gungen des Erwerbes durch Gemeinschaft der Elemente aller Pro- duktion, des Stoffes oder Kapitals und der Arbeit, für bestimmte Arten der Produktion bieten, und diese Art nennen wir die Arbeiter- genossenschaft; oder sie wollen den Reinertrag im Verdienste sichern und heben durch Gemeinschaft der Consumtion, gemeinschaftlichen Kauf und Verkauf der Lebensbedürfnisse, und das sind die Wirthschafts- genossenschaften. Beide Arten können nun so viel Erwerb machen, daß sie, wenn sie denselben nicht vertheilen, zu der Classe der Vorschuß- kassen übergehen; daher denn die Verwechslung der letztern mit den Genossenschaften überhaupt, die viel Unklarheit in dieß Gebiet gebracht hat, dessen hohe Bedeutung nicht zu verkennen ist.
Die Arbeiterverbindungen dagegen wollen durch die Vereini- gung der Arbeiter Preissteigerungen des Lohnes von den Arbeit- gebern erzwingen. Es ist ein wirthschaftlicher Krieg durch Organisirung der beiden Elemente aller Produktion, oft eben so unvermeidlich, immer aber so unheilsam als der wirkliche Krieg.
Dieß nun sind die großen Grundformen des Vereinswesens. Die Funktion des letzteren besteht demnach darin, daß alle diese Arten gleichzeitig wirksam sind, auf allen Punkten die Kraft der Interessen und die der Individualitäten zur Geltung bringen, und so das Leben jedes Einzelnen in das der Gemeinschaft hineinziehen. Die Gewalt dieser Erscheinungen ist eine große; wir stehen erst am Beginne ihrer Entwicklung; der nächste und allgemeinste Erfolg aber ist die Thatsache, daß nur eine tüchtige, ihrer großen Aufgabe bewußte Volksvertretung fähig ist, in jener Vielgestaltigkeit die Einheit des staatlichen Lebens aufrecht zu halten.
Die Basis dafür ist das Vereinsrecht.
III. Das System des Vereinsrechts.
Das Vereinsrecht ist wie das der freien Verwaltung überhaupt theils ein öffentliches, theils ein inneres. Es ist indeß klar, daß bei der Verschiedenheit aller einzelnen Vereine das öffentliche wie das innere Vereinsrecht nur diejenigen Grundsätze enthalten kann, welche für alle Arten des Vereinswesens gleichmäßig gelten. Und obwohl es dafür keine irgendwie ausreichende Gesetzgebung gibt, so sind dieselben den- noch sehr einfach.
Das öffentliche Vereinsrecht der polizeilichen Epoche beruhte darauf, die Vereine vorzugsweise als eine Macht anzusehen, und strebte daher vor allem der Gefahr zu begegnen, die in diesen Erscheinungen zu liegen schien. Daher denn die strenge Oberaufsicht, auf Grundlage
gungen des Erwerbes durch Gemeinſchaft der Elemente aller Pro- duktion, des Stoffes oder Kapitals und der Arbeit, für beſtimmte Arten der Produktion bieten, und dieſe Art nennen wir die Arbeiter- genoſſenſchaft; oder ſie wollen den Reinertrag im Verdienſte ſichern und heben durch Gemeinſchaft der Conſumtion, gemeinſchaftlichen Kauf und Verkauf der Lebensbedürfniſſe, und das ſind die Wirthſchafts- genoſſenſchaften. Beide Arten können nun ſo viel Erwerb machen, daß ſie, wenn ſie denſelben nicht vertheilen, zu der Claſſe der Vorſchuß- kaſſen übergehen; daher denn die Verwechslung der letztern mit den Genoſſenſchaften überhaupt, die viel Unklarheit in dieß Gebiet gebracht hat, deſſen hohe Bedeutung nicht zu verkennen iſt.
Die Arbeiterverbindungen dagegen wollen durch die Vereini- gung der Arbeiter Preisſteigerungen des Lohnes von den Arbeit- gebern erzwingen. Es iſt ein wirthſchaftlicher Krieg durch Organiſirung der beiden Elemente aller Produktion, oft eben ſo unvermeidlich, immer aber ſo unheilſam als der wirkliche Krieg.
