und allgemeinen Forderung der aufsteigenden Bewegung in ihre ein- zelnen Gebiete und Aufgaben. Das ist die große Bedeutung der systematischen Betrachtung dieser Vereine und ihre Stellung in der ge- sellschaftlichen Verwaltung. Aber sie selbst sind noch unfertig und sporadisch, so hochbedeutend sie auch für die Zukunft erscheinen. Sie stehen deßhalb in der Praxis noch unvermittelt neben einander, und werden in der Theorie als einzelne Erscheinungen, die von mehr Interesse als Bedeutung sind, behandelt. Dennoch sind sie Ausdruck derselben großen Thatsache; sie sind die Formen der freien Verwaltung der socialen Frage, wie bei allen verschiedenen Einzelheiten ist es das, was ihnen in der Verwaltung ihre Stellung, zugleich aber ihren na- tionalen Charakter gibt. In England sind sie es, in denen bei völliger Freiheit des Vereinsrechts sich der ganze sociale Gegensatz zwi- schen Capital und Arbeit zusammenfaßt, und daher die natürliche Folge, daß in England der Schwerpunkt nicht in den Arbeitervereinen, sondern in den Arbeiterverbindungen liegt. In Frankreich hält das strenge Vereinsrecht die Vereine überhaupt zurück, und daher hier die beständige Neigung zu geheimen Verbindungen, die bereits mit der Julirevolution entstehen, während die Vereine ohne allgemeine Bedeu- tung sind. In Deutschland beginnt die Bewegung ganz organisch mit den Arbeitervereinen für Credit und Capital, und geht dann nach englischem Muster auf die Arbeiterverbindungen und ihren Lohnkampf über, während die Polizei nach französischem Vorgange gerne das Coa- litionsrecht stören möchte, das wieder von dem Princip der staatsbür- gerlichen Freiheit als berechtigt anerkannt wird. So muß es bis jetzt genügen, die Elemente dieser Erscheinungen anzudeuten.
System.
a) Arbeitervereine.
Die Arbeitervereine sind demnach Vereine der nichtbesitzenden Classe, durch selbstgewählte Mitglieder geleitet, deren Zweck es ist, die aufsteigende Bewegung durch eine vermöge des Vereins selbst unter- stützte Capitalbildung zu fördern. Sie sind daher alle nothwendig auf Gegenseitigkeit gegründet, deren Inhalt theils die Gleichheit der Beiträge, theils die Gemeinschaft der Haftung gegenüber Dritten ist. Die Natur dieser Aufgabe fordert nun, daß diese Vereine sich zu verschiedenen selbständigen Arten entwickeln; ihre wahre Wirksamkeit beruht eben auf dieser ihrer systematischen Entfaltung. Diese Hauptarten aber sind folgende.
I. Die gesellschaftlichen Creditvereinswesen oder die Vorschuß- cassen sind diejenigen, welche durch Vereinigung der kleineren Capitalien
und allgemeinen Forderung der aufſteigenden Bewegung in ihre ein- zelnen Gebiete und Aufgaben. Das iſt die große Bedeutung der ſyſtematiſchen Betrachtung dieſer Vereine und ihre Stellung in der ge- ſellſchaftlichen Verwaltung. Aber ſie ſelbſt ſind noch unfertig und ſporadiſch, ſo hochbedeutend ſie auch für die Zukunft erſcheinen. Sie ſtehen deßhalb in der Praxis noch unvermittelt neben einander, und werden in der Theorie als einzelne Erſcheinungen, die von mehr Intereſſe als Bedeutung ſind, behandelt. Dennoch ſind ſie Ausdruck derſelben großen Thatſache; ſie ſind die Formen der freien Verwaltung der ſocialen Frage, wie bei allen verſchiedenen Einzelheiten iſt es das, was ihnen in der Verwaltung ihre Stellung, zugleich aber ihren na- tionalen Charakter gibt. In England ſind ſie es, in denen bei völliger Freiheit des Vereinsrechts ſich der ganze ſociale Gegenſatz zwi- ſchen Capital und Arbeit zuſammenfaßt, und daher die natürliche Folge, daß in England der Schwerpunkt nicht in den Arbeitervereinen, ſondern in den Arbeiterverbindungen liegt. In Frankreich hält das ſtrenge Vereinsrecht die Vereine überhaupt zurück, und daher hier die beſtändige Neigung zu geheimen Verbindungen, die bereits mit der Julirevolution entſtehen, während die Vereine ohne allgemeine Bedeu- tung ſind. In Deutſchland beginnt die Bewegung ganz organiſch mit den Arbeitervereinen für Credit und Capital, und geht dann nach engliſchem Muſter auf die Arbeiterverbindungen und ihren Lohnkampf über, während die Polizei nach franzöſiſchem Vorgange gerne das Coa- litionsrecht ſtören möchte, das wieder von dem Princip der ſtaatsbür- gerlichen Freiheit als berechtigt anerkannt wird. So muß es bis jetzt genügen, die Elemente dieſer Erſcheinungen anzudeuten.
