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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

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unendliche Einfachheit des Lebens der Menschheit in seinen letzten Ele-
menten, aber auch seinen unendlichen Reichthum in seinen einzelnen
Erscheinungen erschließt. Die erste ist die des englischen Volkes,
in welchem die Vollziehung und damit die innere Verwaltung grund-
sätzlich auf der Thätigkeit der Selbstverwaltung und des Vereinswesens
beruhen, während die Regierung an beiden nur wenig -- in vielen
Dingen viel zu wenig -- Antheil hat. Die zweite bietet das fran-
zösische Volk
, in welchem die ganze innere Verwaltung fast ausschließ-
lich in den Händen der Regierung ruht, während Selbstverwaltung
und Vereinswesen fast macht- und rechtlos sind. Die dritte ist das
deutsche Volk, welches in mannigfach verschiedener Weise dennoch
stets denselben Gedanken zum Ausdruck zu bringen trachtet, der per-
sönlichen und der freien Verwaltung je ihren natürlichen und organischen
Antheil an dem Leben des Staats zu geben. England und Frankreich
sind daher mit ihrem Charakter im Ganzen vorläufig fertig und arbeiten
am Einzelnen in der inneren Verwaltung; Deutschland ist noch mitten
in der Arbeit für seinen Charakter, hat dagegen im Einzelnen bereits
Außerordentliches geleistet, während es in andern einzelnen Gebieten
oft noch sehr weit zurück ist. Das durch alle Gebiete des innern Lebens
Europa's durchzuführen, ist die größte Aufgabe, welche der menschlichen
Wissenschaft gestellt werden kann. Sie übersteigt jede einzelne Kraft,
und darum ist sie Aufgabe unseres Jahrhunderts.

Die erste Voraussetzung dafür ist nun wohl die, daß man sich
einig werde über die organischen Grundbegriffe und das System dessen,
was wir nun als die Verwaltungslehre vorzulegen haben.


unendliche Einfachheit des Lebens der Menſchheit in ſeinen letzten Ele-
menten, aber auch ſeinen unendlichen Reichthum in ſeinen einzelnen
Erſcheinungen erſchließt. Die erſte iſt die des engliſchen Volkes,
in welchem die Vollziehung und damit die innere Verwaltung grund-
ſätzlich auf der Thätigkeit der Selbſtverwaltung und des Vereinsweſens
beruhen, während die Regierung an beiden nur wenig — in vielen
Dingen viel zu wenig — Antheil hat. Die zweite bietet das fran-
zöſiſche Volk
, in welchem die ganze innere Verwaltung faſt ausſchließ-
lich in den Händen der Regierung ruht, während Selbſtverwaltung
und Vereinsweſen faſt macht- und rechtlos ſind. Die dritte iſt das
deutſche Volk, welches in mannigfach verſchiedener Weiſe dennoch
ſtets denſelben Gedanken zum Ausdruck zu bringen trachtet, der per-
ſönlichen und der freien Verwaltung je ihren natürlichen und organiſchen
Antheil an dem Leben des Staats zu geben. England und Frankreich
ſind daher mit ihrem Charakter im Ganzen vorläufig fertig und arbeiten
am Einzelnen in der inneren Verwaltung; Deutſchland iſt noch mitten
in der Arbeit für ſeinen Charakter, hat dagegen im Einzelnen bereits
Außerordentliches geleiſtet, während es in andern einzelnen Gebieten
oft noch ſehr weit zurück iſt. Das durch alle Gebiete des innern Lebens
Europa’s durchzuführen, iſt die größte Aufgabe, welche der menſchlichen
Wiſſenſchaft geſtellt werden kann. Sie überſteigt jede einzelne Kraft,
und darum iſt ſie Aufgabe unſeres Jahrhunderts.

Die erſte Vorausſetzung dafür iſt nun wohl die, daß man ſich
einig werde über die organiſchen Grundbegriffe und das Syſtem deſſen,
was wir nun als die Verwaltungslehre vorzulegen haben.


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[53/0077] unendliche Einfachheit des Lebens der Menſchheit in ſeinen letzten Ele- menten, aber auch ſeinen unendlichen Reichthum in ſeinen einzelnen Erſcheinungen erſchließt. Die erſte iſt die des engliſchen Volkes, in welchem die Vollziehung und damit die innere Verwaltung grund- ſätzlich auf der Thätigkeit der Selbſtverwaltung und des Vereinsweſens beruhen, während die Regierung an beiden nur wenig — in vielen Dingen viel zu wenig — Antheil hat. Die zweite bietet das fran- zöſiſche Volk, in welchem die ganze innere Verwaltung faſt ausſchließ- lich in den Händen der Regierung ruht, während Selbſtverwaltung und Vereinsweſen faſt macht- und rechtlos ſind. Die dritte iſt das deutſche Volk, welches in mannigfach verſchiedener Weiſe dennoch ſtets denſelben Gedanken zum Ausdruck zu bringen trachtet, der per- ſönlichen und der freien Verwaltung je ihren natürlichen und organiſchen Antheil an dem Leben des Staats zu geben. England und Frankreich ſind daher mit ihrem Charakter im Ganzen vorläufig fertig und arbeiten am Einzelnen in der inneren Verwaltung; Deutſchland iſt noch mitten in der Arbeit für ſeinen Charakter, hat dagegen im Einzelnen bereits Außerordentliches geleiſtet, während es in andern einzelnen Gebieten oft noch ſehr weit zurück iſt. Das durch alle Gebiete des innern Lebens Europa’s durchzuführen, iſt die größte Aufgabe, welche der menſchlichen Wiſſenſchaft geſtellt werden kann. Sie überſteigt jede einzelne Kraft, und darum iſt ſie Aufgabe unſeres Jahrhunderts. Die erſte Vorausſetzung dafür iſt nun wohl die, daß man ſich einig werde über die organiſchen Grundbegriffe und das Syſtem deſſen, was wir nun als die Verwaltungslehre vorzulegen haben.

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/77>, abgerufen am 22.11.2024.