hundert im Ministerium (für Cultus und Unterricht) zum verfassungs- mäßigen Verwaltungsorganismus wird. Anfänglich beherrscht dann die Regierung in dieser Form das ganze Bildungswesen fast ausschließ- lich, bis mit der freieren Entwicklung auch hier die Selbstverwaltung und das Vereinswesen thätig auftreten, und sich neben dem öffent- lichen Bildungswesen auch das private entwickelt, das in der Form von Unternehmungen aller Art auftritt. Damit entsteht die Frage nach dem Verhältniß dieser Organe und der Einzelthätigkeit gegenüber dem Organismus der Einheit, die man gewöhnlich als die Frage der Frei- heit des Bildungswesens bezeichnet.
Das Princip dieser Freiheit ist nun im Allgemeinen das Recht der Selbstverwaltung, der Vereine und des Einzelnen, die Bildung nach eigner Ansicht und Methode zu erzeugen. Die Idee der geistigen Ein- heit des Bildungswesens erscheint dem gegenüber in der Oberaufsicht der Regierung. Diese Oberaufsicht ist dann wieder je nach den drei Gebieten, in denselben je nach ihren einzelnen Theilen sehr verschieden; ihr gemeinsamer Grundsatz ist aber der, daß die Regierung auf Grund- lage der Gesetze einerseits die geistigen Gefährdungen der Gesittung zu hindern (Bildungspolizei in allen Gebieten) und andrerseits das Minimum der Bildung festzustellen und zu constatiren hat, das die Gemeinschaft von dem Einzelnen überhaupt oder von dem Manne eines bestimmten Berufes zu fordern berechtigt ist. Die große und namentlich praktische Frage nach dem rechtlichen Verhältniß, in welchem dem gemäß die Organe der Regierung als Vertreter der Einheit zu denen der Selbst- verwaltung, der Vereine und dem Einzelnen stehen, ist in Form und Inhalt eine so vielfache, daß sich nichts weiter im Allgemeinen darüber sagen läßt, als daß der Natur der Sache nach die Fachbildungsanstalten Sache der Regierung, die Volks- und Vorbildungsanstalten Sache der Selbstverwaltung, Fortbildungsanstalten für ganz specielle Gebiete Sache der Vereine, die Presse Sache des Einzelnen ist, ohne daß objektiv eine scharfe Gränze gezogen werden könnte. In der Art und Weise aber, wie sich diese Thätigkeiten faktisch in einem Lande vertheilen, spiegelt sich theils die Geschichte des Volkes, theils seine Nationalität in bedeutsamer Weise ab.
Alle diese Ordnungen haben nun in jedem Volke wieder ihre indi- viduelle Gestalt. Der Charakter derselben in den drei Haupt-Cultur- völkern Europas ist der folgende.
Der amtliche Organismus des Bildungswesens im Anfange dieses Jahr- hunderts: Malchus, Politik Bd. I. Neueste Zeit: Brachelli, Staatenkunde Europas S. 533 ff. Für Preußen speciell: Rönne, Unterrichtswesen der preußischen Monarchie. Oesterreich: Brachelli, das Kaiserthum Oester- reich 1868.
hundert im Miniſterium (für Cultus und Unterricht) zum verfaſſungs- mäßigen Verwaltungsorganismus wird. Anfänglich beherrſcht dann die Regierung in dieſer Form das ganze Bildungsweſen faſt ausſchließ- lich, bis mit der freieren Entwicklung auch hier die Selbſtverwaltung und das Vereinsweſen thätig auftreten, und ſich neben dem öffent- lichen Bildungsweſen auch das private entwickelt, das in der Form von Unternehmungen aller Art auftritt. Damit entſteht die Frage nach dem Verhältniß dieſer Organe und der Einzelthätigkeit gegenüber dem Organismus der Einheit, die man gewöhnlich als die Frage der Frei- heit des Bildungsweſens bezeichnet.
Das Princip dieſer Freiheit iſt nun im Allgemeinen das Recht der Selbſtverwaltung, der Vereine und des Einzelnen, die Bildung nach eigner Anſicht und Methode zu erzeugen. Die Idee der geiſtigen Ein- heit des Bildungsweſens erſcheint dem gegenüber in der Oberaufſicht der Regierung. Dieſe Oberaufſicht iſt dann wieder je nach den drei Gebieten, in denſelben je nach ihren einzelnen Theilen ſehr verſchieden; ihr gemeinſamer Grundſatz iſt aber der, daß die Regierung auf Grund- lage der Geſetze einerſeits die geiſtigen Gefährdungen der Geſittung zu hindern (Bildungspolizei in allen Gebieten) und andrerſeits das Minimum der Bildung feſtzuſtellen und zu conſtatiren hat, das die Gemeinſchaft von dem Einzelnen überhaupt oder von dem Manne eines beſtimmten Berufes zu fordern berechtigt iſt. Die große und namentlich praktiſche Frage nach dem rechtlichen Verhältniß, in welchem dem gemäß die Organe der Regierung als Vertreter der Einheit zu denen der Selbſt- verwaltung, der Vereine und dem Einzelnen ſtehen, iſt in Form und Inhalt eine ſo vielfache, daß ſich nichts weiter im Allgemeinen darüber ſagen läßt, als daß der Natur der Sache nach die Fachbildungsanſtalten Sache der Regierung, die Volks- und Vorbildungsanſtalten Sache der Selbſtverwaltung, Fortbildungsanſtalten für ganz ſpecielle Gebiete Sache der Vereine, die Preſſe Sache des Einzelnen iſt, ohne daß objektiv eine ſcharfe Gränze gezogen werden könnte. In der Art und Weiſe aber, wie ſich dieſe Thätigkeiten faktiſch in einem Lande vertheilen, ſpiegelt ſich theils die Geſchichte des Volkes, theils ſeine Nationalität in bedeutſamer Weiſe ab.