Syſtem.
a) Arbeitervereine.
Die Arbeitervereine ſind demnach Vereine der nichtbeſitzenden Claſſe, durch ſelbſtgewählte Mitglieder geleitet, deren Zweck es iſt, die aufſteigende Bewegung durch eine vermöge des Vereins ſelbſt unter- ſtützte Capitalbildung zu fördern. Sie ſind daher alle nothwendig auf Gegenſeitigkeit gegründet, deren Inhalt theils die Gleichheit der Beiträge, theils die Gemeinſchaft der Haftung gegenüber Dritten iſt. Die Natur dieſer Aufgabe fordert nun, daß dieſe Vereine ſich zu verſchiedenen ſelbſtändigen Arten entwickeln; ihre wahre Wirkſamkeit beruht eben auf dieſer ihrer ſyſtematiſchen Entfaltung. Dieſe Hauptarten aber ſind folgende.
I. Die geſellſchaftlichen Creditvereinsweſen oder die Vorſchuß- caſſen ſind diejenigen, welche durch Vereinigung der kleineren Capitalien
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><p><pbfacs="#f0478"n="454"/>
und allgemeinen Forderung der aufſteigenden Bewegung in ihre ein-<lb/>
zelnen Gebiete und Aufgaben. <hirendition="#g">Das</hi> iſt die große Bedeutung der<lb/>ſyſtematiſchen Betrachtung dieſer Vereine und ihre Stellung in der ge-<lb/>ſellſchaftlichen Verwaltung. Aber ſie ſelbſt ſind noch unfertig und<lb/>ſporadiſch, ſo hochbedeutend ſie auch für die Zukunft erſcheinen. Sie<lb/>ſtehen deßhalb in der Praxis noch unvermittelt neben einander, und<lb/>
werden in der Theorie als einzelne Erſcheinungen, die von mehr<lb/>
Intereſſe als Bedeutung ſind, behandelt. Dennoch ſind ſie Ausdruck<lb/>
derſelben großen Thatſache; ſie ſind die Formen der freien Verwaltung<lb/>
der ſocialen Frage, wie bei allen verſchiedenen Einzelheiten iſt es das,<lb/>
was ihnen in der Verwaltung ihre Stellung, zugleich aber ihren na-<lb/>
tionalen Charakter gibt. In <hirendition="#g">England</hi>ſind ſie es, in denen bei<lb/>
völliger Freiheit des Vereinsrechts ſich der ganze ſociale Gegenſatz zwi-<lb/>ſchen Capital und Arbeit zuſammenfaßt, und daher die natürliche Folge,<lb/>
daß in England der Schwerpunkt nicht in den Arbeitervereinen, ſondern<lb/>
in den <hirendition="#g">Arbeiterverbindungen</hi> liegt. In <hirendition="#g">Frankreich</hi> hält das<lb/>ſtrenge Vereinsrecht die Vereine überhaupt zurück, und daher hier die<lb/>
beſtändige Neigung zu <hirendition="#g">geheimen</hi> Verbindungen, die bereits mit der<lb/>
Julirevolution entſtehen, während die Vereine ohne allgemeine Bedeu-<lb/>
tung ſind. In <hirendition="#g">Deutſchland</hi> beginnt die Bewegung ganz organiſch<lb/>
mit den Arbeitervereinen für Credit und Capital, und geht dann nach<lb/>
engliſchem Muſter auf die Arbeiterverbindungen und ihren Lohnkampf<lb/>
über, während die Polizei nach franzöſiſchem Vorgange gerne das Coa-<lb/>
litionsrecht ſtören möchte, das wieder von dem Princip der ſtaatsbür-<lb/>
gerlichen Freiheit als berechtigt anerkannt wird. So muß es bis jetzt<lb/>
genügen, die Elemente dieſer Erſcheinungen anzudeuten.</p></div><lb/><divn="6"><head><hirendition="#g">Syſtem</hi>.</head><lb/><divn="7"><head><hirendition="#aq">a)</hi> Arbeitervereine.</head><lb/><p>Die Arbeitervereine ſind demnach Vereine der nichtbeſitzenden<lb/>
Claſſe, durch ſelbſtgewählte Mitglieder geleitet, deren Zweck es iſt, die<lb/>
aufſteigende Bewegung durch eine vermöge des Vereins ſelbſt unter-<lb/>ſtützte <hirendition="#g">Capitalbildung</hi> zu fördern. Sie ſind daher alle nothwendig<lb/>
