des römischen Rechts. Der leitende Gedanke desselben ist dabei, daß das Wasser, wenn es nicht ausdrücklich als öffentlich anerkannt ist, Accessorium des Grundes und Bodens sei. Mit diesem Princip tritt es in die germanische Rechtsbildung. Hier traf es zusammen mit dem Princip der Grundherrlichkeit einerseits und der Lehenshoheit anderer- seits. Aus dem ersten entwickelt sich der Gedanke, daß auch das fließende Wasser Eigenthum des Grundherrn sei, so weit sein Grund- besitz reicht; aus dem zweiten der Grundsatz, daß auch dieses Recht unter der Hoheit des obersten Lehnsherrn stehe, dem vermöge seiner Lehnshoheit daher alles fließende Wasser, auch die Flüsse, Ströme, ja die Meere unterstehen. Das erste erzeugt dann das grundherr- liche (germanische) Wasserrecht, dessen Princip es ist, den an sich öffent- lichen Gebrauch des fließenden Wassers zum Privateigenthum der herr- schaftlichen Grundbesitzer des Ufers zu machen. Das zweite erzeugt dagegen den Gedanken des Wasser-Regals, der hier wie immer zuerst das bloße Obereigenthum bedeutet, aber mit dem sechzehnten und siebenzehnten Jahrhundert sich zu der Idee erhebt, daß der König oder die "Krone" vermöge dieses Regals nicht bloß den Rechtstitel, sondern auch die Pflicht habe, das Wasserwesen im öffentlichen Interesse durch seine Bestimmungen zu ordnen. So entstehen jetzt drei Richtungen; die erste behandelt das Wasser als Eigenthum (römisches Recht), die zweite als grundherrliches Recht (deutsches Privatrecht), die dritte als öffentliches Recht (Wasserregal als "Hoheit" im jus publicum), die sich gegenseitig kreuzen und verwirren. Daraus ergibt sich denn schon im siebenzehnten Jahrhundert das Bedürfniß, diesen Zustand durch ein einheitliches Wassergesetz zu ordnen. Den ersten Versuch macht Frankreich, dem im achtzehnten Jahrhundert mehrere deutsche Staaten folgen. Allein eine feste Ordnung entsteht nicht, und zwar deßhalb nicht, weil diese Wassergesetzgebungen das Princip des grundherrlichen Wasserrechts bestehen lassen und dadurch ihr Hauptobjekt, gerade die kleinen fließenden Gewässer, verlieren, die nach wie vor mit ihrem an sich öffentlichen Gebrauch Gegenstand des Privateigenthums und Privat- rechts bleiben. Auch in unserem Jahrhundert bleibt man lange Zeit in Gesetzgebung und Wissenschaft bei diesem Standpunkt und all seiner Ver- wirrung stehen, welche er in Auffassung und Folgerung mit sich bringt. Erst in dem letzten Jahrzehent tritt das wahre Verständniß ein, welches als Grundlage des Wasserwesens der Zukunft anerkannt werden muß und dessen Inhalt sich in drei Punkten zusammenfassen läßt.
Es gibt nicht bloß ein Privateigenthum am Wasser, sondern es kann auch ein historisch erworbenes Privatrecht an dem öffentlichen Gebrauch desselben geben. Das ist das Wasserrecht.
des römiſchen Rechts. Der leitende Gedanke deſſelben iſt dabei, daß das Waſſer, wenn es nicht ausdrücklich als öffentlich anerkannt iſt, Acceſſorium des Grundes und Bodens ſei. Mit dieſem Princip tritt es in die germaniſche Rechtsbildung. Hier traf es zuſammen mit dem Princip der Grundherrlichkeit einerſeits und der Lehenshoheit anderer- ſeits. Aus dem erſten entwickelt ſich der Gedanke, daß auch das fließende Waſſer Eigenthum des Grundherrn ſei, ſo weit ſein Grund- beſitz reicht; aus dem zweiten der Grundſatz, daß auch dieſes Recht unter der Hoheit des oberſten Lehnsherrn ſtehe, dem vermöge ſeiner Lehnshoheit daher alles fließende Waſſer, auch die Flüſſe, Ströme, ja die Meere unterſtehen. Das erſte erzeugt dann das grundherr- liche (germaniſche) Waſſerrecht, deſſen Princip es iſt, den an ſich öffent- lichen Gebrauch des fließenden Waſſers zum Privateigenthum der herr- ſchaftlichen Grundbeſitzer des Ufers zu machen. Das zweite erzeugt dagegen den Gedanken des Waſſer-Regals, der hier wie immer zuerſt das bloße Obereigenthum bedeutet, aber mit dem ſechzehnten und ſiebenzehnten Jahrhundert ſich zu der Idee erhebt, daß der König oder die „Krone“ vermöge dieſes Regals nicht bloß den Rechtstitel, ſondern auch die Pflicht habe, das Waſſerweſen im öffentlichen Intereſſe durch ſeine Beſtimmungen zu ordnen. So entſtehen jetzt drei Richtungen; die erſte behandelt das Waſſer als Eigenthum (römiſches Recht), die zweite als grundherrliches Recht (deutſches Privatrecht), die dritte als öffentliches Recht (Waſſerregal als „Hoheit“ im jus publicum), die ſich gegenſeitig kreuzen und verwirren. Daraus ergibt ſich denn ſchon im ſiebenzehnten Jahrhundert das Bedürfniß, dieſen Zuſtand durch ein einheitliches Waſſergeſetz zu ordnen. Den erſten Verſuch macht Frankreich, dem im achtzehnten Jahrhundert mehrere deutſche Staaten folgen. Allein eine feſte Ordnung entſteht nicht, und zwar deßhalb nicht, weil dieſe Waſſergeſetzgebungen das Princip des grundherrlichen Waſſerrechts beſtehen laſſen und dadurch ihr Hauptobjekt, gerade die kleinen fließenden Gewäſſer, verlieren, die nach wie vor mit ihrem an ſich öffentlichen Gebrauch Gegenſtand des Privateigenthums und Privat- rechts bleiben. Auch in unſerem Jahrhundert bleibt man lange Zeit in Geſetzgebung und Wiſſenſchaft bei dieſem Standpunkt und all ſeiner Ver- wirrung ſtehen, welche er in Auffaſſung und Folgerung mit ſich bringt. Erſt in dem letzten Jahrzehent tritt das wahre Verſtändniß ein, welches als Grundlage des Waſſerweſens der Zukunft anerkannt werden muß und deſſen Inhalt ſich in drei Punkten zuſammenfaſſen läßt.
Es gibt nicht bloß ein Privateigenthum am Waſſer, ſondern es kann auch ein hiſtoriſch erworbenes Privatrecht an dem öffentlichen Gebrauch deſſelben geben. Das iſt das Waſſerrecht.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><p><pbfacs="#f0179"n="155"/>
des römiſchen Rechts. Der leitende Gedanke deſſelben iſt dabei, daß<lb/>
das Waſſer, wenn es nicht ausdrücklich als öffentlich anerkannt iſt,<lb/>
Acceſſorium des Grundes und Bodens ſei. Mit dieſem Princip tritt<lb/>
es in die germaniſche Rechtsbildung. Hier traf es zuſammen mit dem<lb/>
Princip der Grundherrlichkeit einerſeits und der Lehenshoheit anderer-<lb/>ſeits. Aus dem erſten entwickelt ſich der Gedanke, daß auch das<lb/><hirendition="#g">fließende</hi> Waſſer Eigenthum des Grundherrn ſei, ſo weit ſein Grund-<lb/>
beſitz reicht; aus dem zweiten der Grundſatz, daß auch <hirendition="#g">dieſes</hi> Recht<lb/>
unter der Hoheit des oberſten Lehnsherrn ſtehe, dem vermöge ſeiner<lb/>
Lehnshoheit daher <hirendition="#g">alles</hi> fließende Waſſer, auch die Flüſſe, Ströme,<lb/>
ja die Meere unterſtehen. Das erſte erzeugt dann das <hirendition="#g">grundherr-<lb/>
liche</hi> (germaniſche) Waſſerrecht, deſſen Princip es iſt, den an ſich öffent-<lb/>
lichen Gebrauch des fließenden Waſſers zum Privateigenthum der herr-<lb/>ſchaftlichen Grundbeſitzer des Ufers zu machen. Das zweite erzeugt<lb/>
dagegen den Gedanken des <hirendition="#g">Waſſer-Regals</hi>, der hier wie immer<lb/>
zuerſt das bloße Obereigenthum bedeutet, aber mit dem ſechzehnten und<lb/>ſiebenzehnten Jahrhundert ſich zu der Idee erhebt, daß der König oder<lb/>
die „Krone“ vermöge dieſes Regals nicht bloß den Rechtstitel, ſondern<lb/>
auch die <hirendition="#g">Pflicht</hi> habe, das Waſſerweſen im öffentlichen Intereſſe durch<lb/>ſeine Beſtimmungen zu ordnen. So entſtehen jetzt <hirendition="#g">drei</hi> Richtungen;<lb/>
die erſte behandelt das Waſſer als Eigenthum (römiſches Recht), die<lb/>
zweite als grundherrliches Recht (deutſches Privatrecht), die dritte als<lb/>
öffentliches Recht (Waſſerregal als „Hoheit“ im <hirendition="#aq">jus publicum</hi>), die<lb/>ſich gegenſeitig kreuzen und verwirren. Daraus ergibt ſich denn ſchon<lb/>
im ſiebenzehnten Jahrhundert das Bedürfniß, dieſen Zuſtand durch<lb/>
ein einheitliches Waſſergeſetz zu ordnen. Den erſten Verſuch macht<lb/>
Frankreich, dem im achtzehnten Jahrhundert mehrere deutſche Staaten<lb/>
folgen. Allein eine feſte Ordnung entſteht nicht, und zwar deßhalb<lb/>
