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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

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der nichtbesitzenden Klasse; und so gehen wir allmählig aus dem Sta-
dium des negativen Gesundheitswesens in das positive hinüber, das
schon bei der Schule beginnend unser ganzes öffentliches Leben durch-
dringen wird.

Allein noch immer zu sehr gewöhnt, von der Regierung zu viel
zu erwarten, haben sich die Völker bisher zu wenig mit diesem Gebiete
beschäftigt, dem keine Regierung allein genügen kann. Der allgemeine
Standpunkt ist fast allenthalben noch vorwiegend der, statt des Werthes
und der Bedingungen frischer und kräftiger Gesundheit ausschließlich
die Gefahren, Ursachen und Hebungen der Krankheiten ins Auge zu
fassen. Für das letztere kann die Regierung viel, für das erstere nur
wenig thun. Hier kann nur die freie Verwaltung helfen. Damit
beginnt sich das Gesundheitswesen definitiv zu organisiren. Der Regie-
rung bleibt die allgemeine Oberaufsicht und Leitung aller derjenigen
Elemente, welche über jede örtliche Gränze hinaus allgemein wirken.
Die örtliche Gesundheitspflege dagegen wird Sache der Selbstverwal-
tungskörper, vor allem der Gemeinde. Erst wenn die Gemeinden
erkennen, daß die Krankheiten ihrer Angehörigen sie das Zehnfache von
dem kosten, was die Gesundheit derselben kosten würde, wird es besser
werden. Es ist die wesentlichste Aufgabe des ärztlichen Vereins-
wesens
, diese Wahrheit zur Geltung zu bringen und in diesem Sinne
für die Anstrengungen zu wirken, die das herrliche Gut der öffentlichen
Gesundheit fordert. Durch das kräftige Zusammenwirken dieser Faktoren
wird es dahin kommen, daß die Wissenschaft die Principien, der Staat
die Gesetzgebung und die freie Verwaltung in Gemeinde und Vereins-
wesen die örtliche Verwirklichung des Gesundheitswesens übernehmen.
Dieser Zukunft gehen wir entgegen, und es ist kein Zweifel, daß wir
gerade in unserer Zeit mitten in einem höchst erfreulichen Uebergange
zur größeren Auffassung dieses so hochwichtigen Gebietes begriffen sind.

Literatur. Beginn des Verständnisses der Aufgabe eigentlich erst seit
P. Frank. Aber er und seine Nachfolger, Stoll, Eberhardt, Haller, Horn,
Trebuchet, Tardieu und andere sehen noch immer den Schwerpunkt des Ge-
sundheitswesens in dem Kampfe gegen Krankheiten, nicht in der Herstellung
der Faktoren der Gesundheit. Das Gesundheitswesen geht erst jetzt aus seiner
negativen in seine positive Epoche über. Ideen der hygiene populaire, mit
specieller Beziehung auf die Fabrikarbeit zuerst Gerando, Bienfais. publ. III.
p.
345 (1839). Denselben Charakter haben die Organisationen des Sanitäts-
wesens und die Medicinalgesetzgebungen.

Beginn der eigentlichen Verwaltung und Gesetzgebung für das Gesund-
heitswesen in Europa: Preußens Medicinalordnung von 1725; Medicinal-
collegium seit 1684. Zweite große Gesetzgebung: Oesterreichs Sanitäts-
normativ 1770. Beide umfassen das gesammte Gesundheitswesen. Darauf

der nichtbeſitzenden Klaſſe; und ſo gehen wir allmählig aus dem Sta-
dium des negativen Geſundheitsweſens in das poſitive hinüber, das
ſchon bei der Schule beginnend unſer ganzes öffentliches Leben durch-
dringen wird.

Allein noch immer zu ſehr gewöhnt, von der Regierung zu viel
zu erwarten, haben ſich die Völker bisher zu wenig mit dieſem Gebiete
beſchäftigt, dem keine Regierung allein genügen kann. Der allgemeine
Standpunkt iſt faſt allenthalben noch vorwiegend der, ſtatt des Werthes
und der Bedingungen friſcher und kräftiger Geſundheit ausſchließlich
die Gefahren, Urſachen und Hebungen der Krankheiten ins Auge zu
faſſen. Für das letztere kann die Regierung viel, für das erſtere nur
wenig thun. Hier kann nur die freie Verwaltung helfen. Damit
beginnt ſich das Geſundheitsweſen definitiv zu organiſiren. Der Regie-
rung bleibt die allgemeine Oberaufſicht und Leitung aller derjenigen
Elemente, welche über jede örtliche Gränze hinaus allgemein wirken.
Die örtliche Geſundheitspflege dagegen wird Sache der Selbſtverwal-
tungskörper, vor allem der Gemeinde. Erſt wenn die Gemeinden
erkennen, daß die Krankheiten ihrer Angehörigen ſie das Zehnfache von
dem koſten, was die Geſundheit derſelben koſten würde, wird es beſſer
werden. Es iſt die weſentlichſte Aufgabe des ärztlichen Vereins-
weſens
, dieſe Wahrheit zur Geltung zu bringen und in dieſem Sinne
für die Anſtrengungen zu wirken, die das herrliche Gut der öffentlichen
Geſundheit fordert. Durch das kräftige Zuſammenwirken dieſer Faktoren
wird es dahin kommen, daß die Wiſſenſchaft die Principien, der Staat
die Geſetzgebung und die freie Verwaltung in Gemeinde und Vereins-
weſen die örtliche Verwirklichung des Geſundheitsweſens übernehmen.
Dieſer Zukunft gehen wir entgegen, und es iſt kein Zweifel, daß wir
gerade in unſerer Zeit mitten in einem höchſt erfreulichen Uebergange
zur größeren Auffaſſung dieſes ſo hochwichtigen Gebietes begriffen ſind.

