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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

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b) Die Specialität.

Aus der Priorität ergibt sich von selbst der Grundsatz, daß jedes
eingetragene Pfandrecht, um ein Eigenthum am Werthe constatiren zu
können, sich auf ein bestimmt angegebenes Gut mit einem bestimmt
angegebenen Betrage beziehen müsse. Der römische Grundsatz der
Hypotheca omnium bonorum ist mit dem Wesen des Realcredits un-
vereinbar, und wird daher in allen deutschen Grundbuchsgesetzen aus-
drücklich, theils indirekt wie in der englischen, welche nur eine bestimmte
Schuld eintragen läßt, beseitigt. Die weitere Consequenz ist die Auf-
hebung der gesetzlichen Hypotheken schon darum, weil die meisten
nur auf unbestimmte Summen lauten.

Priorität und Specialität sind nur noch specifische Grundsätze des
Hypothekenrechts; von dem Eigenthumsrecht ist bei ihnen noch keine
Rede. Sie beziehen sich daher auch nur noch auf den Einzelcredit, und
bilden damit das Element und die Aufgabe des ersten Theiles der Ge-
schichte des Grundbuchsrechts. Der zweite Theil beginnt da, wo die
Verwaltung auch die Voraussetzung des Werthes der Forderung in
den Eigenthums- und Besitzverhältnissen erkennt, und daher auch diese
in das Grundbuchswesen als Legalität und Publicität systematisch auf-
nimmt, ohne natürlich das Recht der Priorität und Specialität für
die Pfandschulden damit anzugreifen.

Geschichte der Beseitigung der Generalhypothek (Mittermaier §. 265).
Unbestimmtheit der Hypothekenordnung für den Fall, wo die Hypothek mit
ungetheilter Summe auf mehrere Güter eingetragen ist. In einigen Hypo-
thekenordnungen noch Fortbestand der Generalhypothek, jedoch unter Beschrän-
kungen. Oldenburg: §. 51. -- Braunschweig (Gesetz von 1823) §. 1. --
Das französische Recht hat sie einfach erhalten (vergl. Mascher S. 636 ff.;
Götz, Gutachtliche Vorschläge S. 28; Matern, volkswirthschaftliche Aufgaben
der landwirthschaftlichen Hypothekeninstitute).

c) Die Legalität.

Die Legalität des Grundbuchs ist nun das für alle Theile
desselben geltende Princip, daß gegenüber dem bürgerlichen Rechte und
seinen Grundsätzen jeder Erwerb von dinglichen Rechten wirk-
lich nur durch das Grundbuch und nach den Regeln des Grund-
buchsverfahrens
stattfindet, während jeder auf das unbewegliche
Eigenthum bezügliche Vertrag ohne Eintragung nur ein persönliches
Recht gegen die Verpflichteten begründet.

Es gehört nun schon ein hoher Grad von Entwicklung des Credit-
lebens einerseits und des Verständnisses desselben andererseits dazu, um
diese Legalität in ihrem vollen Umfange zur Geltung kommen zu lassen.

b) Die Specialität.

Aus der Priorität ergibt ſich von ſelbſt der Grundſatz, daß jedes
eingetragene Pfandrecht, um ein Eigenthum am Werthe conſtatiren zu
können, ſich auf ein beſtimmt angegebenes Gut mit einem beſtimmt
angegebenen Betrage beziehen müſſe. Der römiſche Grundſatz der
Hypotheca omnium bonorum iſt mit dem Weſen des Realcredits un-
vereinbar, und wird daher in allen deutſchen Grundbuchsgeſetzen aus-
drücklich, theils indirekt wie in der engliſchen, welche nur eine beſtimmte
Schuld eintragen läßt, beſeitigt. Die weitere Conſequenz iſt die Auf-
hebung der geſetzlichen Hypotheken ſchon darum, weil die meiſten
nur auf unbeſtimmte Summen lauten.

Priorität und Specialität ſind nur noch ſpecifiſche Grundſätze des
Hypothekenrechts; von dem Eigenthumsrecht iſt bei ihnen noch keine
Rede. Sie beziehen ſich daher auch nur noch auf den Einzelcredit, und
bilden damit das Element und die Aufgabe des erſten Theiles der Ge-
ſchichte des Grundbuchsrechts. Der zweite Theil beginnt da, wo die
Verwaltung auch die Vorausſetzung des Werthes der Forderung in
den Eigenthums- und Beſitzverhältniſſen erkennt, und daher auch dieſe
in das Grundbuchsweſen als Legalität und Publicität ſyſtematiſch auf-
nimmt, ohne natürlich das Recht der Priorität und Specialität für
die Pfandſchulden damit anzugreifen.