Alle dieſe Ordnungen haben nun in jedem Volke wieder ihre indi- viduelle Geſtalt. Der Charakter derſelben in den drei Haupt-Cultur- völkern Europas iſt der folgende.
Der amtliche Organismus des Bildungsweſens im Anfange dieſes Jahr- hunderts: Malchus, Politik Bd. I. Neueſte Zeit: Brachelli, Staatenkunde Europas S. 533 ff. Für Preußen ſpeciell: Rönne, Unterrichtsweſen der preußiſchen Monarchie. Oeſterreich: Brachelli, das Kaiſerthum Oeſter- reich 1868.
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hundert im Miniſterium (für Cultus und Unterricht) zum verfaſſungs-
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lich, bis mit der freieren Entwicklung auch hier die Selbſtverwaltung
und das Vereinsweſen thätig auftreten, und ſich neben dem öffent-
lichen Bildungsweſen auch das private entwickelt, das in der Form von
Unternehmungen aller Art auftritt. Damit entſteht die Frage nach
dem Verhältniß dieſer Organe und der Einzelthätigkeit gegenüber dem
Organismus der Einheit, die man gewöhnlich als die Frage der Frei-
heit des Bildungsweſens bezeichnet.
Das Princip dieſer Freiheit iſt nun im Allgemeinen das Recht der
Selbſtverwaltung, der Vereine und des Einzelnen, die Bildung nach
eigner Anſicht und Methode zu erzeugen. Die Idee der geiſtigen Ein-
heit des Bildungsweſens erſcheint dem gegenüber in der Oberaufſicht
der Regierung. Dieſe Oberaufſicht iſt dann wieder je nach den drei
Gebieten, in denſelben je nach ihren einzelnen Theilen ſehr verſchieden;
ihr gemeinſamer Grundſatz iſt aber der, daß die Regierung auf Grund-
lage der Geſetze einerſeits die geiſtigen Gefährdungen der Geſittung zu
hindern (Bildungspolizei in allen Gebieten) und andrerſeits das Minimum
der Bildung feſtzuſtellen und zu conſtatiren hat, das die Gemeinſchaft
von dem Einzelnen überhaupt oder von dem Manne eines beſtimmten
Berufes zu fordern berechtigt iſt. Die große und namentlich praktiſche
Frage nach dem rechtlichen Verhältniß, in welchem dem gemäß die
Organe der Regierung als Vertreter der Einheit zu denen der Selbſt-
verwaltung, der Vereine und dem Einzelnen ſtehen, iſt in Form und
Inhalt eine ſo vielfache, daß ſich nichts weiter im Allgemeinen darüber
ſagen läßt, als daß der Natur der Sache nach die Fachbildungsanſtalten
Sache der Regierung, die Volks- und Vorbildungsanſtalten Sache der
Selbſtverwaltung, Fortbildungsanſtalten für ganz ſpecielle Gebiete Sache
der Vereine, die Preſſe Sache des Einzelnen iſt, ohne daß objektiv eine
ſcharfe Gränze gezogen werden könnte. In der Art und Weiſe aber, wie ſich
dieſe Thätigkeiten faktiſch in einem Lande vertheilen, ſpiegelt ſich theils die
Geſchichte des Volkes, theils ſeine Nationalität in bedeutſamer Weiſe ab.
Alle dieſe Ordnungen haben nun in jedem Volke wieder ihre indi-
viduelle Geſtalt. Der Charakter derſelben in den drei Haupt-Cultur-
völkern Europas iſt der folgende.
Der amtliche Organismus des Bildungsweſens im Anfange dieſes Jahr-
hunderts: Malchus, Politik Bd. I. Neueſte Zeit: Brachelli, Staatenkunde
Europas S. 533 ff. Für Preußen ſpeciell: Rönne, Unterrichtsweſen der
preußiſchen Monarchie. Oeſterreich: Brachelli, das Kaiſerthum Oeſter-
reich 1868.
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/139>, abgerufen am 28.11.2024.
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