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Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793.

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Gentiana.

9. Dieselbe, nachdem sie sich völlig geöffnet hat.

10. Eine jüngere Blume, von welcher das oberste Stück der
Krone weggeschnitten worden.

11. Die aufgeschnittene und flach ausgebreitete Krone, nach-
dem die Antheren von einander getrennt worden.

13. a der unterste Theil des Fruchtknotens, b die Saftdrüse,
c die umgeschlagene Krone.

12. Die Saftdrüse im Queerdurchschnitt.

14. Ein Staubgefäß von der Seite, nebst dem Stück der
Krone, an welches es angewachsen ist.

15. Ein Stück des obersten Theils der Krone.

16. Der Queerdurchschnitt der Blume bey a Fig. 8.

17. Die Blume, in welche man von oben hineinsieht, ohne
Schatten.

36. Der oberste Theil des Pistills in der jüngeren Blume,
Fig. 10., welches noch kein Stigma hat, da die Antheren Staub
haben.

37. Der oberste Theil des Pistills in der älteren Blume,
welches ein Stigma hat, da die Antheren keinen Staub mehr
haben.

1. Die Saftdrüse ist der Körper, welcher das Pistill trägt,
und dunkelgrün ist, da dieses blaß- oder gelblichgrün ist. Er hat
die in Fig. 13. und 12. abgebildete Gestalt. Auf den fünf grösse-
ren Winkeln desselben liegt die Basis der mit der Kronenröhre
zusammengewachsenen Filamente, und auf den fünf kleineren lie-
gen die dickeren Streife der Kronenröhre zwischen den Fila-
menten.

2. In den röhrenförmigen Zwischenräumen zwischen dem
untersten Theil des Fruchtknotens und der Kronenröhre steigt der
Saft in die Höhe.

3. Da die Blume eine aufrechte Stellung und eine weite
Oeffnung hat, so müssen, wenn es regnet, Regentropfen in die-
selbe hineinfallen. Diese können aber nicht zum Saft gelangen,
weil die Antheren, da sie zusammengewachsen sind, verursachen,
daß die Filamente am Fruchtknoten dicht anliegen, und folglich
die Röhre der Krone in fünf kleinere Röhren getheilet ist, welche
keinen Regentropfen durchlassen.

4. Die Blume hat ein Saftmaal. Denn die blaue Krone
ist mit vielen sehr kleinen weißlichen Kreisen, welche einen bräun-
lichen Mittelpunkt haben, geziert, Fig. 11. 15. Im Grunde
derselben wechseln weißliche Streifen mit blauen ab, Fig. 11. 17.,
und führen die Insekten unmittelbar zum Saft. Da nun die
Blume ein Saftmaal hat, so muß sie eine Tagesblume seyn.
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Gentiana.
Dies bestätigt die Erfahrung. Denn des Nachts schließt sich die
Krone dicht zu, so daß der oberste Theil derselben die Gestalt eines
Kegels hat. Sie ist nemlich, Fig. 15., oberwärts zehnmal ge-
falzt, bey e einwärts und bey f auswärts, und ihr Rand ist in
fünf Abschnitte getheilet, deren jeder in der Mitte eingeschnitten
ist. Wenn sie sich nun schließen will, so werden die Winkel der
Falze immer spitzer, bis die Spitzen der Abschnitte a alle zusam-
menkommen.

5. Ich fand in der Blume schwarze und gelbe Blasenfüße,
desgleichen ein kleines gelbes Insekt, welches die Gestalt einer
Spinne hat, und welches ich in mehrern Blumen angetroffen
habe. Dieses Thierchen siehet man immer mit großer Geschäf-
tigkeit in den Blumen umherlaufen. Indessen glaube ich nicht,
daß diese Blume von diesen kleinen Insekten, sondern von einem
grösseren befruchtet wird. Daß sie aber von irgend einem In-
sekt, keinesweges aber auf eine mechanische Art befruchtet wird,
erhellet daraus, daß sie ein Dichogamist von der männlich-weib-
lichen Art ist. Denn wann die Antheren blühen, oder voller
Staub sind, Fig. 10., so ist der oberste Theil des Pistills noch
nicht getheilt, Fig. 36., und befindet sich nach innerhalb der
Röhre, welche die Antheren bilden, Fig. 10. Da also das Stigma
noch nicht vorhanden ist, so kann es von den Antheren keinen
Staub erhalten. Und wenn es auch schon vorhanden wäre, so
könnte es doch nicht bestäubt werden, da der Staub nicht auf der
inneren, sondern auf der äußeren Seite der Antherenröhre be-
findlich ist. So lange aber die Antheren blühen, fährt das Pistill
fort zu wachsen, und nachdem jene ihren Staub verloren haben,
raget der oberste Theil dieses so weit über jene hinweg, daß seine
beide Hälften, deren innere Seite das eigentliche Stigma ist, sich
von einander begeben und spiralförmig krümmen können, Fig. 37.
Dieses Stigma aber kann von den Antheren keinen Staub erhal-
ten, da dieselben keinen mehr haben, und schon ganz vertrocknet
sind. So wie aber ein etwas großes Insekt nicht in die jüngere
Blume hineinkriechen kann, ohne mit irgend einem Theil seines
Körpers den Staub von den Antheren abzustreifen: eben so kann
es hernach auch nicht in eine ältere Blume hineinkriechen, ohne
mit diesem bestäubten Theil seines Körpers das Stigma zu berüh-
ren, weil sich dieses an eben der Stelle befindet, wo in der jün-
geren Blume die Antheren sind. Folglich wird die ältere Blume
von einem Insekt durch den Staub der jüngeren Blume be-
[f]ruchtet.

