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Starck, Johann Friedrich: Tägliches Hand-Buch in guten und bösen Tagen. Frankfurt/Leipzig, 1749.

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GOtt wolle ihn nicht verlassen.
sich nicht erbarme über den Sohn ihres
Leibes? Und ob sie desselben vergesse, so
wil ich doch dein nicht vergessen, siehe, in
die Hände hab ich dich gezeichnet.

VErursachet es bey einem Armen eine grosse
Freude, einen reichen Wohlthäter zu haben;
bey Verlassenen, einen starcken Beystand zu haben;
so kan auch ein Krancker grosse Freudigkeit haben
in seiner Kranckheit und Leiden, weil er die Ver-
heissung hat, GOTT wolle ihn nicht verlassen.
Hiebey aber sol er mercken, 1) daß nicht ein je-
der Verzug der Hülffe ein Verlassen sey: denn
manche Krancke, wenn GOtt nicht gleich und
nach ihrer Rechnung bald hilfft, so schreyen und
sprechen sie, GOtt habe sie verlassen; allein so
sol man nicht gedencken; Hülffe, die er aufgescho-
ben, hat er drum nicht aufgehoben, hilfft er nicht
zu jeder Frist, hilfft er doch, wenns nöthig ist.
Es sol ein Krancker 2) gedencken, GOtt habe
seine Hülffs-Stunde bestimmt, darin er helffen
wil, doch biß dieselbe anbricht, sol er gedultig
warten. Er sol 3) gedencken, ob er in gesunden
Tagen auch nicht GOtt verlassen habe; was wäre
es denn Wunder, daß ihn solches GOtt jetzt em-
pfinden liesse? hieran aber wil ihn GOtt erinnern,
durch den Verzug der versprochenen Hülffe. Dar-
um bleibe der Krancke 4) dabey, daß er im Glau-
ben sage: GOtt kan mich nicht verlassen, ich bin
sein Kind: GOtt wil mich nicht verlassen, er

hat
GOtt wolle ihn nicht verlaſſen.
ſich nicht erbarme uͤber den Sohn ihres
Leibes? Und ob ſie deſſelben vergeſſe, ſo
wil ich doch dein nicht vergeſſen, ſiehe, in
die Haͤnde hab ich dich gezeichnet.

VErurſachet es bey einem Armen eine groſſe
Freude, einen reichen Wohlthaͤter zu haben;
bey Verlaſſenen, einen ſtarcken Beyſtand zu haben;
ſo kan auch ein Krancker groſſe Freudigkeit haben
in ſeiner Kranckheit und Leiden, weil er die Ver-
heiſſung hat, GOTT wolle ihn nicht verlaſſen.
Hiebey aber ſol er mercken, 1) daß nicht ein je-
der Verzug der Huͤlffe ein Verlaſſen ſey: denn
manche Krancke, wenn GOtt nicht gleich und
nach ihrer Rechnung bald hilfft, ſo ſchreyen und
ſprechen ſie, GOtt habe ſie verlaſſen; allein ſo
ſol man nicht gedencken; Huͤlffe, die er aufgeſcho-
ben, hat er drum nicht aufgehoben, hilfft er nicht
zu jeder Friſt, hilfft er doch, wenns noͤthig iſt.
Es ſol ein Krancker 2) gedencken, GOtt habe
ſeine Huͤlffs-Stunde beſtimmt, darin er helffen
wil, doch biß dieſelbe anbricht, ſol er gedultig
warten. Er ſol 3) gedencken, ob er in geſunden
Tagen auch nicht GOtt verlaſſen habe; was waͤre
es denn Wunder, daß ihn ſolches GOtt jetzt em-
pfinden lieſſe? hieran aber wil ihn GOtt erinnern,
durch den Verzug der verſprochenen Huͤlffe. Dar-
um bleibe der Krancke 4) dabey, daß er im Glau-
ben ſage: GOtt kan mich nicht verlaſſen, ich bin
ſein Kind: GOtt wil mich nicht verlaſſen, er

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[493/0521] GOtt wolle ihn nicht verlaſſen. ſich nicht erbarme uͤber den Sohn ihres Leibes? Und ob ſie deſſelben vergeſſe, ſo wil ich doch dein nicht vergeſſen, ſiehe, in die Haͤnde hab ich dich gezeichnet. VErurſachet es bey einem Armen eine groſſe Freude, einen reichen Wohlthaͤter zu haben; bey Verlaſſenen, einen ſtarcken Beyſtand zu haben; ſo kan auch ein Krancker groſſe Freudigkeit haben in ſeiner Kranckheit und Leiden, weil er die Ver- heiſſung hat, GOTT wolle ihn nicht verlaſſen. Hiebey aber ſol er mercken, 1) daß nicht ein je- der Verzug der Huͤlffe ein Verlaſſen ſey: denn manche Krancke, wenn GOtt nicht gleich und nach ihrer Rechnung bald hilfft, ſo ſchreyen und ſprechen ſie, GOtt habe ſie verlaſſen; allein ſo ſol man nicht gedencken; Huͤlffe, die er aufgeſcho- ben, hat er drum nicht aufgehoben, hilfft er nicht zu jeder Friſt, hilfft er doch, wenns noͤthig iſt. Es ſol ein Krancker 2) gedencken, GOtt habe ſeine Huͤlffs-Stunde beſtimmt, darin er helffen wil, doch biß dieſelbe anbricht, ſol er gedultig warten. Er ſol 3) gedencken, ob er in geſunden Tagen auch nicht GOtt verlaſſen habe; was waͤre es denn Wunder, daß ihn ſolches GOtt jetzt em- pfinden lieſſe? hieran aber wil ihn GOtt erinnern, durch den Verzug der verſprochenen Huͤlffe. Dar- um bleibe der Krancke 4) dabey, daß er im Glau- ben ſage: GOtt kan mich nicht verlaſſen, ich bin ſein Kind: GOtt wil mich nicht verlaſſen, er hat

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Zitationshilfe: Starck, Johann Friedrich: Tägliches Hand-Buch in guten und bösen Tagen. Frankfurt/Leipzig, 1749, S. 493. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/starck_handbuch_1749/521>, abgerufen am 22.07.2024.