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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

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rasche Bewegung des Umlaufs fordert für die Ordnung beider Elemente
eine in jedem Punkte feststehende objektive Gültigkeit. Diese nun
kann sich der Handel nicht selber geben. Der Staat muß sie zum
Gegenstande eigener Gesetzgebung machen; allein gerade, weil sie aus
der Natur des Handels unmittelbar hervorgehen, fordert der letztere
bei der Verwirklichung der auf diese Weise gesetzlich bestimmten recht-
lichen Ordnung des Handels eine selbstthätige Mitwirkung, die aller-
dings je nach dem speciellen Gebiete eine specielle Gestalt hat. Und
die Gesammtheit der dadurch bedingten Bestimmungen und Einrich-
tungen nennen wir die als öffentlich geltendes Recht formulirte
Handelsordnung. Sie ist das eigentliche Gebiet der Verwaltung
des Handels; und die Entwicklung ihrer beiden Grundlagen ergibt so-
mit das, was wir das System derselben zu nennen haben.

Handelsrecht und Gericht.

Das allgemeine Handelsrecht ist dasjenige, welches aus der
Natur des Handels an sich folgend, für alle Theile und Gebiete des
Handelsverkehrs gleichmäßig gültig ist. Es ist nicht möglich, das all-
gemeine Wesen und die Stellung des Handelsrechts in der Wissenschaft
zu bestimmen, wenn man es nicht in sein Verhältniß zum übrigen
bürgerlichen Rechte stellt. Die tiefen Unterschiede beider beruhen auf
folgenden Punkten.

Während das bürgerliche Recht die einzelne Persönlichkeit als
Rechtssubjekt anerkennt, erscheint im Handelsrechte als das Rechtssub-
jekt das Unternehmen. Der Verkehr der einzelnen Persönlichkeiten
im bürgerlichen Recht erscheint als Vertrag; der Vertrag, den die
Unternehmungen schließen, ist dagegen ein Geschäft. Der Inhalt
eines Vertrages wird grundsätzlich nur von dem wohlerwogenen Willen
des Contrahenten bestimmt; das Geschäft ist seinem Wesen nach und
wird daher auch stets im Handelsverkehr aufgefaßt als bedingt von
allen andern Geschäften, die ihm voraufgehen oder nachfolgen. Wie
daher das wirthschaftliche Wesen des Geschäfts ein anderes ist als das
des Vertrages, so ist auch das Recht desselben ein besonderes. Und in
diesem Sinne nennen wir das Recht der Unternehmungen und ihrer
Geschäfte im Unterschiede von dem der Wirthschaft und ihrer Verträge
das allgemeine Handelsrecht.

Aus dieser Natur des Handelsrechts folgt nun auch der Inhalt
seines Systems. Dasselbe zerfällt in drei Theile. Das Unternehmen
als Persönlichkeit ist die Firma. Sie hat die Fähigkeit in sich, wie
das Unternehmen das sie vertritt, nicht bloß in einzelner Person, son-
dern als eine organisirte Gesellschaft, ja als ein Verein aufzutreten.

raſche Bewegung des Umlaufs fordert für die Ordnung beider Elemente
eine in jedem Punkte feſtſtehende objektive Gültigkeit. Dieſe nun
kann ſich der Handel nicht ſelber geben. Der Staat muß ſie zum
Gegenſtande eigener Geſetzgebung machen; allein gerade, weil ſie aus
der Natur des Handels unmittelbar hervorgehen, fordert der letztere
bei der Verwirklichung der auf dieſe Weiſe geſetzlich beſtimmten recht-
lichen Ordnung des Handels eine ſelbſtthätige Mitwirkung, die aller-
dings je nach dem ſpeciellen Gebiete eine ſpecielle Geſtalt hat. Und
die Geſammtheit der dadurch bedingten Beſtimmungen und Einrich-
tungen nennen wir die als öffentlich geltendes Recht formulirte
Handelsordnung. Sie iſt das eigentliche Gebiet der Verwaltung
des Handels; und die Entwicklung ihrer beiden Grundlagen ergibt ſo-
mit das, was wir das Syſtem derſelben zu nennen haben.

Handelsrecht und Gericht.

Das allgemeine Handelsrecht iſt dasjenige, welches aus der
Natur des Handels an ſich folgend, für alle Theile und Gebiete des
Handelsverkehrs gleichmäßig gültig iſt. Es iſt nicht möglich, das all-
gemeine Weſen und die Stellung des Handelsrechts in der Wiſſenſchaft
zu beſtimmen, wenn man es nicht in ſein Verhältniß zum übrigen
bürgerlichen Rechte ſtellt. Die tiefen Unterſchiede beider beruhen auf
folgenden Punkten.

