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Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793.

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Aristolochia.
gewesen, das Räthsel, welches dieselbe bis damals für meinen
Verstand gewesen war, aufzulösen. Ich will also erzählen, wie
ich nach und nach mir den Weg hierzu gebahnt habe.

Das erste, was ich vor einigen Jahren entdeckte, war, daß
Linne in Ansehung des Stigma sich geirrt hat. Er hat nem
lich den ganzen im erweiterten Grunde der Kronenröhre, welchen
ich der Kürze wegen den Kessel nennen werde, befindlichen Kör-
per für das Stigma gehalten. Diesen Körper muß er nun, wie
aus seiner Beschreibung desselben erhellt, aus einer solchen Blume
genommen haben, welche sich noch im ersten Zustande befand,
da derselbe noch nicht ein Stigma hat, sondern erst Anstalten zu
desselben Hervorbringung macht. Alsdenn hat er die in Fig. 13.
und 23. abgebildete Gestalt. So wenig nun anfangs ein Stigma
da ist, eben so wenig haben die an den Seiten dieses Körpers
sitzenden Antheren sich schon geöffnet, sondern sind noch verschlos-
sen. Nach einiger Zeit aber erlangt dieser Körper, da er vorher
mehr kugelförmig war, eine walzenförmige Gestalt. Alsdenn
befindet sich auf seiner obersten Grundfläche in der Mitte das
Stigma, welches man in Fig. 14. nicht, wohl aber in Fig. 15.
sehen kann, wo es punktirt ist. Alsdenn haben auch die Anthe-
ren, welche man in beiden Figuren sieht, sich geöffnet, und zei-
gen ihren Staub. Alsdenn also ist erst der Zeitpunkt da, da die
Blume befruchtet werden kann. Linnes Vorstellung, nach
welcher die Antheren auf dem Stigma selbst sitzen, könnte zwar
manchem aus dem Grunde wahrscheinlich vorkommen, weil auf
solche Art die Befruchtung nothwendig in jedem Individuum aufs
zuverläßigste erfolgen müsse. Allein fürs erste ist mir wenigstens
keine andere Blume bekannt, in welcher die Antheren unmittelbar
auf dem Stigma sitzen. Ich glaube aber auch zweytens, daß
keine Blume von dieser Einrichtung in der ganzen Welt anzutref-
fen sey, aus dem Grunde, weil ich sonst zugleich würde glauben
müssen, daß der Schöpfer auch solche Blumen habe hervorbrin-
gen wollen, in welchen ganz und gar keine Kunst anzutreffen
seyn sollte. Denn, wie ich schon bey der Serapias gesagt habe,
auch der einfältigste Mensch, wenn er auf den Einfall käme, das
Ideal einer Blume zu entwerfen, würde am ersten darauf fallen,
die Antheren unmittelbar auf das Stigma hinzusetzen, weil er
glauben würde, daß auf solche Art die Befruchtung nie fehlschla-
gen könnte.

Die Antheren befinden sich also in einiger Entfernung vom
Stigma, und man mag nun entweder annehmen, daß die Blume
befruchtet werden solle, wann sie aufrecht steht, oder, daß sol-
ches hernach geschehen solle, wann sie herabhängt: so sieht man
ein, daß in keinem von beiden Fällen der Staub von selbst auf
das Stigma kommen könne. Denkt man etwa, der Staub
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Aristolochia.
werde durch die Erschütterung, in welche der Wind die Pflanzen,
folglich auch die Blumen setzt, von den Antheren losgerissen,
und auf das Stigma gebracht: so irrt man sich. Denn im ersten
Fall fällt der Staub in den Grund des Kessels, und im andern
in den obersten Theil dieses Kessels, der alsdenn der Grund ist,
keinesweges aber der geringste Theil desselben auf das Stigma.
Daß aber der Wind unmittelbar den Staub auf das Stigma sollte
wehen können, wird vollends keinem Menschen möglich zu seyn
scheinen, da nicht das geringste Lüftchen sich durch die enge,
lange und mit Fäden verschloßne Röhre der Krone hindurch, und
in den Kessel derselben hineinschleichen kann.

Hieraus folgt also, daß, wenn nicht etwa Insekten die
Blume befruchten, dieselbe nie befruchtet werden kann; welches
doch wider die Erfahrung ist, indem die Pflanzen, obgleich nur
sehr sparsam, mit guten Samenkörnern angefüllte Samenkapseln
hervorbringen.