Literatur. Beginn des Verſtändniſſes der Aufgabe eigentlich erſt ſeit
P. Frank. Aber er und ſeine Nachfolger, Stoll, Eberhardt, Haller, Horn,
Trébuchet, Tardieu und andere ſehen noch immer den Schwerpunkt des Ge-
ſundheitsweſens in dem Kampfe gegen Krankheiten, nicht in der Herſtellung
der Faktoren der Geſundheit. Das Geſundheitsweſen geht erſt jetzt aus ſeiner
negativen in ſeine poſitive Epoche über. Ideen der hygiène populaire, mit
ſpecieller Beziehung auf die Fabrikarbeit zuerſt Gerando, Bienfais. publ. III.
p.
345 (1839). Denſelben Charakter haben die Organiſationen des Sanitäts-
weſens und die Medicinalgeſetzgebungen.

Beginn der eigentlichen Verwaltung und Geſetzgebung für das Geſund-
heitsweſen in Europa: Preußens Medicinalordnung von 1725; Medicinal-
collegium ſeit 1684. Zweite große Geſetzgebung: Oeſterreichs Sanitäts-
normativ 1770. Beide umfaſſen das geſammte Geſundheitsweſen. Darauf

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[84/0108] der nichtbeſitzenden Klaſſe; und ſo gehen wir allmählig aus dem Sta- dium des negativen Geſundheitsweſens in das poſitive hinüber, das ſchon bei der Schule beginnend unſer ganzes öffentliches Leben durch- dringen wird. Allein noch immer zu ſehr gewöhnt, von der Regierung zu viel zu erwarten, haben ſich die Völker bisher zu wenig mit dieſem Gebiete beſchäftigt, dem keine Regierung allein genügen kann. Der allgemeine Standpunkt iſt faſt allenthalben noch vorwiegend der, ſtatt des Werthes und der Bedingungen friſcher und kräftiger Geſundheit ausſchließlich die Gefahren, Urſachen und Hebungen der Krankheiten ins Auge zu faſſen. Für das letztere kann die Regierung viel, für das erſtere nur wenig thun. Hier kann nur die freie Verwaltung helfen. Damit beginnt ſich das Geſundheitsweſen definitiv zu organiſiren. Der Regie- rung bleibt die allgemeine Oberaufſicht und Leitung aller derjenigen Elemente, welche über jede örtliche Gränze hinaus allgemein wirken. Die örtliche Geſundheitspflege dagegen wird Sache der Selbſtverwal- tungskörper, vor allem der Gemeinde. Erſt wenn die Gemeinden erkennen, daß die Krankheiten ihrer Angehörigen ſie das Zehnfache von dem koſten, was die Geſundheit derſelben koſten würde, wird es beſſer werden. Es iſt die weſentlichſte Aufgabe des ärztlichen Vereins- weſens, dieſe Wahrheit zur Geltung zu bringen und in dieſem Sinne für die Anſtrengungen zu wirken, die das herrliche Gut der öffentlichen Geſundheit fordert. Durch das kräftige Zuſammenwirken dieſer Faktoren wird es dahin kommen, daß die Wiſſenſchaft die Principien, der Staat die Geſetzgebung und die freie Verwaltung in Gemeinde und Vereins- weſen die örtliche Verwirklichung des Geſundheitsweſens übernehmen. Dieſer Zukunft gehen wir entgegen, und es iſt kein Zweifel, daß wir gerade in unſerer Zeit mitten in einem höchſt erfreulichen Uebergange zur größeren Auffaſſung dieſes ſo hochwichtigen Gebietes begriffen ſind. Literatur. Beginn des Verſtändniſſes der Aufgabe eigentlich erſt ſeit P. Frank. Aber er und ſeine Nachfolger, Stoll, Eberhardt, Haller, Horn, Trébuchet, Tardieu und andere ſehen noch immer den Schwerpunkt des Ge- ſundheitsweſens in dem Kampfe gegen Krankheiten, nicht in der Herſtellung der Faktoren der Geſundheit. Das Geſundheitsweſen geht erſt jetzt aus ſeiner negativen in ſeine poſitive Epoche über. Ideen der hygiène populaire, mit ſpecieller Beziehung auf die Fabrikarbeit zuerſt Gerando, Bienfais. publ. III. p. 345 (1839). Denſelben Charakter haben die Organiſationen des Sanitäts- weſens und die Medicinalgeſetzgebungen. Beginn der eigentlichen Verwaltung und Geſetzgebung für das Geſund- heitsweſen in Europa: Preußens Medicinalordnung von 1725; Medicinal- collegium ſeit 1684. Zweite große Geſetzgebung: Oeſterreichs Sanitäts- normativ 1770. Beide umfaſſen das geſammte Geſundheitsweſen. Darauf

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/108>, abgerufen am 26.11.2024.