Gentiana Centaurium. Tausendgüldenkraut. In
dieser Blume habe ich keinen Saft gesunden, ob ich sie gleich oft-
mals und zu verschiedenen Jahreszeiten untersucht habe.

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Gentiana.

9. Dieſelbe, nachdem ſie ſich voͤllig geoͤffnet hat.

10. Eine juͤngere Blume, von welcher das oberſte Stuͤck der
Krone weggeſchnitten worden.

11. Die aufgeſchnittene und flach ausgebreitete Krone, nach-
dem die Antheren von einander getrennt worden.

13. a der unterſte Theil des Fruchtknotens, b die Saftdruͤſe,
c die umgeſchlagene Krone.

12. Die Saftdruͤſe im Queerdurchſchnitt.

14. Ein Staubgefaͤß von der Seite, nebſt dem Stuͤck der
Krone, an welches es angewachſen iſt.

15. Ein Stuͤck des oberſten Theils der Krone.

16. Der Queerdurchſchnitt der Blume bey a Fig. 8.

17. Die Blume, in welche man von oben hineinſieht, ohne
Schatten.

36. Der oberſte Theil des Piſtills in der juͤngeren Blume,
Fig. 10., welches noch kein Stigma hat, da die Antheren Staub
haben.

37. Der oberſte Theil des Piſtills in der aͤlteren Blume,
welches ein Stigma hat, da die Antheren keinen Staub mehr
haben.

1. Die Saftdruͤſe iſt der Koͤrper, welcher das Piſtill traͤgt,
und dunkelgruͤn iſt, da dieſes blaß- oder gelblichgruͤn iſt. Er hat
die in Fig. 13. und 12. abgebildete Geſtalt. Auf den fuͤnf groͤſſe-
ren Winkeln deſſelben liegt die Baſis der mit der Kronenroͤhre
zuſammengewachſenen Filamente, und auf den fuͤnf kleineren lie-
gen die dickeren Streife der Kronenroͤhre zwiſchen den Fila-
menten.

2. In den roͤhrenfoͤrmigen Zwiſchenraͤumen zwiſchen dem
unterſten Theil des Fruchtknotens und der Kronenroͤhre ſteigt der
Saft in die Hoͤhe.

3. Da die Blume eine aufrechte Stellung und eine weite
Oeffnung hat, ſo muͤſſen, wenn es regnet, Regentropfen in die-
ſelbe hineinfallen. Dieſe koͤnnen aber nicht zum Saft gelangen,
weil die Antheren, da ſie zuſammengewachſen ſind, verurſachen,
daß die Filamente am Fruchtknoten dicht anliegen, und folglich
die Roͤhre der Krone in fuͤnf kleinere Roͤhren getheilet iſt, welche
keinen Regentropfen durchlaſſen.

4. Die Blume hat ein Saftmaal. Denn die blaue Krone
iſt mit vielen ſehr kleinen weißlichen Kreiſen, welche einen braͤun-
lichen Mittelpunkt haben, geziert, Fig. 11. 15. Im Grunde
derſelben wechſeln weißliche Streifen mit blauen ab, Fig. 11. 17.,
und fuͤhren die Inſekten unmittelbar zum Saft. Da nun die
Blume ein Saftmaal hat, ſo muß ſie eine Tagesblume ſeyn.
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Gentiana.
Dies beſtaͤtigt die Erfahrung. Denn des Nachts ſchließt ſich die
Krone dicht zu, ſo daß der oberſte Theil derſelben die Geſtalt eines
Kegels hat. Sie iſt nemlich, Fig. 15., oberwaͤrts zehnmal ge-
falzt, bey e einwaͤrts und bey f auswaͤrts, und ihr Rand iſt in
fuͤnf Abſchnitte getheilet, deren jeder in der Mitte eingeſchnitten
iſt. Wenn ſie ſich nun ſchließen will, ſo werden die Winkel der
Falze immer ſpitzer, bis die Spitzen der Abſchnitte a alle zuſam-
menkommen.