Das erstemal, da ich die Blumen untersuchte, wählte ich,
wie ich aus den damals gemachten Abbildungen derselben sehe,
entweder bloß alte Blumen, welche herabhingen, oder, welches
wahrscheinlicher ist, ich fand die Pflanzen im Herbst, da sie noch
einige herabhangende, aber keine aufrecht stehende Blumen mehr
hatten. Theils dieser Umstand, theils dieses, daß ich damals
noch nichts von Scheinsaftblumen wußte, führte mich irre. Ich
glaubte nemlich, daß die Blume eine Saftblume sey, deren Saft-
drüse und Safthalter der im Grunde des Kessels befindliche Kör-
per wäre. Hierin glaubte ich um so viel weniger mich zu irren,
da dieser Körper fleischicht, glatt und weiß ist. Saft fand ich
zwar auf demselben nicht; indessen dachte ich, daß man sich den
Saft wie einen Hauch vorstellen müsse, mit welchem derselbe über-
zogen sey, und daß derselbe ungeachtet seiner höchst geringen
Quantität, welcher wegen er dem menschlichen Auge unsichtbar
sey, dennoch sehr kleinen Insekten, als den Blasensüßen und
noch kleineren, eine reichliche Nahrung verschaffen könne. Dies,
meinte ich, sey um so viel wahrscheinlicher, da, wenn er in
grösserer Quantität vorhanden wäre, er die Antheren überschwem-
men, und ihren Staub ganz unbrauchbar machen würde. Auch
mußten mich die fadenförmigen Haare in der Kronenröhre
Fig. 13.. wofern ich sie damals schon bemerkte, in dieser Mei-
nung bestärken; denn ich mußte sie natürlicherweise für die Saft-
decke halten.

Hier hatte ich mich nun auf mehr als Eine Art übereilt.
Erstlich gab ich der Analogie den Vorzug vor der Erfahrung, da
ich glaubte, daß, ob ich gleich keinen Saft in der Blume gefun-
den hätte, dieselbe doch Saft haben müsse, weil ich bisher immer
bemerkt hatte, daß alle Blumen, welche nicht auf eine mechani-

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Ariſtolochia.
geweſen, das Raͤthſel, welches dieſelbe bis damals fuͤr meinen
Verſtand geweſen war, aufzuloͤſen. Ich will alſo erzaͤhlen, wie
ich nach und nach mir den Weg hierzu gebahnt habe.

Das erſte, was ich vor einigen Jahren entdeckte, war, daß
Linné in Anſehung des Stigma ſich geirrt hat. Er hat nem
lich den ganzen im erweiterten Grunde der Kronenroͤhre, welchen
ich der Kuͤrze wegen den Keſſel nennen werde, befindlichen Koͤr-
per fuͤr das Stigma gehalten. Dieſen Koͤrper muß er nun, wie
aus ſeiner Beſchreibung deſſelben erhellt, aus einer ſolchen Blume
genommen haben, welche ſich noch im erſten Zuſtande befand,
da derſelbe noch nicht ein Stigma hat, ſondern erſt Anſtalten zu
deſſelben Hervorbringung macht. Alsdenn hat er die in Fig. 13.
und 23. abgebildete Geſtalt. So wenig nun anfangs ein Stigma
da iſt, eben ſo wenig haben die an den Seiten dieſes Koͤrpers
ſitzenden Antheren ſich ſchon geoͤffnet, ſondern ſind noch verſchloſ-
ſen. Nach einiger Zeit aber erlangt dieſer Koͤrper, da er vorher
mehr kugelfoͤrmig war, eine walzenfoͤrmige Geſtalt. Alsdenn
befindet ſich auf ſeiner oberſten Grundflaͤche in der Mitte das
Stigma, welches man in Fig. 14. nicht, wohl aber in Fig. 15.
ſehen kann, wo es punktirt iſt. Alsdenn haben auch die Anthe-
ren, welche man in beiden Figuren ſieht, ſich geoͤffnet, und zei-
gen ihren Staub. Alsdenn alſo iſt erſt der Zeitpunkt da, da die
Blume befruchtet werden kann. Linnés Vorſtellung, nach
welcher die Antheren auf dem Stigma ſelbſt ſitzen, koͤnnte zwar
manchem aus dem Grunde wahrſcheinlich vorkommen, weil auf
ſolche Art die Befruchtung nothwendig in jedem Individuum aufs
zuverlaͤßigſte erfolgen muͤſſe. Allein fuͤrs erſte iſt mir wenigſtens
keine andere Blume bekannt, in welcher die Antheren unmittelbar
auf dem Stigma ſitzen. Ich glaube aber auch zweytens, daß
keine Blume von dieſer Einrichtung in der ganzen Welt anzutref-
fen ſey, aus dem Grunde, weil ich ſonſt zugleich wuͤrde glauben
muͤſſen, daß der Schoͤpfer auch ſolche Blumen habe hervorbrin-
gen wollen, in welchen ganz und gar keine Kunſt anzutreffen
ſeyn ſollte. Denn, wie ich ſchon bey der Serapias geſagt habe,
auch der einfaͤltigſte Menſch, wenn er auf den Einfall kaͤme, das
Ideal einer Blume zu entwerfen, wuͤrde am erſten darauf fallen,
die Antheren unmittelbar auf das Stigma hinzuſetzen, weil er
glauben wuͤrde, daß auf ſolche Art die Befruchtung nie fehlſchla-
gen koͤnnte.

