Kopfzählung, und von
dieſer zum eigentlichen Zählungsweſen, das zuerſt bei der tabella-
riſchen Conſtatirung der perſönlichen Verhältniſſe (Alter, Geſchlecht,
Familie, Confeſſion) beginnt, dann zu den wirthſchaftlichen Ver-
hältniſſen übergeht (Erwerbsverhältniſſe, Beſitzſtand, Viehſtand, Häuſer,
Anlagskapitalien, Unternehmungen) und endlich die geſellſchaft-
lichen Verhältniſſe aufnimmt (Stand, Beruf, Bildung). — Das or-
ganiſche Verhältniß der ſo gewonnenen Reſultate zu den Aufgaben und
den Erfolgen der inneren Verwaltung iſt nur noch in ſehr einzelnen
Gebieten (Steuern, Schulbeſuch, zum Theil Geſundheitspflege, Land-
wirthſchaft) unterſucht, und fordert allerdings, daß die künftigen Zäh-
lungen mit der geſammten Verwaltungsthätigkeit als in einem beſtän-
digen und cauſalen Wechſelverhältniß ſtehend erkannt werden. Darin
liegt die Zukunft des Zählungsweſens, das ſtets der Mittelpunkt der
Verwaltungsſtatiſtik bleiben wird.
Eben wegen dieſer Unfertigkeit des Verhältniſſes zwiſchen Verwal-
tung und Statiſtik hat ſich bisher das Zählungsweſen nicht gleichmäßig
in den einzelnen Staaten ausbilden können. Zählungsprincip, Recht
und Ordnung ſind noch ſehr verſchieden, obwohl die Anerkennung der
Wichtigkeit, ja der Nothwendigkeit deſſelben in ganz Europa als ent-
ſchieden angeſehen werden dürfen.
Literatur und Statiſtik. Erſte Verſuche: allgemeine Erkenntniß der
Wichtigkeit, ohne Syſtem; einzelne örtliche Beobachtungen. Montesquieu,
L. 23. Mohl, Literatur der Staatswiſſenſchaft I. S. 424 ff. Süßmilch,
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/85>, abgerufen am 23.11.2024.
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