Spyri, Johanna: Heidi's Lehr- und Wanderjahre. Gotha, 1880.mutter, jetzt kann ich auch ganz gut lesen, soll ich dir ein¬ "O ja", bat die Großmutter freudig überrascht, "kannst Heidi war auf einen Stuhl geklettert und hatte das "Was du willst, Kind, was du willst", und mit ge¬ Heidi blätterte und las leise hie und da eine Linie: "Die güldne Sonne Voll Freud' und Wonne Bringt unsern Gränzen Mit ihrem Glänzen Ein herzerquickendes, liebliches Licht. Mein Haupt und Glieder
Die lagen darnieder; Aber nun steh' ich, Bin munter und fröhlich, Schaue den Himmel mit meinem Gesicht. mutter, jetzt kann ich auch ganz gut leſen, ſoll ich dir ein¬ „O ja“, bat die Großmutter freudig überraſcht, „kannſt Heidi war auf einen Stuhl geklettert und hatte das „Was du willſt, Kind, was du willſt“, und mit ge¬ Heidi blätterte und las leiſe hie und da eine Linie: „Die güldne Sonne Voll Freud' und Wonne Bringt unſern Gränzen Mit ihrem Glänzen Ein herzerquickendes, liebliches Licht. Mein Haupt und Glieder
Die lagen darnieder; Aber nun ſteh' ich, Bin munter und fröhlich, Schaue den Himmel mit meinem Geſicht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0232" n="222"/> mutter, jetzt kann ich auch ganz gut leſen, ſoll ich dir ein¬<lb/> mal ein Lied leſen aus deinem alten Buch?“</p><lb/> <p>„O ja“, bat die Großmutter freudig überraſcht, „kannſt<lb/> du das auch wirklich, Kind, kannſt du das?“</p><lb/> <p>Heidi war auf einen Stuhl geklettert und hatte das<lb/> Buch mit einer dicken Staubwolke heruntergezogen, denn<lb/> es hatte lange unberührt gelegen da droben; nun wiſchte<lb/> es Heidi ſauber ab, ſetzte ſich damit auf ſeinen Schemel<lb/> zur Großmutter hin und fragte, was es nun leſen<lb/> ſollte.</p><lb/> <p>„Was du willſt, Kind, was du willſt“, und mit ge¬<lb/> ſpannter Erwartung ſaß die Großmutter da und hatte ihr<lb/> Spinnrad ein wenig von ſich geſchoben.</p><lb/> <p>Heidi blätterte und las leiſe hie und da eine Linie:<lb/> „Jetzt kommt Etwas von der Sonne, das will ich dir<lb/> leſen, Großmutter.“ Und Heidi begann und wurde ſelbſt<lb/> immer eifriger und immer wärmer, während es las:</p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>„Die güldne Sonne</l><lb/> <l>Voll Freud' und Wonne</l><lb/> <l>Bringt unſern Gränzen</l><lb/> <l>Mit ihrem Glänzen</l><lb/> <l>Ein herzerquickendes, liebliches Licht.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Mein Haupt und Glieder</l><lb/> <l>Die lagen darnieder;</l><lb/> <l>Aber nun ſteh' ich,</l><lb/> <l>Bin munter und fröhlich,</l><lb/> <l>Schaue den Himmel mit meinem Geſicht.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [222/0232]
mutter, jetzt kann ich auch ganz gut leſen, ſoll ich dir ein¬
mal ein Lied leſen aus deinem alten Buch?“
„O ja“, bat die Großmutter freudig überraſcht, „kannſt
du das auch wirklich, Kind, kannſt du das?“
Heidi war auf einen Stuhl geklettert und hatte das
Buch mit einer dicken Staubwolke heruntergezogen, denn
es hatte lange unberührt gelegen da droben; nun wiſchte
es Heidi ſauber ab, ſetzte ſich damit auf ſeinen Schemel
zur Großmutter hin und fragte, was es nun leſen
ſollte.
„Was du willſt, Kind, was du willſt“, und mit ge¬
ſpannter Erwartung ſaß die Großmutter da und hatte ihr
Spinnrad ein wenig von ſich geſchoben.
Heidi blätterte und las leiſe hie und da eine Linie:
„Jetzt kommt Etwas von der Sonne, das will ich dir
leſen, Großmutter.“ Und Heidi begann und wurde ſelbſt
immer eifriger und immer wärmer, während es las:
„Die güldne Sonne
Voll Freud' und Wonne
Bringt unſern Gränzen
Mit ihrem Glänzen
Ein herzerquickendes, liebliches Licht.
Mein Haupt und Glieder
Die lagen darnieder;
Aber nun ſteh' ich,
Bin munter und fröhlich,
Schaue den Himmel mit meinem Geſicht.
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