Die Antheren befinden ſich alſo in einiger Entfernung vom
Stigma, und man mag nun entweder annehmen, daß die Blume
befruchtet werden ſolle, wann ſie aufrecht ſteht, oder, daß ſol-
ches hernach geſchehen ſolle, wann ſie herabhaͤngt: ſo ſieht man
ein, daß in keinem von beiden Faͤllen der Staub von ſelbſt auf
das Stigma kommen koͤnne. Denkt man etwa, der Staub
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Ariſtolochia.
werde durch die Erſchuͤtterung, in welche der Wind die Pflanzen,
folglich auch die Blumen ſetzt, von den Antheren losgeriſſen,
und auf das Stigma gebracht: ſo irrt man ſich. Denn im erſten
Fall faͤllt der Staub in den Grund des Keſſels, und im andern
in den oberſten Theil dieſes Keſſels, der alsdenn der Grund iſt,
keinesweges aber der geringſte Theil deſſelben auf das Stigma.
Daß aber der Wind unmittelbar den Staub auf das Stigma ſollte
wehen koͤnnen, wird vollends keinem Menſchen moͤglich zu ſeyn
ſcheinen, da nicht das geringſte Luͤftchen ſich durch die enge,
lange und mit Faͤden verſchloßne Roͤhre der Krone hindurch, und
in den Keſſel derſelben hineinſchleichen kann.

Hieraus folgt alſo, daß, wenn nicht etwa Inſekten die
Blume befruchten, dieſelbe nie befruchtet werden kann; welches
doch wider die Erfahrung iſt, indem die Pflanzen, obgleich nur
ſehr ſparſam, mit guten Samenkoͤrnern angefuͤllte Samenkapſeln
hervorbringen.

Das erſtemal, da ich die Blumen unterſuchte, waͤhlte ich,
wie ich aus den damals gemachten Abbildungen derſelben ſehe,
entweder bloß alte Blumen, welche herabhingen, oder, welches
wahrſcheinlicher iſt, ich fand die Pflanzen im Herbſt, da ſie noch
einige herabhangende, aber keine aufrecht ſtehende Blumen mehr
hatten. Theils dieſer Umſtand, theils dieſes, daß ich damals
noch nichts von Scheinſaftblumen wußte, fuͤhrte mich irre. Ich
glaubte nemlich, daß die Blume eine Saftblume ſey, deren Saft-
druͤſe und Safthalter der im Grunde des Keſſels befindliche Koͤr-
per waͤre. Hierin glaubte ich um ſo viel weniger mich zu irren,
da dieſer Koͤrper fleiſchicht, glatt und weiß iſt. Saft fand ich
zwar auf demſelben nicht; indeſſen dachte ich, daß man ſich den
Saft wie einen Hauch vorſtellen muͤſſe, mit welchem derſelbe uͤber-
zogen ſey, und daß derſelbe ungeachtet ſeiner hoͤchſt geringen
Quantitaͤt, welcher wegen er dem menſchlichen Auge unſichtbar
ſey, dennoch ſehr kleinen Inſekten, als den Blaſenſuͤßen und
noch kleineren, eine reichliche Nahrung verſchaffen koͤnne. Dies,
meinte ich, ſey um ſo viel wahrſcheinlicher, da, wenn er in
groͤſſerer Quantitaͤt vorhanden waͤre, er die Antheren uͤberſchwem-
men, und ihren Staub ganz unbrauchbar machen wuͤrde. Auch
mußten mich die fadenfoͤrmigen Haare in der Kronenroͤhre
Fig. 13.. wofern ich ſie damals ſchon bemerkte, in dieſer Mei-
nung beſtaͤrken; denn ich mußte ſie natuͤrlicherweiſe fuͤr die Saft-
decke halten.

