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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

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nicht von Bedeutung. Von den Territorialrechten haben nur Rönne, Staats-
recht II. §. 396 und Stubenrauch, Verwaltungsgesetzkunde II. S. 531 dar-
auf Rücksicht genommen; der erstere faßt das Ganze leider nur als "Gewerbe"
auf, der letztere gibt einen Auszug aus dem Editto, ohne Eingehen auf die
Sache. -- Die Bestimmungen über Verhüten des Zusammenstoßens der
Schiffe auf offener See: Gegenstand der Gesetzgebung und internationale Ver-
träge (s. Preußen, Gesetz vom 22. Febr. 1864); Zustimmung der übrigen
Seestaaten; Organisirung des Schifffahrtswesens und eigene Schifffahrtsord-
nung (Gesetz vom 26. März 1864).

A. Seerecht. Wesen und Gebiete.

Das Seerecht umfaßt daher die Gesammtheit derjenigen Modisi-
kationen des bürgerlichen Sachen-, Personen- und Vertragsrechts, welche
durch die Natur des Schiffes und der Schifffahrt gefordert werden,
und die mithin als rechtliche Bedingungen des Seeverkehrs zum gelten-
den öffentlichen Recht erhoben sind. Das Gebiet des Seerechts ist
demnach strenge begränzt auf die Rechtsverhältnisse zwischen den
einzelnen
bei der Schifffahrt betheiligten Personen; daß in die See-
gesetze auch Gegenstände des Seeverwaltungsrechts aufgenommen sind,
ändert natürlich an der Sache nichts. Die Gebiete desselben sind
folgende.

a) Das specifische seerechtliche Sachenrecht erscheint für das
Schiff in den Bestimmungen über den Bielbrief (Eigenthumsrecht),
der Bodmerei (Seepfandrecht) und dem Abandon (Recht des Casus).
Für die Ladung in dem Recht des Seewurfs (lex Rhodia), dem
Strandrecht und dem Bergerecht.

b) Das seerechtliche Personenrecht ist in dem Rechte des Ca-
pitäns über die Mannschaft gegeben, speciell in dem Disciplinar-
Strafrecht desselben, in dem Strafrecht für Desertion, und der
strengen Organisation des Rechts auf Befehl und Gehorsam.

c) Das seerechtliche Vertragsrecht enthält zwei große Theile.
Der erste ist einerseits das Recht der Fahrt zwischen Capitän und
Eigenthümer, und andererseits das Recht der Verfrachtung zwischen
Schiffer und Rheder. Der zweite ist das wichtige Gebiet der See-
versicherung
, die hier vermöge der besondern Verhältnisse des Scha-
dens zur See (der Havarie), eine eigenthümliche, höchst entwickelte
Gestalt des Schadenversicherungswesens, und mit ihr eine ausgebildete
Gesetzgebung und Jurisprudenz erzeugt.

d) Die Elemente dieses Rechts sind nun schon in den alten See-
rechten vorhanden; die große Entwicklung der transatlantischen Schiff-
fahrt hat dazu das letzte Element als organisches Mittel der Sicherung

nicht von Bedeutung. Von den Territorialrechten haben nur Rönne, Staats-
recht II. §. 396 und Stubenrauch, Verwaltungsgeſetzkunde II. S. 531 dar-
auf Rückſicht genommen; der erſtere faßt das Ganze leider nur als „Gewerbe“
auf, der letztere gibt einen Auszug aus dem Editto, ohne Eingehen auf die
Sache. — Die Beſtimmungen über Verhüten des Zuſammenſtoßens der
Schiffe auf offener See: Gegenſtand der Geſetzgebung und internationale Ver-
träge (ſ. Preußen, Geſetz vom 22. Febr. 1864); Zuſtimmung der übrigen
Seeſtaaten; Organiſirung des Schifffahrtsweſens und eigene Schifffahrtsord-
nung (Geſetz vom 26. März 1864).

A. Seerecht. Weſen und Gebiete.

Das Seerecht umfaßt daher die Geſammtheit derjenigen Modiſi-
kationen des bürgerlichen Sachen-, Perſonen- und Vertragsrechts, welche
durch die Natur des Schiffes und der Schifffahrt gefordert werden,
und die mithin als rechtliche Bedingungen des Seeverkehrs zum gelten-
den öffentlichen Recht erhoben ſind. Das Gebiet des Seerechts iſt
demnach ſtrenge begränzt auf die Rechtsverhältniſſe zwiſchen den
einzelnen
bei der Schifffahrt betheiligten Perſonen; daß in die See-
geſetze auch Gegenſtände des Seeverwaltungsrechts aufgenommen ſind,
ändert natürlich an der Sache nichts. Die Gebiete deſſelben ſind
folgende.