Während das bürgerliche Recht die einzelne Perſönlichkeit als
Rechtsſubjekt anerkennt, erſcheint im Handelsrechte als das Rechtsſub-
jekt das Unternehmen. Der Verkehr der einzelnen Perſönlichkeiten
im bürgerlichen Recht erſcheint als Vertrag; der Vertrag, den die
Unternehmungen ſchließen, iſt dagegen ein Geſchäft. Der Inhalt
eines Vertrages wird grundſätzlich nur von dem wohlerwogenen Willen
des Contrahenten beſtimmt; das Geſchäft iſt ſeinem Weſen nach und
wird daher auch ſtets im Handelsverkehr aufgefaßt als bedingt von
allen andern Geſchäften, die ihm voraufgehen oder nachfolgen. Wie
daher das wirthſchaftliche Weſen des Geſchäfts ein anderes iſt als das
des Vertrages, ſo iſt auch das Recht deſſelben ein beſonderes. Und in
dieſem Sinne nennen wir das Recht der Unternehmungen und ihrer
Geſchäfte im Unterſchiede von dem der Wirthſchaft und ihrer Verträge
das allgemeine Handelsrecht.

Aus dieſer Natur des Handelsrechts folgt nun auch der Inhalt
ſeines Syſtems. Daſſelbe zerfällt in drei Theile. Das Unternehmen
als Perſönlichkeit iſt die Firma. Sie hat die Fähigkeit in ſich, wie
das Unternehmen das ſie vertritt, nicht bloß in einzelner Perſon, ſon-
dern als eine organiſirte Geſellſchaft, ja als ein Verein aufzutreten.

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[377/0401] raſche Bewegung des Umlaufs fordert für die Ordnung beider Elemente eine in jedem Punkte feſtſtehende objektive Gültigkeit. Dieſe nun kann ſich der Handel nicht ſelber geben. Der Staat muß ſie zum Gegenſtande eigener Geſetzgebung machen; allein gerade, weil ſie aus der Natur des Handels unmittelbar hervorgehen, fordert der letztere bei der Verwirklichung der auf dieſe Weiſe geſetzlich beſtimmten recht- lichen Ordnung des Handels eine ſelbſtthätige Mitwirkung, die aller- dings je nach dem ſpeciellen Gebiete eine ſpecielle Geſtalt hat. Und die Geſammtheit der dadurch bedingten Beſtimmungen und Einrich- tungen nennen wir die als öffentlich geltendes Recht formulirte Handelsordnung. Sie iſt das eigentliche Gebiet der Verwaltung des Handels; und die Entwicklung ihrer beiden Grundlagen ergibt ſo- mit das, was wir das Syſtem derſelben zu nennen haben. Handelsrecht und Gericht. Das allgemeine Handelsrecht iſt dasjenige, welches aus der Natur des Handels an ſich folgend, für alle Theile und Gebiete des Handelsverkehrs gleichmäßig gültig iſt. Es iſt nicht möglich, das all- gemeine Weſen und die Stellung des Handelsrechts in der Wiſſenſchaft zu beſtimmen, wenn man es nicht in ſein Verhältniß zum übrigen bürgerlichen Rechte ſtellt. Die tiefen Unterſchiede beider beruhen auf folgenden Punkten. Während das bürgerliche Recht die einzelne Perſönlichkeit als Rechtsſubjekt anerkennt, erſcheint im Handelsrechte als das Rechtsſub- jekt das Unternehmen. Der Verkehr der einzelnen Perſönlichkeiten im bürgerlichen Recht erſcheint als Vertrag; der Vertrag, den die Unternehmungen ſchließen, iſt dagegen ein Geſchäft. Der Inhalt eines Vertrages wird grundſätzlich nur von dem wohlerwogenen Willen des Contrahenten beſtimmt; das Geſchäft iſt ſeinem Weſen nach und wird daher auch ſtets im Handelsverkehr aufgefaßt als bedingt von allen andern Geſchäften, die ihm voraufgehen oder nachfolgen. Wie daher das wirthſchaftliche Weſen des Geſchäfts ein anderes iſt als das des Vertrages, ſo iſt auch das Recht deſſelben ein beſonderes. Und in dieſem Sinne nennen wir das Recht der Unternehmungen und ihrer Geſchäfte im Unterſchiede von dem der Wirthſchaft und ihrer Verträge das allgemeine Handelsrecht. Aus dieſer Natur des Handelsrechts folgt nun auch der Inhalt ſeines Syſtems. Daſſelbe zerfällt in drei Theile. Das Unternehmen als Perſönlichkeit iſt die Firma. Sie hat die Fähigkeit in ſich, wie das Unternehmen das ſie vertritt, nicht bloß in einzelner Perſon, ſon- dern als eine organiſirte Geſellſchaft, ja als ein Verein aufzutreten.

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/401>, abgerufen am 22.11.2024.