enthält die Grundsätze, nach denen der Einzelne berufen und berechtigt wird, die mangelnde Persönlichkeit zu ersetzen; das bürgerliche Recht die einzelnen Folgen, welche diese Vertretung sowohl im Verkehr mit Dritten als im Verhältniß zu dem Vertreter erzeugt. Die historische Entwicklung der Rechtswissenschaft hat es mit sich gebracht, daß die wissenschaftliche Behandlung aller drei Gebiete nie als ein Ganzes auf- gefaßt worden ist, und daß man den Inhalt derselben stets ausschließlich als einen Theil des Privatrechts angesehen hat; trotzdem daß ander- seits die Gesetzgebung über Verlassenschaft und Concurswesen ihren ganz selbständigen Weg gegangen sind. Erst das Verständniß der inneren Verwaltung wird diesem großen Gebiete als dem Schlußpunkt der Sorge für das persönliche Leben des Einzelnen seinen richtigen Platz und damit seine Behandlung anweisen. Vor der Hand muß man den Inhalt dieses Rechts theils im Privatrecht, theils im sogenannten außergerichtlichen Verfahren suchen, auf die wir hier verweisen dürfen.
B. Die Verwaltung und das geistige Leben.
(Das Bildungswesen.)
Begriff der Bildung und des Bildungswesens.
Das zweite große Gebiet der Verwaltung des persönlichen Lebens ist gegeben durch das zweite Element aller Persönlichkeit, den Geist und seine Entwicklung.
Den bestimmten Zustand der geistigen Entwicklung des Einzelnen als die Gesammtsumme der von ihm erworbenen geistigen Güter nennen wir die Bildung. Es ist kein Zweifel, daß die Bildung den höchsten Werth für jeden Einzelnen hat; sie ist zugleich die Bedingung und die Consequenz alles Fortschrittes; ihr Maß und ihre Tiefe sind das Maß und der Werth des Einzelnen überhaupt. Sie hat daher ihre eigenen Gesetze und ihre eigenen Gebiete, und erfüllt das ganze menschliche Da- sein mit ihrem geistigen Inhalt. Allein auch in dieser Bildung ist der Mensch kein alleinstehendes Wesen. Es hängt auch hier von allen andern ab, und wirkt mit ihr auf alle andern ein. Diese Gemeinschaft der [ - 2 Zeichen fehlen]ldung nennen wir die Gesittung; die Gesittung ist die Bildung aller Einzelnen als die wichtigste Thatsache des öffentlichen Lebens. Damit aber ergibt sich, daß der Einzelne weder dazu bestimmt noch auch dazu fähig ist, seine Bildung für sich allein zu erwerben oder zu behal[ - 2 Zeichen fehlen]n. Wie die wichtigsten Bedingungen derselben, so liegen auch
enthält die Grundſätze, nach denen der Einzelne berufen und berechtigt wird, die mangelnde Perſönlichkeit zu erſetzen; das bürgerliche Recht die einzelnen Folgen, welche dieſe Vertretung ſowohl im Verkehr mit Dritten als im Verhältniß zu dem Vertreter erzeugt. Die hiſtoriſche Entwicklung der Rechtswiſſenſchaft hat es mit ſich gebracht, daß die wiſſenſchaftliche Behandlung aller drei Gebiete nie als ein Ganzes auf- gefaßt worden iſt, und daß man den Inhalt derſelben ſtets ausſchließlich als einen Theil des Privatrechts angeſehen hat; trotzdem daß ander- ſeits die Geſetzgebung über Verlaſſenſchaft und Concursweſen ihren ganz ſelbſtändigen Weg gegangen ſind. Erſt das Verſtändniß der inneren Verwaltung wird dieſem großen Gebiete als dem Schlußpunkt der Sorge für das perſönliche Leben des Einzelnen ſeinen richtigen Platz und damit ſeine Behandlung anweiſen. Vor der Hand muß man den Inhalt dieſes Rechts theils im Privatrecht, theils im ſogenannten außergerichtlichen Verfahren ſuchen, auf die wir hier verweiſen dürfen.
B. Die Verwaltung und das geiſtige Leben.
(Das Bildungsweſen.)
Begriff der Bildung und des Bildungsweſens.
Das zweite große Gebiet der Verwaltung des perſönlichen Lebens iſt gegeben durch das zweite Element aller Perſönlichkeit, den Geiſt und ſeine Entwicklung.