5. Ich fand in der Blume ſchwarze und gelbe Blaſenfuͤße,
desgleichen ein kleines gelbes Inſekt, welches die Geſtalt einer
Spinne hat, und welches ich in mehrern Blumen angetroffen
habe. Dieſes Thierchen ſiehet man immer mit großer Geſchaͤf-
tigkeit in den Blumen umherlaufen. Indeſſen glaube ich nicht,
daß dieſe Blume von dieſen kleinen Inſekten, ſondern von einem
groͤſſeren befruchtet wird. Daß ſie aber von irgend einem In-
ſekt, keinesweges aber auf eine mechaniſche Art befruchtet wird,
erhellet daraus, daß ſie ein Dichogamiſt von der maͤnnlich-weib-
lichen Art iſt. Denn wann die Antheren bluͤhen, oder voller
Staub ſind, Fig. 10., ſo iſt der oberſte Theil des Piſtills noch
nicht getheilt, Fig. 36., und befindet ſich nach innerhalb der
Roͤhre, welche die Antheren bilden, Fig. 10. Da alſo das Stigma
noch nicht vorhanden iſt, ſo kann es von den Antheren keinen
Staub erhalten. Und wenn es auch ſchon vorhanden waͤre, ſo
koͤnnte es doch nicht beſtaͤubt werden, da der Staub nicht auf der
inneren, ſondern auf der aͤußeren Seite der Antherenroͤhre be-
findlich iſt. So lange aber die Antheren bluͤhen, faͤhrt das Piſtill
fort zu wachſen, und nachdem jene ihren Staub verloren haben,
raget der oberſte Theil dieſes ſo weit uͤber jene hinweg, daß ſeine
beide Haͤlften, deren innere Seite das eigentliche Stigma iſt, ſich
von einander begeben und ſpiralfoͤrmig kruͤmmen koͤnnen, Fig. 37.
Dieſes Stigma aber kann von den Antheren keinen Staub erhal-
ten, da dieſelben keinen mehr haben, und ſchon ganz vertrocknet
ſind. So wie aber ein etwas großes Inſekt nicht in die juͤngere
Blume hineinkriechen kann, ohne mit irgend einem Theil ſeines
Koͤrpers den Staub von den Antheren abzuſtreifen: eben ſo kann
es hernach auch nicht in eine aͤltere Blume hineinkriechen, ohne
mit dieſem beſtaͤubten Theil ſeines Koͤrpers das Stigma zu beruͤh-
ren, weil ſich dieſes an eben der Stelle befindet, wo in der juͤn-
geren Blume die Antheren ſind. Folglich wird die aͤltere Blume
von einem Inſekt durch den Staub der juͤngeren Blume be-
[f]ruchtet.

Gentiana Centaurium. Tauſendguͤldenkraut. In
dieſer Blume habe ich keinen Saft geſunden, ob ich ſie gleich oft-
mals und zu verſchiedenen Jahreszeiten unterſucht habe.

