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Spyri, Johanna: Heidi's Lehr- und Wanderjahre. Gotha, 1880.

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"Weiß nicht."

"Weißt du keine andere Kirche mit einem hohen
Thurm?"

"Freilich weiß ich eine."

"So komm' und zeige mir sie."

"Zeig' du zuerst, was du mir dafür gibst." Der Junge
hielt seine Hand hin. Heidi suchte in seiner Tasche herum.
Jetzt zog es ein Bildchen hervor, darauf ein schönes Kränz¬
chen von rothen Rosen gemalt war; erst sah es noch eine
kleine Weile darauf hin, denn es reute Heidi ein wenig. Erst
heute Morgen hatte Klara es ihm geschenkt, aber hinunter¬
sehen in's Thal, über die grünen Abhänge! "Da", sagte
Heidi und hielt das Bildchen hin, "willst du das?"

Der Junge zog die Hand zurück und schüttelte den
Kopf.

"Was willst du denn?" fragte Heidi und steckte ver¬
gnügt sein Bildchen wieder ein.

"Geld."

"Ich habe keins, aber Klara hat, sie gibt mir dann
schon, wie viel willst du?"

"Zwanzig Pfennige."

"So komm jetzt."

Nun wanderten die Beiden eine lange Straße hin, und
auf dem Wege fragte Heidi den Begleiter, was er auf dem
Rücken trage und er erklärte ihm, es sei eine schöne Orgel
unter dem Tuch, die mache eine prachtvolle Musik, wenn

„Weiß nicht.“

„Weißt du keine andere Kirche mit einem hohen
Thurm?“

„Freilich weiß ich eine.“

„So komm' und zeige mir ſie.“

„Zeig' du zuerſt, was du mir dafür gibſt.“ Der Junge
hielt ſeine Hand hin. Heidi ſuchte in ſeiner Taſche herum.
Jetzt zog es ein Bildchen hervor, darauf ein ſchönes Kränz¬
chen von rothen Roſen gemalt war; erſt ſah es noch eine
kleine Weile darauf hin, denn es reute Heidi ein wenig. Erſt
heute Morgen hatte Klara es ihm geſchenkt, aber hinunter¬
ſehen in's Thal, über die grünen Abhänge! „Da“, ſagte
Heidi und hielt das Bildchen hin, „willſt du das?“

Der Junge zog die Hand zurück und ſchüttelte den
Kopf.

„Was willſt du denn?“ fragte Heidi und ſteckte ver¬
gnügt ſein Bildchen wieder ein.

„Geld.“

„Ich habe keins, aber Klara hat, ſie gibt mir dann
ſchon, wie viel willſt du?“

„Zwanzig Pfennige.“

„So komm jetzt.“

Nun wanderten die Beiden eine lange Straße hin, und
auf dem Wege fragte Heidi den Begleiter, was er auf dem
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[114/0124] „Weiß nicht.“ „Weißt du keine andere Kirche mit einem hohen Thurm?“ „Freilich weiß ich eine.“ „So komm' und zeige mir ſie.“ „Zeig' du zuerſt, was du mir dafür gibſt.“ Der Junge hielt ſeine Hand hin. Heidi ſuchte in ſeiner Taſche herum. Jetzt zog es ein Bildchen hervor, darauf ein ſchönes Kränz¬ chen von rothen Roſen gemalt war; erſt ſah es noch eine kleine Weile darauf hin, denn es reute Heidi ein wenig. Erſt heute Morgen hatte Klara es ihm geſchenkt, aber hinunter¬ ſehen in's Thal, über die grünen Abhänge! „Da“, ſagte Heidi und hielt das Bildchen hin, „willſt du das?“ Der Junge zog die Hand zurück und ſchüttelte den Kopf. „Was willſt du denn?“ fragte Heidi und ſteckte ver¬ gnügt ſein Bildchen wieder ein. „Geld.“ „Ich habe keins, aber Klara hat, ſie gibt mir dann ſchon, wie viel willſt du?“ „Zwanzig Pfennige.“ „So komm jetzt.“ Nun wanderten die Beiden eine lange Straße hin, und auf dem Wege fragte Heidi den Begleiter, was er auf dem Rücken trage und er erklärte ihm, es ſei eine ſchöne Orgel unter dem Tuch, die mache eine prachtvolle Muſik, wenn

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Zitationshilfe: Spyri, Johanna: Heidi's Lehr- und Wanderjahre. Gotha, 1880, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spyri_heidi_1880/124>, abgerufen am 24.11.2024.