Punkte erscheinen theils in den großen Sanitätsordnungen des vorigen Jahr- hunderts, theils in ganz einzelnen Vorschriften. In unserem Jahrhundert bilden sich auf Grundlage der Wissenschaft namentlich nur die Giftpolizei, die in Giftsorten und Geheimmittelpolizei sehr genaue und zweckmäßige Bestimmungen enthält, und andererseits die Begräbniß- und Todten- polizei mit genauen Vorschriften über Leichenkammern. Daneben hat die Strafgesetzgebung in der Bestrafung culposer Gefährdungen der Gesund- heit ein zweites Schutzsystem entwickelt, das namentlich durch Art. 471 des Code Penal begründet, die Sicherheitspolizei in die Gesundheitspolizei hinüber- führt. Uebrigens liegt es in der Natur der Sache, daß das Wichtigste dabei nur von der Thätigkeit der Selbstverwaltung ausgehen kann, die bisher fast nur in den großen Städten gehörig entwickelt ist, aber hier die eben so schwierige als wichtige Aufgabe hat, die Gefährdung der Gesundheit der ärmeren Classen durch billige, aber gefährliche Nahrungsmittel zu begreifen und zu hindern (s. über das ganze Gebiet Stein, Gesundheitswesen S. 51 ff.).
II. Die Gesundheitspflege.
Die Aufgabe und das Wesen der Gesundheitspflege, der Gesund- heitspolizei gegenüber selbständig aufgefaßt, besteht darin, einerseits diejenigen Verhältnisse des Verkehrs im weitesten Sinne zu beseitigen, welche langsam aber sicher die Gesundheit gefährden und untergraben, andererseits solche Anstalten und Einrichtungen des öffentlichen Lebens herzustellen, welche als allgemeine Bedingungen der Sicherung und Entwicklung der öffentlichen Gesundheit betrachtet werden müssen. Hier liegt das Gebiet, wo das höhere Verständniß des öffentlichen Werthes der Gesundheit aller Einzelnen beginnt und wo die Wissenschaft diesem Verständniß zu Hülfe kommen und Mittel und Wege für das große Ziel angeben muß. Es liegt daher in der Natur der Sache, daß das Gebiet das jüngste und unentwickeltste des ganzen Gesundheitswesens ist; seine Anerkennung liegt noch mehr im Gefühle als in dem System der Gesetze und dem der Maßregeln der Verwaltung; es ist klar, daß gerade hier die Wissenschaft (wesentlich durch ärztliche Vereine) die ge- fährlichen oder nützlichen Thatsachen und die Principien des Fortschrittes aufstellen, die Gesetzgebung die leitenden Grundsätze geben und die Selbstverwaltung sie ausführen soll. Hier ist noch unendlich viel zu thun; doch sind die Grundlagen des Gebietes bereits angedeutet.
Man kann dieselbe eintheilen in die Gesundheitspflege für die Erziehung, für das Bau- und Wohnungswesen und für die Ge- werbe. Die Gesundheitspflege der Erziehung ist zugleich ein Theil der gesellschaftlichen Verwaltung; sie erscheint in den Krippen und Warteschulen, dann in der Sorge für die Schulräume, dann in der physischen Erziehung des Turnwesens, endlich aber in den,
Punkte erſcheinen theils in den großen Sanitätsordnungen des vorigen Jahr- hunderts, theils in ganz einzelnen Vorſchriften. In unſerem Jahrhundert bilden ſich auf Grundlage der Wiſſenſchaft namentlich nur die Giftpolizei, die in Giftſorten und Geheimmittelpolizei ſehr genaue und zweckmäßige Beſtimmungen enthält, und andererſeits die Begräbniß- und Todten- polizei mit genauen Vorſchriften über Leichenkammern. Daneben hat die Strafgeſetzgebung in der Beſtrafung culpoſer Gefährdungen der Geſund- heit ein zweites Schutzſyſtem entwickelt, das namentlich durch Art. 471 des Code Pénal begründet, die Sicherheitspolizei in die Geſundheitspolizei hinüber- führt. Uebrigens liegt es in der Natur der Sache, daß das Wichtigſte dabei nur von der Thätigkeit der Selbſtverwaltung ausgehen kann, die bisher faſt nur in den großen Städten gehörig entwickelt iſt, aber hier die eben ſo ſchwierige als wichtige Aufgabe hat, die Gefährdung der Geſundheit der ärmeren Claſſen durch billige, aber gefährliche Nahrungsmittel zu begreifen und zu hindern (ſ. über das ganze Gebiet Stein, Geſundheitsweſen S. 51 ff.).
