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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

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Standpunkt in Zweifel gezogen werden konnte. Bei der theilweisen und gänz-
lichen Auflösung hielt jedoch die deutsche Grundbuchsordnung um so entschie-
dener an dem Grundsatz der gerichtlichen Bescheide fest, als dieselbe mit wenig
Ausnahmen die Legalität auch für das Eigenthum forderte. Streit darüber
bei Mascher S. 690 ff. Vergl. Mittermaier a. a. O. §. 263. Haftung
der Hypothekbehörden (Mittermaier §. 267; Code Civ. Art. 2197 ff.). Die
formelle Frage nach Inscription und Transscription Mascher S. 699; erstere
nur in Frankreich und England nothwendig, nach deutschem System mehr als
überflüssig. Ueber die großen Kosten des Grundbuchverfahrens f. Ran, Volks-
wirthschaftspflege a. a. O. In Frankreich schon Hauteville (de la revision
du Syst. hypothecaire
1843); dann Enquete von 1846 ohne Erfolg; dann
neuer Kampf (Wolowsky, Revue de legislat. et jurisprud. 1852; vergl.
Dünkelberg, Landwirthschaft und Capital, 1860; zu kurz Mascher S. 803).
-- Wichtig ist die Gesetzgebung über grundbücherliches Verfahren bei Zerthei-
lung
von Liegenschaften: österreich. Gesetz vom 6. Febr. 1869.

4) Das Grundbuchsrecht.

Das Grundbuchsrecht ist nun seinem formellen Begriffe nach die
Gesammtheit von Rechten, welche mit den einzelnen Akten des
eben bezeichneten Grundbuchsverfahrens verbunden sind.

Seinem Wesen nach ist das Grundbuchsrecht, als Theil des Ver-
waltungsrechts, die Gesammtheit derjenigen Modifikationen des
bürgerlichen Pfand-
und in zweiter Reihe Erwerbs- und Besitz-
rechtes
unbeweglicher Güter, welche durch die Natur des öffentlichen
oder allgemeinen Realcredits im Gegensatze zum Einzeldarlehen gefor-
dert sind.

Es gibt daher im römischen Recht überhaupt kein Grundbuchsrecht.
Die bürgerlichen Gesetzbücher der germanischen Welt aber haben das
Grundbuchsrecht meistens ganz oder doch zum Theil in sich aufgenom-
men, und dadurch das Verständniß des öffentlichen Charakters desselben
und seiner Begründung im Creditwesen sehr erschwert, so daß die ganze
Behandlung des Grundbuchsrechts sich in bei weitem überwiegendem
Grade als Interpretation der bürgerlichen Gesetze herausstellt. Daher
der Mangel an selbständiger wissenschaftlicher Behandlung, den nur
die Lehre vom Credit in der Verwaltungslehre zu heben vermag.

Dennoch ist man über die selbständigen Elemente des Grund-
buchsrechts im wesentlichen einig, wenn man dasselbe auch noch nicht
immer von dem Grundbuchsverfahren zu unterscheiden vermag. Jene
Elemente stehen in einem historischen Verhältniß zu einander, und
müssen daher auch nicht als einfaches Nebeneinander, sondern als inner-
lich bedingtes Ganze aufgefaßt werden. Sie sind die Priorität, die
Specialität, die Legalität und die Publicität, welche gemeinsam nur

Standpunkt in Zweifel gezogen werden konnte. Bei der theilweiſen und gänz-
lichen Auflöſung hielt jedoch die deutſche Grundbuchsordnung um ſo entſchie-
dener an dem Grundſatz der gerichtlichen Beſcheide feſt, als dieſelbe mit wenig
Ausnahmen die Legalität auch für das Eigenthum forderte. Streit darüber
bei Maſcher S. 690 ff. Vergl. Mittermaier a. a. O. §. 263. Haftung
der Hypothekbehörden (Mittermaier §. 267; Code Civ. Art. 2197 ff.). Die
formelle Frage nach Inſcription und Transſcription Maſcher S. 699; erſtere
nur in Frankreich und England nothwendig, nach deutſchem Syſtem mehr als
überflüſſig. Ueber die großen Koſten des Grundbuchverfahrens f. Ran, Volks-
wirthſchaftspflege a. a. O. In Frankreich ſchon Hauteville (de la revision
du Syst. hypothécaire
1843); dann Enquête von 1846 ohne Erfolg; dann
neuer Kampf (Wolowsky, Revue de législat. et jurisprud. 1852; vergl.
Dünkelberg, Landwirthſchaft und Capital, 1860; zu kurz Maſcher S. 803).
— Wichtig iſt die Geſetzgebung über grundbücherliches Verfahren bei Zerthei-
lung
von Liegenſchaften: öſterreich. Geſetz vom 6. Febr. 1869.

4) Das Grundbuchsrecht.

Das Grundbuchsrecht iſt nun ſeinem formellen Begriffe nach die
Geſammtheit von Rechten, welche mit den einzelnen Akten des
eben bezeichneten Grundbuchsverfahrens verbunden ſind.