a) Das ſpecifiſche ſeerechtliche Sachenrecht erſcheint für das
Schiff in den Beſtimmungen über den Bielbrief (Eigenthumsrecht),
der Bodmerei (Seepfandrecht) und dem Abandon (Recht des Caſus).
Für die Ladung in dem Recht des Seewurfs (lex Rhodia), dem
Strandrecht und dem Bergerecht.

b) Das ſeerechtliche Perſonenrecht iſt in dem Rechte des Ca-
pitäns über die Mannſchaft gegeben, ſpeciell in dem Disciplinar-
Strafrecht deſſelben, in dem Strafrecht für Deſertion, und der
ſtrengen Organiſation des Rechts auf Befehl und Gehorſam.

c) Das ſeerechtliche Vertragsrecht enthält zwei große Theile.
Der erſte iſt einerſeits das Recht der Fahrt zwiſchen Capitän und
Eigenthümer, und andererſeits das Recht der Verfrachtung zwiſchen
Schiffer und Rheder. Der zweite iſt das wichtige Gebiet der See-
verſicherung
, die hier vermöge der beſondern Verhältniſſe des Scha-
dens zur See (der Havarie), eine eigenthümliche, höchſt entwickelte
Geſtalt des Schadenverſicherungsweſens, und mit ihr eine ausgebildete
Geſetzgebung und Jurisprudenz erzeugt.

d) Die Elemente dieſes Rechts ſind nun ſchon in den alten See-
rechten vorhanden; die große Entwicklung der transatlantiſchen Schiff-
fahrt hat dazu das letzte Element als organiſches Mittel der Sicherung

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[191/0215] nicht von Bedeutung. Von den Territorialrechten haben nur Rönne, Staats- recht II. §. 396 und Stubenrauch, Verwaltungsgeſetzkunde II. S. 531 dar- auf Rückſicht genommen; der erſtere faßt das Ganze leider nur als „Gewerbe“ auf, der letztere gibt einen Auszug aus dem Editto, ohne Eingehen auf die Sache. — Die Beſtimmungen über Verhüten des Zuſammenſtoßens der Schiffe auf offener See: Gegenſtand der Geſetzgebung und internationale Ver- träge (ſ. Preußen, Geſetz vom 22. Febr. 1864); Zuſtimmung der übrigen Seeſtaaten; Organiſirung des Schifffahrtsweſens und eigene Schifffahrtsord- nung (Geſetz vom 26. März 1864). A. Seerecht. Weſen und Gebiete. Das Seerecht umfaßt daher die Geſammtheit derjenigen Modiſi- kationen des bürgerlichen Sachen-, Perſonen- und Vertragsrechts, welche durch die Natur des Schiffes und der Schifffahrt gefordert werden, und die mithin als rechtliche Bedingungen des Seeverkehrs zum gelten- den öffentlichen Recht erhoben ſind. Das Gebiet des Seerechts iſt demnach ſtrenge begränzt auf die Rechtsverhältniſſe zwiſchen den einzelnen bei der Schifffahrt betheiligten Perſonen; daß in die See- geſetze auch Gegenſtände des Seeverwaltungsrechts aufgenommen ſind, ändert natürlich an der Sache nichts. Die Gebiete deſſelben ſind folgende. a) Das ſpecifiſche ſeerechtliche Sachenrecht erſcheint für das Schiff in den Beſtimmungen über den Bielbrief (Eigenthumsrecht), der Bodmerei (Seepfandrecht) und dem Abandon (Recht des Caſus). Für die Ladung in dem Recht des Seewurfs (lex Rhodia), dem Strandrecht und dem Bergerecht. b) Das ſeerechtliche Perſonenrecht iſt in dem Rechte des Ca- pitäns über die Mannſchaft gegeben, ſpeciell in dem Disciplinar- Strafrecht deſſelben, in dem Strafrecht für Deſertion, und der ſtrengen Organiſation des Rechts auf Befehl und Gehorſam. c) Das ſeerechtliche Vertragsrecht enthält zwei große Theile. Der erſte iſt einerſeits das Recht der Fahrt zwiſchen Capitän und Eigenthümer, und andererſeits das Recht der Verfrachtung zwiſchen Schiffer und Rheder. Der zweite iſt das wichtige Gebiet der See- verſicherung, die hier vermöge der beſondern Verhältniſſe des Scha- dens zur See (der Havarie), eine eigenthümliche, höchſt entwickelte Geſtalt des Schadenverſicherungsweſens, und mit ihr eine ausgebildete Geſetzgebung und Jurisprudenz erzeugt. d) Die Elemente dieſes Rechts ſind nun ſchon in den alten See- rechten vorhanden; die große Entwicklung der transatlantiſchen Schiff- fahrt hat dazu das letzte Element als organiſches Mittel der Sicherung

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/215>, abgerufen am 30.11.2024.