Den beſtimmten Zuſtand der geiſtigen Entwicklung des Einzelnen als die Geſammtſumme der von ihm erworbenen geiſtigen Güter nennen wir die Bildung. Es iſt kein Zweifel, daß die Bildung den höchſten Werth für jeden Einzelnen hat; ſie iſt zugleich die Bedingung und die Conſequenz alles Fortſchrittes; ihr Maß und ihre Tiefe ſind das Maß und der Werth des Einzelnen überhaupt. Sie hat daher ihre eigenen Geſetze und ihre eigenen Gebiete, und erfüllt das ganze menſchliche Da- ſein mit ihrem geiſtigen Inhalt. Allein auch in dieſer Bildung iſt der Menſch kein alleinſtehendes Weſen. Es hängt auch hier von allen andern ab, und wirkt mit ihr auf alle andern ein. Dieſe Gemeinſchaft der [ – 2 Zeichen fehlen]ldung nennen wir die Geſittung; die Geſittung iſt die Bildung aller Einzelnen als die wichtigſte Thatſache des öffentlichen Lebens. Damit aber ergibt ſich, daß der Einzelne weder dazu beſtimmt noch auch dazu fähig iſt, ſeine Bildung für ſich allein zu erwerben oder zu behal[ – 2 Zeichen fehlen]n. Wie die wichtigſten Bedingungen derſelben, ſo liegen auch
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enthält die Grundſätze, nach denen der Einzelne berufen und berechtigt
wird, die mangelnde Perſönlichkeit zu erſetzen; das bürgerliche Recht
die einzelnen Folgen, welche dieſe Vertretung ſowohl im Verkehr mit
Dritten als im Verhältniß zu dem Vertreter erzeugt. Die hiſtoriſche
Entwicklung der Rechtswiſſenſchaft hat es mit ſich gebracht, daß die
wiſſenſchaftliche Behandlung aller drei Gebiete nie als ein Ganzes auf-
gefaßt worden iſt, und daß man den Inhalt derſelben ſtets ausſchließlich
als einen Theil des Privatrechts angeſehen hat; trotzdem daß ander-
ſeits die Geſetzgebung über Verlaſſenſchaft und Concursweſen ihren ganz
ſelbſtändigen Weg gegangen ſind. Erſt das Verſtändniß der inneren
Verwaltung wird dieſem großen Gebiete als dem Schlußpunkt der Sorge
für das perſönliche Leben des Einzelnen ſeinen richtigen Platz und damit
ſeine Behandlung anweiſen. Vor der Hand muß man den Inhalt dieſes
Rechts theils im Privatrecht, theils im ſogenannten außergerichtlichen
Verfahren ſuchen, auf die wir hier verweiſen dürfen.
B.
Die Verwaltung und das geiſtige Leben.
(Das Bildungsweſen.)
Begriff der Bildung und des Bildungsweſens.
Das zweite große Gebiet der Verwaltung des perſönlichen Lebens
iſt gegeben durch das zweite Element aller Perſönlichkeit, den Geiſt und
ſeine Entwicklung.
Den beſtimmten Zuſtand der geiſtigen Entwicklung des Einzelnen
als die Geſammtſumme der von ihm erworbenen geiſtigen Güter nennen
wir die Bildung. Es iſt kein Zweifel, daß die Bildung den höchſten
Werth für jeden Einzelnen hat; ſie iſt zugleich die Bedingung und die
Conſequenz alles Fortſchrittes; ihr Maß und ihre Tiefe ſind das Maß
und der Werth des Einzelnen überhaupt. Sie hat daher ihre eigenen
Geſetze und ihre eigenen Gebiete, und erfüllt das ganze menſchliche Da-
ſein mit ihrem geiſtigen Inhalt. Allein auch in dieſer Bildung iſt der
Menſch kein alleinſtehendes Weſen. Es hängt auch hier von allen andern
ab, und wirkt mit ihr auf alle andern ein. Dieſe Gemeinſchaft der
__ldung nennen wir die Geſittung; die Geſittung iſt die Bildung
aller Einzelnen als die wichtigſte Thatſache des öffentlichen Lebens.
Damit aber ergibt ſich, daß der Einzelne weder dazu beſtimmt noch
auch dazu fähig iſt, ſeine Bildung für ſich allein zu erwerben oder zu
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/131>, abgerufen am 28.11.2024.
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