nicht, weil dieſe Waſſergeſetzgebungen das Princip des grundherrlichen<lb/>
Waſſerrechts <hirendition="#g">beſtehen</hi> laſſen und dadurch ihr Hauptobjekt, gerade die<lb/>
kleinen fließenden Gewäſſer, verlieren, die nach wie vor mit ihrem an<lb/>ſich öffentlichen Gebrauch Gegenſtand des Privateigenthums und Privat-<lb/>
rechts bleiben. Auch in unſerem Jahrhundert bleibt man lange Zeit in<lb/>
Geſetzgebung und Wiſſenſchaft bei dieſem Standpunkt und all ſeiner Ver-<lb/>
wirrung ſtehen, welche er in Auffaſſung und Folgerung mit ſich bringt.<lb/>
Erſt in dem letzten Jahrzehent tritt das wahre Verſtändniß ein, welches<lb/>
als Grundlage des Waſſerweſens der Zukunft anerkannt werden muß<lb/>
und deſſen Inhalt ſich in drei Punkten zuſammenfaſſen läßt.</p><lb/><p>Es gibt nicht bloß ein Privateigenthum am Waſſer, ſondern es<lb/>
kann auch ein hiſtoriſch erworbenes Privatrecht an dem öffentlichen<lb/>
Gebrauch deſſelben geben. Das iſt das <hirendition="#g">Waſſerrecht</hi>.</p><lb/></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[155/0179]
des römiſchen Rechts. Der leitende Gedanke deſſelben iſt dabei, daß
das Waſſer, wenn es nicht ausdrücklich als öffentlich anerkannt iſt,
Acceſſorium des Grundes und Bodens ſei. Mit dieſem Princip tritt
es in die germaniſche Rechtsbildung. Hier traf es zuſammen mit dem
Princip der Grundherrlichkeit einerſeits und der Lehenshoheit anderer-
ſeits. Aus dem erſten entwickelt ſich der Gedanke, daß auch das
fließende Waſſer Eigenthum des Grundherrn ſei, ſo weit ſein Grund-
beſitz reicht; aus dem zweiten der Grundſatz, daß auch dieſes Recht
unter der Hoheit des oberſten Lehnsherrn ſtehe, dem vermöge ſeiner
Lehnshoheit daher alles fließende Waſſer, auch die Flüſſe, Ströme,
ja die Meere unterſtehen. Das erſte erzeugt dann das grundherr-
liche (germaniſche) Waſſerrecht, deſſen Princip es iſt, den an ſich öffent-
lichen Gebrauch des fließenden Waſſers zum Privateigenthum der herr-
ſchaftlichen Grundbeſitzer des Ufers zu machen. Das zweite erzeugt
dagegen den Gedanken des Waſſer-Regals, der hier wie immer
zuerſt das bloße Obereigenthum bedeutet, aber mit dem ſechzehnten und
ſiebenzehnten Jahrhundert ſich zu der Idee erhebt, daß der König oder
die „Krone“ vermöge dieſes Regals nicht bloß den Rechtstitel, ſondern
auch die Pflicht habe, das Waſſerweſen im öffentlichen Intereſſe durch
ſeine Beſtimmungen zu ordnen. So entſtehen jetzt drei Richtungen;
die erſte behandelt das Waſſer als Eigenthum (römiſches Recht), die
zweite als grundherrliches Recht (deutſches Privatrecht), die dritte als
öffentliches Recht (Waſſerregal als „Hoheit“ im jus publicum), die
ſich gegenſeitig kreuzen und verwirren. Daraus ergibt ſich denn ſchon
im ſiebenzehnten Jahrhundert das Bedürfniß, dieſen Zuſtand durch
ein einheitliches Waſſergeſetz zu ordnen. Den erſten Verſuch macht
Frankreich, dem im achtzehnten Jahrhundert mehrere deutſche Staaten
folgen. Allein eine feſte Ordnung entſteht nicht, und zwar deßhalb
nicht, weil dieſe Waſſergeſetzgebungen das Princip des grundherrlichen
Waſſerrechts beſtehen laſſen und dadurch ihr Hauptobjekt, gerade die
kleinen fließenden Gewäſſer, verlieren, die nach wie vor mit ihrem an
ſich öffentlichen Gebrauch Gegenſtand des Privateigenthums und Privat-
rechts bleiben. Auch in unſerem Jahrhundert bleibt man lange Zeit in
Geſetzgebung und Wiſſenſchaft bei dieſem Standpunkt und all ſeiner Ver-
wirrung ſtehen, welche er in Auffaſſung und Folgerung mit ſich bringt.
Erſt in dem letzten Jahrzehent tritt das wahre Verſtändniß ein, welches
als Grundlage des Waſſerweſens der Zukunft anerkannt werden muß
und deſſen Inhalt ſich in drei Punkten zuſammenfaſſen läßt.
Es gibt nicht bloß ein Privateigenthum am Waſſer, ſondern es
kann auch ein hiſtoriſch erworbenes Privatrecht an dem öffentlichen
Gebrauch deſſelben geben. Das iſt das Waſſerrecht.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/179>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.