Dieß nun ſind die großen Grundformen des Vereinsweſens. Die Funktion des letzteren beſteht demnach darin, daß alle dieſe Arten gleichzeitig wirkſam ſind, auf allen Punkten die Kraft der Intereſſen und die der Individualitäten zur Geltung bringen, und ſo das Leben jedes Einzelnen in das der Gemeinſchaft hineinziehen. Die Gewalt dieſer Erſcheinungen iſt eine große; wir ſtehen erſt am Beginne ihrer Entwicklung; der nächſte und allgemeinſte Erfolg aber iſt die Thatſache, daß nur eine tüchtige, ihrer großen Aufgabe bewußte Volksvertretung fähig iſt, in jener Vielgeſtaltigkeit die Einheit des ſtaatlichen Lebens aufrecht zu halten.
Die Baſis dafür iſt das Vereinsrecht.
III. Das Syſtem des Vereinsrechts.
Das Vereinsrecht iſt wie das der freien Verwaltung überhaupt theils ein öffentliches, theils ein inneres. Es iſt indeß klar, daß bei der Verſchiedenheit aller einzelnen Vereine das öffentliche wie das innere Vereinsrecht nur diejenigen Grundſätze enthalten kann, welche für alle Arten des Vereinsweſens gleichmäßig gelten. Und obwohl es dafür keine irgendwie ausreichende Geſetzgebung gibt, ſo ſind dieſelben den- noch ſehr einfach.
Das öffentliche Vereinsrecht der polizeilichen Epoche beruhte darauf, die Vereine vorzugsweiſe als eine Macht anzuſehen, und ſtrebte daher vor allem der Gefahr zu begegnen, die in dieſen Erſcheinungen zu liegen ſchien. Daher denn die ſtrenge Oberaufſicht, auf Grundlage
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Arten der Produktion bieten, und dieſe Art nennen wir die Arbeiter-
genoſſenſchaft; oder ſie wollen den Reinertrag im Verdienſte ſichern
und heben durch Gemeinſchaft der Conſumtion, gemeinſchaftlichen Kauf
und Verkauf der Lebensbedürfniſſe, und das ſind die Wirthſchafts-
genoſſenſchaften. Beide Arten können nun ſo viel Erwerb machen,
daß ſie, wenn ſie denſelben nicht vertheilen, zu der Claſſe der Vorſchuß-
kaſſen übergehen; daher denn die Verwechslung der letztern mit den
Genoſſenſchaften überhaupt, die viel Unklarheit in dieß Gebiet gebracht
hat, deſſen hohe Bedeutung nicht zu verkennen iſt.
Die Arbeiterverbindungen dagegen wollen durch die Vereini-
gung der Arbeiter Preisſteigerungen des Lohnes von den Arbeit-
gebern erzwingen. Es iſt ein wirthſchaftlicher Krieg durch Organiſirung
der beiden Elemente aller Produktion, oft eben ſo unvermeidlich, immer
aber ſo unheilſam als der wirkliche Krieg.
Dieß nun ſind die großen Grundformen des Vereinsweſens. Die
Funktion des letzteren beſteht demnach darin, daß alle dieſe Arten
gleichzeitig wirkſam ſind, auf allen Punkten die Kraft der Intereſſen
und die der Individualitäten zur Geltung bringen, und ſo das Leben
jedes Einzelnen in das der Gemeinſchaft hineinziehen. Die Gewalt
dieſer Erſcheinungen iſt eine große; wir ſtehen erſt am Beginne ihrer
Entwicklung; der nächſte und allgemeinſte Erfolg aber iſt die Thatſache,
daß nur eine tüchtige, ihrer großen Aufgabe bewußte Volksvertretung
fähig iſt, in jener Vielgeſtaltigkeit die Einheit des ſtaatlichen Lebens
aufrecht zu halten.
Die Baſis dafür iſt das Vereinsrecht.
III. Das Syſtem des Vereinsrechts.
Das Vereinsrecht iſt wie das der freien Verwaltung überhaupt
theils ein öffentliches, theils ein inneres. Es iſt indeß klar, daß bei
der Verſchiedenheit aller einzelnen Vereine das öffentliche wie das innere
Vereinsrecht nur diejenigen Grundſätze enthalten kann, welche für alle
Arten des Vereinsweſens gleichmäßig gelten. Und obwohl es dafür
keine irgendwie ausreichende Geſetzgebung gibt, ſo ſind dieſelben den-
noch ſehr einfach.
Das öffentliche Vereinsrecht der polizeilichen Epoche beruhte
darauf, die Vereine vorzugsweiſe als eine Macht anzuſehen, und ſtrebte
daher vor allem der Gefahr zu begegnen, die in dieſen Erſcheinungen
zu liegen ſchien. Daher denn die ſtrenge Oberaufſicht, auf Grundlage
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/61>, abgerufen am 24.11.2024.
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