II. Die Geſundheitspflege.
Die Aufgabe und das Weſen der Geſundheitspflege, der Geſund- heitspolizei gegenüber ſelbſtändig aufgefaßt, beſteht darin, einerſeits diejenigen Verhältniſſe des Verkehrs im weiteſten Sinne zu beſeitigen, welche langſam aber ſicher die Geſundheit gefährden und untergraben, andererſeits ſolche Anſtalten und Einrichtungen des öffentlichen Lebens herzuſtellen, welche als allgemeine Bedingungen der Sicherung und Entwicklung der öffentlichen Geſundheit betrachtet werden müſſen. Hier liegt das Gebiet, wo das höhere Verſtändniß des öffentlichen Werthes der Geſundheit aller Einzelnen beginnt und wo die Wiſſenſchaft dieſem Verſtändniß zu Hülfe kommen und Mittel und Wege für das große Ziel angeben muß. Es liegt daher in der Natur der Sache, daß das Gebiet das jüngſte und unentwickeltſte des ganzen Geſundheitsweſens iſt; ſeine Anerkennung liegt noch mehr im Gefühle als in dem Syſtem der Geſetze und dem der Maßregeln der Verwaltung; es iſt klar, daß gerade hier die Wiſſenſchaft (weſentlich durch ärztliche Vereine) die ge- fährlichen oder nützlichen Thatſachen und die Principien des Fortſchrittes aufſtellen, die Geſetzgebung die leitenden Grundſätze geben und die Selbſtverwaltung ſie ausführen ſoll. Hier iſt noch unendlich viel zu thun; doch ſind die Grundlagen des Gebietes bereits angedeutet.
Man kann dieſelbe eintheilen in die Geſundheitspflege für die Erziehung, für das Bau- und Wohnungsweſen und für die Ge- werbe. Die Geſundheitspflege der Erziehung iſt zugleich ein Theil der geſellſchaftlichen Verwaltung; ſie erſcheint in den Krippen und Warteſchulen, dann in der Sorge für die Schulräume, dann in der phyſiſchen Erziehung des Turnweſens, endlich aber in den,
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hunderts, theils in ganz einzelnen Vorſchriften. In unſerem Jahrhundert
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die in Giftſorten und Geheimmittelpolizei ſehr genaue und zweckmäßige
Beſtimmungen enthält, und andererſeits die Begräbniß- und Todten-
polizei mit genauen Vorſchriften über Leichenkammern. Daneben hat die
Strafgeſetzgebung in der Beſtrafung culpoſer Gefährdungen der Geſund-
heit ein zweites Schutzſyſtem entwickelt, das namentlich durch Art. 471 des
Code Pénal begründet, die Sicherheitspolizei in die Geſundheitspolizei hinüber-
führt. Uebrigens liegt es in der Natur der Sache, daß das Wichtigſte dabei
nur von der Thätigkeit der Selbſtverwaltung ausgehen kann, die bisher
faſt nur in den großen Städten gehörig entwickelt iſt, aber hier die eben
ſo ſchwierige als wichtige Aufgabe hat, die Gefährdung der Geſundheit der
ärmeren Claſſen durch billige, aber gefährliche Nahrungsmittel zu begreifen und
zu hindern (ſ. über das ganze Gebiet Stein, Geſundheitsweſen S. 51 ff.).
II. Die Geſundheitspflege.
Die Aufgabe und das Weſen der Geſundheitspflege, der Geſund-
heitspolizei gegenüber ſelbſtändig aufgefaßt, beſteht darin, einerſeits
diejenigen Verhältniſſe des Verkehrs im weiteſten Sinne zu beſeitigen,
welche langſam aber ſicher die Geſundheit gefährden und untergraben,
andererſeits ſolche Anſtalten und Einrichtungen des öffentlichen Lebens
herzuſtellen, welche als allgemeine Bedingungen der Sicherung und
Entwicklung der öffentlichen Geſundheit betrachtet werden müſſen. Hier
liegt das Gebiet, wo das höhere Verſtändniß des öffentlichen Werthes
der Geſundheit aller Einzelnen beginnt und wo die Wiſſenſchaft dieſem
Verſtändniß zu Hülfe kommen und Mittel und Wege für das große
Ziel angeben muß. Es liegt daher in der Natur der Sache, daß das
Gebiet das jüngſte und unentwickeltſte des ganzen Geſundheitsweſens
iſt; ſeine Anerkennung liegt noch mehr im Gefühle als in dem Syſtem
der Geſetze und dem der Maßregeln der Verwaltung; es iſt klar, daß
gerade hier die Wiſſenſchaft (weſentlich durch ärztliche Vereine) die ge-
fährlichen oder nützlichen Thatſachen und die Principien des Fortſchrittes
aufſtellen, die Geſetzgebung die leitenden Grundſätze geben und die
Selbſtverwaltung ſie ausführen ſoll. Hier iſt noch unendlich viel zu
thun; doch ſind die Grundlagen des Gebietes bereits angedeutet.
Man kann dieſelbe eintheilen in die Geſundheitspflege für die
Erziehung, für das Bau- und Wohnungsweſen und für die Ge-
werbe. Die Geſundheitspflege der Erziehung iſt zugleich ein Theil
der geſellſchaftlichen Verwaltung; ſie erſcheint in den Krippen und
Warteſchulen, dann in der Sorge für die Schulräume, dann in
der phyſiſchen Erziehung des Turnweſens, endlich aber in den,
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/112>, abgerufen am 26.11.2024.
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