Hier hatte ich mich nun auf mehr als Eine Art uͤbereilt.
Erſtlich gab ich der Analogie den Vorzug vor der Erfahrung, da
ich glaubte, daß, ob ich gleich keinen Saft in der Blume gefun-
den haͤtte, dieſelbe doch Saft haben muͤſſe, weil ich bisher immer
bemerkt hatte, daß alle Blumen, welche nicht auf eine mechani-

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[[222]/0222] Ariſtolochia. Ariſtolochia. geweſen, das Raͤthſel, welches dieſelbe bis damals fuͤr meinen Verſtand geweſen war, aufzuloͤſen. Ich will alſo erzaͤhlen, wie ich nach und nach mir den Weg hierzu gebahnt habe. Das erſte, was ich vor einigen Jahren entdeckte, war, daß Linné in Anſehung des Stigma ſich geirrt hat. Er hat nem lich den ganzen im erweiterten Grunde der Kronenroͤhre, welchen ich der Kuͤrze wegen den Keſſel nennen werde, befindlichen Koͤr- per fuͤr das Stigma gehalten. Dieſen Koͤrper muß er nun, wie aus ſeiner Beſchreibung deſſelben erhellt, aus einer ſolchen Blume genommen haben, welche ſich noch im erſten Zuſtande befand, da derſelbe noch nicht ein Stigma hat, ſondern erſt Anſtalten zu deſſelben Hervorbringung macht. Alsdenn hat er die in Fig. 13. und 23. abgebildete Geſtalt. So wenig nun anfangs ein Stigma da iſt, eben ſo wenig haben die an den Seiten dieſes Koͤrpers ſitzenden Antheren ſich ſchon geoͤffnet, ſondern ſind noch verſchloſ- ſen. Nach einiger Zeit aber erlangt dieſer Koͤrper, da er vorher mehr kugelfoͤrmig war, eine walzenfoͤrmige Geſtalt. Alsdenn befindet ſich auf ſeiner oberſten Grundflaͤche in der Mitte das Stigma, welches man in Fig. 14. nicht, wohl aber in Fig. 15. ſehen kann, wo es punktirt iſt. Alsdenn haben auch die Anthe- ren, welche man in beiden Figuren ſieht, ſich geoͤffnet, und zei- gen ihren Staub. Alsdenn alſo iſt erſt der Zeitpunkt da, da die Blume befruchtet werden kann. Linnés Vorſtellung, nach welcher die Antheren auf dem Stigma ſelbſt ſitzen, koͤnnte zwar manchem aus dem Grunde wahrſcheinlich vorkommen, weil auf ſolche Art die Befruchtung nothwendig in jedem Individuum aufs zuverlaͤßigſte erfolgen muͤſſe. Allein fuͤrs erſte iſt mir wenigſtens keine andere Blume bekannt, in welcher die Antheren unmittelbar auf dem Stigma ſitzen. Ich glaube aber auch zweytens, daß keine Blume von dieſer Einrichtung in der ganzen Welt anzutref- fen ſey, aus dem Grunde, weil ich ſonſt zugleich wuͤrde glauben muͤſſen, daß der Schoͤpfer auch ſolche Blumen habe hervorbrin- gen wollen, in welchen ganz und gar keine Kunſt anzutreffen ſeyn ſollte. Denn, wie ich ſchon bey der Serapias geſagt habe, auch der einfaͤltigſte Menſch, wenn er auf den Einfall kaͤme, das Ideal einer Blume zu entwerfen, wuͤrde am erſten darauf fallen, die Antheren unmittelbar auf das Stigma hinzuſetzen, weil er glauben wuͤrde, daß auf ſolche Art die Befruchtung nie fehlſchla- gen koͤnnte. Die Antheren befinden ſich alſo in einiger Entfernung vom Stigma, und man mag nun entweder annehmen, daß die Blume befruchtet werden ſolle, wann ſie aufrecht ſteht, oder, daß ſol- ches hernach geſchehen ſolle, wann ſie herabhaͤngt: ſo ſieht man ein, daß in