Geſchichte der Beſeitigung der Generalhypothek (Mittermaier §. 265).
Unbeſtimmtheit der Hypothekenordnung für den Fall, wo die Hypothek mit
ungetheilter Summe auf mehrere Güter eingetragen iſt. In einigen Hypo-
thekenordnungen noch Fortbeſtand der Generalhypothek, jedoch unter Beſchrän-
kungen. Oldenburg: §. 51. — Braunſchweig (Geſetz von 1823) §. 1. —
Das franzöſiſche Recht hat ſie einfach erhalten (vergl. Maſcher S. 636 ff.;
Götz, Gutachtliche Vorſchläge S. 28; Matern, volkswirthſchaftliche Aufgaben
der landwirthſchaftlichen Hypothekeninſtitute).

c) Die Legalität.

Die Legalität des Grundbuchs iſt nun das für alle Theile
deſſelben geltende Princip, daß gegenüber dem bürgerlichen Rechte und
ſeinen Grundſätzen jeder Erwerb von dinglichen Rechten wirk-
lich nur durch das Grundbuch und nach den Regeln des Grund-
buchsverfahrens
ſtattfindet, während jeder auf das unbewegliche
Eigenthum bezügliche Vertrag ohne Eintragung nur ein perſönliches
Recht gegen die Verpflichteten begründet.

Es gehört nun ſchon ein hoher Grad von Entwicklung des Credit-
lebens einerſeits und des Verſtändniſſes deſſelben andererſeits dazu, um
dieſe Legalität in ihrem vollen Umfange zur Geltung kommen zu laſſen.

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[274/0298] b) Die Specialität. Aus der Priorität ergibt ſich von ſelbſt der Grundſatz, daß jedes eingetragene Pfandrecht, um ein Eigenthum am Werthe conſtatiren zu können, ſich auf ein beſtimmt angegebenes Gut mit einem beſtimmt angegebenen Betrage beziehen müſſe. Der römiſche Grundſatz der Hypotheca omnium bonorum iſt mit dem Weſen des Realcredits un- vereinbar, und wird daher in allen deutſchen Grundbuchsgeſetzen aus- drücklich, theils indirekt wie in der engliſchen, welche nur eine beſtimmte Schuld eintragen läßt, beſeitigt. Die weitere Conſequenz iſt die Auf- hebung der geſetzlichen Hypotheken ſchon darum, weil die meiſten nur auf unbeſtimmte Summen lauten. Priorität und Specialität ſind nur noch ſpecifiſche Grundſätze des Hypothekenrechts; von dem Eigenthumsrecht iſt bei ihnen noch keine Rede. Sie beziehen ſich daher auch nur noch auf den Einzelcredit, und bilden damit das Element und die Aufgabe des erſten Theiles der Ge- ſchichte des Grundbuchsrechts. Der zweite Theil beginnt da, wo die Verwaltung auch die Vorausſetzung des Werthes der Forderung in den Eigenthums- und Beſitzverhältniſſen erkennt, und daher auch dieſe in das Grundbuchsweſen als Legalität und Publicität ſyſtematiſch auf- nimmt, ohne natürlich das Recht der Priorität und Specialität für die Pfandſchulden damit anzugreifen. Geſchichte der Beſeitigung der Generalhypothek (Mittermaier §. 265). Unbeſtimmtheit der Hypothekenordnung für den Fall, wo die Hypothek mit ungetheilter Summe auf mehrere Güter eingetragen iſt. In einigen Hypo- thekenordnungen noch Fortbeſtand der Generalhypothek, jedoch unter Beſchrän- kungen. Oldenburg: §. 51. — Braunſchweig (Geſetz von 1823) §. 1. — Das franzöſiſche Recht hat ſie einfach erhalten (vergl. Maſcher S. 636 ff.; Götz, Gutachtliche Vorſchläge S. 28; Matern, volkswirthſchaftliche Aufgaben der landwirthſchaftlichen Hypothekeninſtitute). c) Die Legalität. Die Legalität des Grundbuchs iſt nun das für alle Theile deſſelben geltende Princip, daß gegenüber dem bürgerlichen Rechte und ſeinen Grundſätzen jeder Erwerb von dinglichen Rechten wirk- lich nur durch das Grundbuch und nach den Regeln des Grund- buchsverfahrens ſtattfindet, während jeder auf das unbewegliche Eigenthum bezügliche Vertrag ohne Eintragung nur ein perſönliches Recht gegen die Verpflichteten begründet. Es gehört nun ſchon ein hoher Grad von Entwicklung des Credit- lebens einerſeits und des Verſtändniſſes deſſelben andererſeits dazu, um dieſe Legalität in ihrem vollen Umfange zur Geltung kommen zu laſſen.

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/298>, abgerufen am 12.05.2024.