Lehnsherrn, unterworfen; allein in allen Verhältnissen der Ver- waltung ist die Grundherrlichkeit souverain wie ihre Grund- lage, das Eigenthumsrecht. Jede Grundherrlichkeit bildet daher einen souverainen, von dem persönlichen Willen des Herrn abhängenden Ver- waltungskörper und zwar zugleich für Steuer, Rechtspflege und innere Verwaltung (Schulen, Wege, Polizei, Grundbuchswesen u. s. w.). Damit ist diese Verwaltung im Princip auf die individuelle Willkür, in ihren Mitteln auf das äußerste Minimum, in ihrem Inhalte aber so sehr auf der Herrschaft des Besitzenden über den Nichtbesitz basirt, daß sie zuletzt kaum noch den Namen derselben verdient. Die Beseiti- gung derselben durch die königliche Regierung war daher eine der großen Bedingungen alles Fortschrittes, und in der That fängt der Kampf desselben auch fast mit dem Auftreten der wahren königlichen Gewalt an. Die Form, in der sich diese königliche Verwaltung neben und über der grundherrlichen verwirklicht, ist nun die Regalität. Das Regal ist seinem wahren Wesen nach das allerdings auch ursprünglich auf dem Eigenthumsrecht der Krone beruhende königliche Verwaltungs- recht. Es gibt daher historisch so viele Regale, als es Gebiete der Verwaltung gibt; sie erklären ihrerseits die Geschichte der inneren Ver- waltung; nur muß man sie als historische Erscheinungen und nicht als Begriffe behandeln wollen. Der Kampf zwischen Grundherrlichkeit und Regalität dauert nun bis zum siebenzehnten Jahrhundert in England, bis zur Revolution in Frankreich und bis auf die Gegenwart in Deutsch- land, wo sich die erstere noch immer in nicht unbedeutenden Resten als "Patrimonialgerichtsbarkeit" erhält, welche neben der Rechts- pflege auch einen nicht unbedeutenden Theil der eigentlichen Verwal- tung, namentlich Armenwesen, Wegwesen und Polizeiwesen selbständig behält. Nur in Oesterreich existirt auch keine Spur mehr von dieser historischen Gestalt, während für das Folgende gerade das Umgekehrte der Fall ist.
Auch das Ständewesen und die Körperschaften setzen wir als be- kannt voraus. Immerhin sind die Körperschaften freiere und höhere Formen der Verwaltung als die Grundherrschaften. So ist das An- gehören an die einzelne Körperschaft ein Lebensberuf, und die letztere hat daher die Aufgabe und das Recht, die Erfüllung desselben, die wirkliche Thätigkeit des Einzelnen zu überwachen und zu leiten. Allein sie sind ihrem eigensten Princip nach vereinzelt. Sie vertreten daher in ihrer Rechtsbildung kein allgemeines, sondern immer nur ein beson- deres Interesse, werden naturgemäß feindlich gegen jedes andere, ge- stalten ihre besondere Aufgabe zur rechtlichen Ausschließlichkeit und werden so allmählig zu Feinden des allgemeinen Fortschrittes. Auch
Lehnsherrn, unterworfen; allein in allen Verhältniſſen der Ver- waltung iſt die Grundherrlichkeit ſouverain wie ihre Grund- lage, das Eigenthumsrecht. Jede Grundherrlichkeit bildet daher einen ſouverainen, von dem perſönlichen Willen des Herrn abhängenden Ver- waltungskörper und zwar zugleich für Steuer, Rechtspflege und innere Verwaltung (Schulen, Wege, Polizei, Grundbuchsweſen u. ſ. w.). Damit iſt dieſe Verwaltung im Princip auf die individuelle Willkür, in ihren Mitteln auf das äußerſte Minimum, in ihrem Inhalte aber ſo ſehr auf der Herrſchaft des Beſitzenden über den Nichtbeſitz baſirt, daß ſie zuletzt kaum noch den Namen derſelben verdient. Die Beſeiti- gung derſelben durch die königliche Regierung war daher eine der großen Bedingungen alles Fortſchrittes, und in der That fängt der Kampf deſſelben auch faſt mit dem Auftreten der wahren königlichen Gewalt an. Die Form, in der ſich dieſe königliche Verwaltung neben und über der grundherrlichen verwirklicht, iſt nun die Regalität. Das Regal iſt ſeinem wahren Weſen nach das allerdings auch urſprünglich auf dem Eigenthumsrecht der Krone beruhende königliche Verwaltungs- recht. Es gibt daher hiſtoriſch ſo viele Regale, als es Gebiete der Verwaltung gibt; ſie erklären ihrerſeits die Geſchichte der inneren Ver- waltung; nur muß man ſie als hiſtoriſche Erſcheinungen und nicht als Begriffe behandeln wollen. Der Kampf zwiſchen Grundherrlichkeit und Regalität dauert nun bis zum ſiebenzehnten Jahrhundert in England, bis zur Revolution in Frankreich und bis auf die Gegenwart in Deutſch- land, wo ſich die erſtere noch immer in nicht unbedeutenden Reſten als „Patrimonialgerichtsbarkeit“ erhält, welche neben der Rechts- pflege auch einen nicht unbedeutenden Theil der eigentlichen Verwal- tung, namentlich Armenweſen, Wegweſen und Polizeiweſen ſelbſtändig behält. Nur in Oeſterreich exiſtirt auch keine Spur mehr von dieſer hiſtoriſchen Geſtalt, während für das Folgende gerade das Umgekehrte der Fall iſt.