Seinem Weſen nach iſt das Grundbuchsrecht, als Theil des Ver-
waltungsrechts, die Geſammtheit derjenigen Modifikationen des
bürgerlichen Pfand-
und in zweiter Reihe Erwerbs- und Beſitz-
rechtes
unbeweglicher Güter, welche durch die Natur des öffentlichen
oder allgemeinen Realcredits im Gegenſatze zum Einzeldarlehen gefor-
dert ſind.

Es gibt daher im römiſchen Recht überhaupt kein Grundbuchsrecht.
Die bürgerlichen Geſetzbücher der germaniſchen Welt aber haben das
Grundbuchsrecht meiſtens ganz oder doch zum Theil in ſich aufgenom-
men, und dadurch das Verſtändniß des öffentlichen Charakters deſſelben
und ſeiner Begründung im Creditweſen ſehr erſchwert, ſo daß die ganze
Behandlung des Grundbuchsrechts ſich in bei weitem überwiegendem
Grade als Interpretation der bürgerlichen Geſetze herausſtellt. Daher
der Mangel an ſelbſtändiger wiſſenſchaftlicher Behandlung, den nur
die Lehre vom Credit in der Verwaltungslehre zu heben vermag.

Dennoch iſt man über die ſelbſtändigen Elemente des Grund-
buchsrechts im weſentlichen einig, wenn man daſſelbe auch noch nicht
immer von dem Grundbuchsverfahren zu unterſcheiden vermag. Jene
Elemente ſtehen in einem hiſtoriſchen Verhältniß zu einander, und
müſſen daher auch nicht als einfaches Nebeneinander, ſondern als inner-
lich bedingtes Ganze aufgefaßt werden. Sie ſind die Priorität, die
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[272/0296] Standpunkt in Zweifel gezogen werden konnte. Bei der theilweiſen und gänz- lichen Auflöſung hielt jedoch die deutſche Grundbuchsordnung um ſo entſchie- dener an dem Grundſatz der gerichtlichen Beſcheide feſt, als dieſelbe mit wenig Ausnahmen die Legalität auch für das Eigenthum forderte. Streit darüber bei Maſcher S. 690 ff. Vergl. Mittermaier a. a. O. §. 263. Haftung der Hypothekbehörden (Mittermaier §. 267; Code Civ. Art. 2197 ff.). Die formelle Frage nach Inſcription und Transſcription Maſcher S. 699; erſtere nur in Frankreich und England nothwendig, nach deutſchem Syſtem mehr als überflüſſig. Ueber die großen Koſten des Grundbuchverfahrens f. Ran, Volks- wirthſchaftspflege a. a. O. In Frankreich ſchon Hauteville (de la revision du Syst. hypothécaire 1843); dann Enquête von 1846 ohne Erfolg; dann neuer Kampf (Wolowsky, Revue de législat. et jurisprud. 1852; vergl. Dünkelberg, Landwirthſchaft und Capital, 1860; zu kurz Maſcher S. 803). — Wichtig iſt die Geſetzgebung über grundbücherliches Verfahren bei Zerthei- lung von Liegenſchaften: öſterreich. Geſetz vom 6. Febr. 1869. 4) Das Grundbuchsrecht. Das Grundbuchsrecht iſt nun ſeinem formellen Begriffe nach die Geſammtheit von Rechten, welche mit den einzelnen Akten des eben bezeichneten Grundbuchsverfahrens verbunden ſind. Seinem Weſen nach iſt das Grundbuchsrecht, als Theil des Ver- waltungsrechts, die Geſammtheit derjenigen Modifikationen des bürgerlichen Pfand- und in zweiter Reihe Erwerbs- und Beſitz- rechtes unbeweglicher Güter, welche durch die Natur des öffentlichen oder allgemeinen Realcredits im Gegenſatze zum Einzeldarlehen gefor- dert ſind. Es gibt daher im römiſchen Recht überhaupt kein Grundbuchsrecht. Die bürgerlichen Geſetzbücher der germaniſchen Welt aber haben das Grundbuchsrecht meiſtens ganz oder doch zum Theil in ſich aufgenom- men, und dadurch das Verſtändniß des öffentlichen Charakters deſſelben und ſeiner Begründung im Creditweſen ſehr erſchwert, ſo daß die ganze Behandlung des Grundbuchsrechts ſich in bei weitem überwiegendem Grade als Interpretation der bürgerlichen Geſetze herausſtellt. Daher der Mangel an ſelbſtändiger wiſſenſchaftlicher Behandlung, den nur die Lehre vom Credit in der Verwaltungslehre zu heben vermag. Dennoch iſt man über die ſelbſtändigen Elemente des Grund- buchsrechts im weſentlichen einig, wenn man daſſelbe auch noch nicht immer von dem Grundbuchsverfahren zu unterſcheiden vermag. Jene Elemente ſtehen in einem hiſtoriſchen Verhältniß zu einander, und müſſen daher auch nicht als einfaches Nebeneinander, ſondern als inner- lich bedingtes Ganze aufgefaßt werden. Sie ſind die Priorität, die Specialität, die Legalität und die Publicität, welche gemeinſam nur

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/296>, abgerufen am 13.05.2024.