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Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946.

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schönwangig, Thetis silberfüßig, Athene eulenäugig, pst_104.002
Hera weißarmig. Der Reichtum an Wörtern ist unübersehbar, pst_104.003
und schon dieser Reichtum muß als eine entscheidende pst_104.004
dichterische Leistung der ältesten Epik gewürdigt pst_104.005
werden. Hier ist gesagt, was an Göttern und pst_104.006
Menschen und allen Dingen bezeichnend sei. Und damit pst_104.007
werden dem Hörer die Augen geöffnet, das Leben pst_104.008
in seiner wohlunterschiedenen Fülle anzuschauen. Die pst_104.009
Bildlichkeit des homerischen Sehens wird vorbildlich pst_104.010
für die griechische Welt.

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Die schöpferische Kraft von Homers Blick bewährt pst_104.012
sich zumal in der bildenden Kunst. Finsler1 gelangt zur pst_104.013
Überzeugung, daß der Dichter Kunstwerke schildere, pst_104.014
die es zu seiner Zeit noch nicht gab, so zum Beispiel den pst_104.015
Schild Achills, die goldenen und silbernen Hunde, die pst_104.016
des Alkinoos Haus bewachen, oder das Szepter Agamemnons pst_104.017
und den Mischkrug des Menelaos. Es sind pst_104.018
darum auch nicht Menschen, die solche Werke schaffen; pst_104.019
es ist Hephaist, der göttliche Künstler; und diesem pst_104.020
von Homer geschauten Künstler eifern die späteren pst_104.021
Künstler Griechenlands nach. Auch beim Gestalten der pst_104.022
Götterbilder bleiben sie im Banne Homers. Zeus mit pst_104.023
der gewaltigen Lockenmähne, Athene in der Rüstung pst_104.024
des Vaters, Apollon mit dem langen Haupthaar, der pst_104.025
Leier und dem silbernen Bogen, Hermes mit den Sandalen, pst_104.026
die ihn über Land und Meer hintragen: jahrhundertelang pst_104.027
war die griechische Kunst um diese homerischen pst_104.028
Motive bemüht und lernte allmählich bilden, pst_104.029
was der Dichter gesehen mit den Augen des Geistes. So pst_104.030
hat er in Wahrheit den Griechen, nach dem Wort Herodots,

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Georg Finsler, Homer, 2 Bde, Leipzig 1913 und 1918.

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Hera weißarmig. Der Reichtum an Wörtern ist unübersehbar, pst_104.003
und schon dieser Reichtum muß als eine entscheidende pst_104.004
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Menschen und allen Dingen bezeichnend sei. Und damit pst_104.007
werden dem Hörer die Augen geöffnet, das Leben pst_104.008
in seiner wohlunterschiedenen Fülle anzuschauen. Die pst_104.009
Bildlichkeit des homerischen Sehens wird vorbildlich pst_104.010
für die griechische Welt.

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  Die schöpferische Kraft von Homers Blick bewährt pst_104.012
sich zumal in der bildenden Kunst. Finsler1 gelangt zur pst_104.013
Überzeugung, daß der Dichter Kunstwerke schildere, pst_104.014
die es zu seiner Zeit noch nicht gab, so zum Beispiel den pst_104.015
Schild Achills, die goldenen und silbernen Hunde, die pst_104.016
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darum auch nicht Menschen, die solche Werke schaffen; pst_104.019
es ist Hephaist, der göttliche Künstler; und diesem pst_104.020
von Homer geschauten Künstler eifern die späteren pst_104.021
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des Vaters, Apollon mit dem langen Haupthaar, der pst_104.025
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Zitationshilfe: Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/staiger_poetik_1946/108>, abgerufen am 24.11.2024.