Auch das Ständeweſen und die Körperſchaften ſetzen wir als be- kannt voraus. Immerhin ſind die Körperſchaften freiere und höhere Formen der Verwaltung als die Grundherrſchaften. So iſt das An- gehören an die einzelne Körperſchaft ein Lebensberuf, und die letztere hat daher die Aufgabe und das Recht, die Erfüllung deſſelben, die wirkliche Thätigkeit des Einzelnen zu überwachen und zu leiten. Allein ſie ſind ihrem eigenſten Princip nach vereinzelt. Sie vertreten daher in ihrer Rechtsbildung kein allgemeines, ſondern immer nur ein beſon- deres Intereſſe, werden naturgemäß feindlich gegen jedes andere, ge- ſtalten ihre beſondere Aufgabe zur rechtlichen Ausſchließlichkeit und werden ſo allmählig zu Feinden des allgemeinen Fortſchrittes. Auch
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Lehnsherrn, unterworfen; allein in allen Verhältniſſen der Ver-
waltung iſt die Grundherrlichkeit ſouverain wie ihre Grund-
lage, das Eigenthumsrecht. Jede Grundherrlichkeit bildet daher einen
ſouverainen, von dem perſönlichen Willen des Herrn abhängenden Ver-
waltungskörper und zwar zugleich für Steuer, Rechtspflege und innere
Verwaltung (Schulen, Wege, Polizei, Grundbuchsweſen u. ſ. w.).
Damit iſt dieſe Verwaltung im Princip auf die individuelle Willkür,
in ihren Mitteln auf das äußerſte Minimum, in ihrem Inhalte aber
ſo ſehr auf der Herrſchaft des Beſitzenden über den Nichtbeſitz baſirt,
daß ſie zuletzt kaum noch den Namen derſelben verdient. Die Beſeiti-
gung derſelben durch die königliche Regierung war daher eine der großen
Bedingungen alles Fortſchrittes, und in der That fängt der Kampf
deſſelben auch faſt mit dem Auftreten der wahren königlichen Gewalt
an. Die Form, in der ſich dieſe königliche Verwaltung neben und über
der grundherrlichen verwirklicht, iſt nun die Regalität. Das Regal
iſt ſeinem wahren Weſen nach das allerdings auch urſprünglich auf
dem Eigenthumsrecht der Krone beruhende königliche Verwaltungs-
recht. Es gibt daher hiſtoriſch ſo viele Regale, als es Gebiete der
Verwaltung gibt; ſie erklären ihrerſeits die Geſchichte der inneren Ver-
waltung; nur muß man ſie als hiſtoriſche Erſcheinungen und nicht als
Begriffe behandeln wollen. Der Kampf zwiſchen Grundherrlichkeit und
Regalität dauert nun bis zum ſiebenzehnten Jahrhundert in England,
bis zur Revolution in Frankreich und bis auf die Gegenwart in Deutſch-
land, wo ſich die erſtere noch immer in nicht unbedeutenden Reſten als
„Patrimonialgerichtsbarkeit“ erhält, welche neben der Rechts-
pflege auch einen nicht unbedeutenden Theil der eigentlichen Verwal-
tung, namentlich Armenweſen, Wegweſen und Polizeiweſen ſelbſtändig
behält. Nur in Oeſterreich exiſtirt auch keine Spur mehr von dieſer
hiſtoriſchen Geſtalt, während für das Folgende gerade das Umgekehrte
der Fall iſt.
Auch das Ständeweſen und die Körperſchaften ſetzen wir als be-
kannt voraus. Immerhin ſind die Körperſchaften freiere und höhere
Formen der Verwaltung als die Grundherrſchaften. So iſt das An-
gehören an die einzelne Körperſchaft ein Lebensberuf, und die letztere
hat daher die Aufgabe und das Recht, die Erfüllung deſſelben, die
wirkliche Thätigkeit des Einzelnen zu überwachen und zu leiten. Allein
ſie ſind ihrem eigenſten Princip nach vereinzelt. Sie vertreten daher
in ihrer Rechtsbildung kein allgemeines, ſondern immer nur ein beſon-
deres Intereſſe, werden naturgemäß feindlich gegen jedes andere, ge-
ſtalten ihre beſondere Aufgabe zur rechtlichen Ausſchließlichkeit und
werden ſo allmählig zu Feinden des allgemeinen Fortſchrittes. Auch
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/72>, abgerufen am 25.11.2024.
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