keinem von beiden Faͤllen der Staub von ſelbſt auf das Stigma kommen koͤnne. Denkt man etwa, der Staub werde durch die Erſchuͤtterung, in welche der Wind die Pflanzen, folglich auch die Blumen ſetzt, von den Antheren losgeriſſen, und auf das Stigma gebracht: ſo irrt man ſich. Denn im erſten Fall faͤllt der Staub in den Grund des Keſſels, und im andern in den oberſten Theil dieſes Keſſels, der alsdenn der Grund iſt, keinesweges aber der geringſte Theil deſſelben auf das Stigma. Daß aber der Wind unmittelbar den Staub auf das Stigma ſollte wehen koͤnnen, wird vollends keinem Menſchen moͤglich zu ſeyn ſcheinen, da nicht das geringſte Luͤftchen ſich durch die enge, lange und mit Faͤden verſchloßne Roͤhre der Krone hindurch, und in den Keſſel derſelben hineinſchleichen kann. Hieraus folgt alſo, daß, wenn nicht etwa Inſekten die Blume befruchten, dieſelbe nie befruchtet werden kann; welches doch wider die Erfahrung iſt, indem die Pflanzen, obgleich nur ſehr ſparſam, mit guten Samenkoͤrnern angefuͤllte Samenkapſeln hervorbringen. Das erſtemal, da ich die Blumen unterſuchte, waͤhlte ich, wie ich aus den damals gemachten Abbildungen derſelben ſehe, entweder bloß alte Blumen, welche herabhingen, oder, welches wahrſcheinlicher iſt, ich fand die Pflanzen im Herbſt, da ſie noch einige herabhangende, aber keine aufrecht ſtehende Blumen mehr hatten. Theils dieſer Umſtand, theils dieſes, daß ich damals noch nichts von Scheinſaftblumen wußte, fuͤhrte mich irre. Ich glaubte nemlich, daß die Blume eine Saftblume ſey, deren Saft- druͤſe und Safthalter der im Grunde des Keſſels befindliche Koͤr- per waͤre. Hierin glaubte ich um ſo viel weniger mich zu irren, da dieſer Koͤrper fleiſchicht, glatt und weiß iſt. Saft fand ich zwar auf demſelben nicht; indeſſen dachte ich, daß man ſich den Saft wie einen Hauch vorſtellen muͤſſe, mit welchem derſelbe uͤber- zogen ſey, und daß derſelbe ungeachtet ſeiner hoͤchſt geringen Quantitaͤt, welcher wegen er dem menſchlichen Auge unſichtbar ſey, dennoch ſehr kleinen Inſekten, als den Blaſenſuͤßen und noch kleineren, eine reichliche Nahrung verſchaffen koͤnne. Dies, meinte ich, ſey um ſo viel wahrſcheinlicher, da, wenn er in groͤſſerer Quantitaͤt vorhanden waͤre, er die Antheren uͤberſchwem- men, und ihren Staub ganz unbrauchbar machen wuͤrde. Auch mußten mich die fadenfoͤrmigen Haare in der Kronenroͤhre Fig. 13.. wofern ich ſie damals ſchon bemerkte, in dieſer Mei- nung beſtaͤrken; denn ich mußte ſie natuͤrlicherweiſe fuͤr die Saft- decke halten. Hier hatte ich mich nun auf mehr als Eine Art uͤbereilt. Erſtlich gab ich der Analogie den Vorzug vor der Erfahrung, da ich glaubte, daß, ob ich gleich keinen Saft in der Blume gefun- den haͤtte, dieſelbe doch Saft haben muͤſſe, weil ich bisher immer bemerkt hatte, daß alle Blumen, welche nicht auf eine mechani-

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Zitationshilfe: Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793, S. [222]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sprengel_blumen_1793/222>, abgerufen am 21.11.2024.