auf <hirendition="#g">Gegenſeitigkeit</hi> gegründet, deren Inhalt theils die Gleichheit<lb/>
der <hirendition="#g">Beiträge</hi>, theils die Gemeinſchaft der <hirendition="#g">Haftung</hi> gegenüber Dritten<lb/>
iſt. Die Natur dieſer Aufgabe fordert nun, daß dieſe Vereine ſich zu<lb/>
verſchiedenen ſelbſtändigen Arten entwickeln; ihre wahre Wirkſamkeit<lb/>
beruht eben auf dieſer ihrer <hirendition="#g">ſyſtematiſchen Entfaltung</hi>. Dieſe<lb/>
Hauptarten aber ſind folgende.</p><lb/><p><hirendition="#aq">I.</hi> Die geſellſchaftlichen Creditvereinsweſen oder die <hirendition="#g">Vorſchuß-<lb/>
caſſen</hi>ſind diejenigen, welche durch Vereinigung der kleineren Capitalien<lb/></p></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[454/0478]
und allgemeinen Forderung der aufſteigenden Bewegung in ihre ein-
zelnen Gebiete und Aufgaben. Das iſt die große Bedeutung der
ſyſtematiſchen Betrachtung dieſer Vereine und ihre Stellung in der ge-
ſellſchaftlichen Verwaltung. Aber ſie ſelbſt ſind noch unfertig und
ſporadiſch, ſo hochbedeutend ſie auch für die Zukunft erſcheinen. Sie
ſtehen deßhalb in der Praxis noch unvermittelt neben einander, und
werden in der Theorie als einzelne Erſcheinungen, die von mehr
Intereſſe als Bedeutung ſind, behandelt. Dennoch ſind ſie Ausdruck
derſelben großen Thatſache; ſie ſind die Formen der freien Verwaltung
der ſocialen Frage, wie bei allen verſchiedenen Einzelheiten iſt es das,
was ihnen in der Verwaltung ihre Stellung, zugleich aber ihren na-
tionalen Charakter gibt. In England ſind ſie es, in denen bei
völliger Freiheit des Vereinsrechts ſich der ganze ſociale Gegenſatz zwi-
ſchen Capital und Arbeit zuſammenfaßt, und daher die natürliche Folge,
daß in England der Schwerpunkt nicht in den Arbeitervereinen, ſondern
in den Arbeiterverbindungen liegt. In Frankreich hält das
ſtrenge Vereinsrecht die Vereine überhaupt zurück, und daher hier die
beſtändige Neigung zu geheimen Verbindungen, die bereits mit der
Julirevolution entſtehen, während die Vereine ohne allgemeine Bedeu-
tung ſind. In Deutſchland beginnt die Bewegung ganz organiſch
mit den Arbeitervereinen für Credit und Capital, und geht dann nach
engliſchem Muſter auf die Arbeiterverbindungen und ihren Lohnkampf
über, während die Polizei nach franzöſiſchem Vorgange gerne das Coa-
litionsrecht ſtören möchte, das wieder von dem Princip der ſtaatsbür-
gerlichen Freiheit als berechtigt anerkannt wird. So muß es bis jetzt
genügen, die Elemente dieſer Erſcheinungen anzudeuten.
Syſtem.
a) Arbeitervereine.
Die Arbeitervereine ſind demnach Vereine der nichtbeſitzenden
Claſſe, durch ſelbſtgewählte Mitglieder geleitet, deren Zweck es iſt, die
aufſteigende Bewegung durch eine vermöge des Vereins ſelbſt unter-
ſtützte Capitalbildung zu fördern. Sie ſind daher alle nothwendig
auf Gegenſeitigkeit gegründet, deren Inhalt theils die Gleichheit
der Beiträge, theils die Gemeinſchaft der Haftung gegenüber Dritten
iſt. Die Natur dieſer Aufgabe fordert nun, daß dieſe Vereine ſich zu
verſchiedenen ſelbſtändigen Arten entwickeln; ihre wahre Wirkſamkeit
beruht eben auf dieſer ihrer ſyſtematiſchen Entfaltung. Dieſe
Hauptarten aber ſind folgende.
I. Die geſellſchaftlichen Creditvereinsweſen oder die Vorſchuß-
caſſen ſind diejenigen, welche durch Vereinigung der kleineren Capitalien
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/478>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.