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[[88]/0088] Gentiana. Gentiana. 9. Dieſelbe, nachdem ſie ſich voͤllig geoͤffnet hat. 10. Eine juͤngere Blume, von welcher das oberſte Stuͤck der Krone weggeſchnitten worden. 11. Die aufgeſchnittene und flach ausgebreitete Krone, nach- dem die Antheren von einander getrennt worden. 13. a der unterſte Theil des Fruchtknotens, b die Saftdruͤſe, c die umgeſchlagene Krone. 12. Die Saftdruͤſe im Queerdurchſchnitt. 14. Ein Staubgefaͤß von der Seite, nebſt dem Stuͤck der Krone, an welches es angewachſen iſt. 15. Ein Stuͤck des oberſten Theils der Krone. 16. Der Queerdurchſchnitt der Blume bey a Fig. 8. 17. Die Blume, in welche man von oben hineinſieht, ohne Schatten. 36. Der oberſte Theil des Piſtills in der juͤngeren Blume, Fig. 10., welches noch kein Stigma hat, da die Antheren Staub haben. 37. Der oberſte Theil des Piſtills in der aͤlteren Blume, welches ein Stigma hat, da die Antheren keinen Staub mehr haben. 1. Die Saftdruͤſe iſt der Koͤrper, welcher das Piſtill traͤgt, und dunkelgruͤn iſt, da dieſes blaß- oder gelblichgruͤn iſt. Er hat die in Fig. 13. und 12. abgebildete Geſtalt. Auf den fuͤnf groͤſſe- ren Winkeln deſſelben liegt die Baſis der mit der Kronenroͤhre zuſammengewachſenen Filamente, und auf den fuͤnf kleineren lie- gen die dickeren Streife der Kronenroͤhre zwiſchen den Fila- menten. 2. In den roͤhrenfoͤrmigen Zwiſchenraͤumen zwiſchen dem unterſten Theil des Fruchtknotens und der Kronenroͤhre ſteigt der Saft in die Hoͤhe. 3. Da die Blume eine aufrechte Stellung und eine weite Oeffnung hat, ſo muͤſſen, wenn es regnet, Regentropfen in die- ſelbe hineinfallen. Dieſe koͤnnen aber nicht zum Saft gelangen, weil die Antheren, da ſie zuſammengewachſen ſind, verurſachen, daß die Filamente am Fruchtknoten dicht anliegen, und folglich die Roͤhre der Krone in fuͤnf kleinere Roͤhren getheilet iſt, welche keinen Regentropfen durchlaſſen. 4. Die Blume hat ein Saftmaal. Denn die blaue Krone iſt mit vielen ſehr kleinen weißlichen Kreiſen, welche einen braͤun- lichen Mittelpunkt haben, geziert, Fig. 11. 15. Im Grunde derſelben wechſeln weißliche Streifen mit blauen ab, Fig. 11. 17., und fuͤhren die Inſekten unmittelbar zum Saft. Da nun die Blume ein Saftmaal hat, ſo muß ſie eine Tagesblume ſeyn. Dies beſtaͤtigt die Erfahrung. Denn des Nachts ſchließt ſich die Krone dicht zu, ſo daß der oberſte Theil derſelben die Geſtalt eines Kegels hat. Sie iſt nemlich, Fig. 15., oberwaͤrts zehnmal ge- falzt, bey e einwaͤrts und bey f auswaͤrts, und ihr Rand iſt in fuͤnf Abſchnitte getheilet, deren jeder in der Mitte eingeſchnitten iſt. Wenn ſie ſich nun ſchließen will, ſo werden die Winkel der Falze immer ſpitzer, bis die Spitzen der Abſchnitte a alle zuſam- menkommen. 5. Ich fand in der Blume ſchwarze und gelbe Blaſenfuͤße, desgleichen ein kleines gelbes Inſekt, welches die Geſtalt einer Spinne hat, und welches ich in mehrern Blumen angetroffen habe. Dieſes Thierchen ſiehet man immer mit großer Geſchaͤf- tigkeit in den Blumen umherlaufen. Indeſſen glaube ich nicht, daß dieſe Blume von dieſen kleinen Inſekten, ſondern von einem groͤſſeren befruchtet wird. Daß ſie aber von irgend einem In- ſekt, keinesweges aber auf eine mechaniſche Art befruchtet wird, erhellet daraus, daß ſie ein Dichogamiſt von der maͤnnlich-weib- lichen Art iſt. Denn wann die Antheren bluͤhen, oder voller Staub ſind, Fig. 10., ſo iſt der oberſte Theil des Piſtills noch nicht getheilt, Fig. 36., und befindet ſich nach innerhalb der Roͤhre, welche die Antheren bilden, Fig. 10. Da alſo das Stigma noch nicht vorhanden iſt, ſo kann es von den Antheren keinen Staub erhalten. Und wenn es auch ſchon vorhanden waͤre, ſo koͤnnte es doch nicht beſtaͤubt werden, da der Staub nicht auf der inneren, ſondern auf der aͤußeren Seite der Antherenroͤhre be- findlich iſt. So lange aber die Antheren bluͤhen, faͤhrt das Piſtill fort zu wachſen, und nachdem jene ihren Staub verloren haben, raget der oberſte Theil dieſes ſo weit uͤber jene hinweg, daß ſeine beide Haͤlften, deren innere Seite das eigentliche Stigma iſt, ſich von einander begeben und ſpiralfoͤrmig kruͤmmen koͤnnen, Fig. 37. Dieſes Stigma aber kann von den Antheren keinen Staub erhal- ten, da dieſelben keinen mehr haben, und ſchon ganz vertrocknet ſind. So wie aber ein etwas großes Inſekt nicht in die juͤngere Blume hineinkriechen kann, ohne mit irgend einem Theil ſeines Koͤrpers den Staub von den Antheren abzuſtreifen: eben ſo kann es hernach auch nicht in eine aͤltere Blume hineinkriechen, ohne mit dieſem beſtaͤubten Theil ſeines Koͤrpers das Stigma zu beruͤh- ren, weil ſich dieſes an eben der Stelle befindet, wo in der juͤn- geren Blume die Antheren ſind. Folglich wird die aͤltere Blume von einem Inſekt durch den Staub der juͤngeren Blume be- fruchtet. Gentiana Centaurium. Tauſendguͤldenkraut. In dieſer Blume habe ich keinen Saft geſunden, ob ich ſie gleich oft- mals und zu verſchiedenen Jahreszeiten unterſucht habe.

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Zitationshilfe: Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793, S. [88]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sprengel_blumen_1793/88>, abgerufen am 21.11.2024.