Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793.[Spaltenumbruch]
Lamium. geflossen ist, so muß er vor dieser haarichten Scheidewand ste-hen bleiben. Ferner wölbet sich die Oberlippe, deren Rand mit Haaren besetzt ist, zwar in einiger Entfernung von der Oeff- nung der Kronenröhre, doch grade über dieselbe, hält also die mehresten Regentropfen, welche auf die Blume fallen, ab, in dieselbe hineinzufallen. Zugleich erhält dieselbe die Antheren trocken. Endlich ist auch die Kronenröhre oberhalb der Saft- decke mit Wolle überzogen, Fig. 18. 4. Die Krone ist weiß; die Unterlippe aber ist ganz schwach Die Blumenkelche, welche zuletzt die Samenbehältnisse sind, Lamium. würde, welche einander sehr unähnlich sind. Der oberste Theil,da er über der Oeffnung der Kronenröhre steht, mußte haupt- sächlich dazu bestimmt werden, diese Oeffnung vor dem Regen zu schützen. Er mußte also die Gestalt eines Gewölbes bekom- men. Die äußere Oberfläche dieses Gewölbes ist dem Regen ausgesetzt, und wird von demselben benetzt, ohne daß hieraus der geringste Nachtheil entstehen kann. Die innere Oberfläche aber bleibt beständig trocken. Unter derselben mußte also den Antheren und dem Stigma ihre Stelle angewiesen werden, damit auch sie trocken blieben. Der unterste Theil aber war hauptsächlich dazu bestimmt, der Blume mehr Ansehen zu verschaffen; er mußte daher von nicht kleinem Umfange seyn. Ferner mußte auf demselben das Saftmaal angebracht werden, und sich bis an die Oeffnung der Kronenröhre er- strecken, damit ein Insekt, welches, durch die Krone angelockt, sich zur Blume hinbegeben, und auf diesen Theil gesetzt hat, von demselben in die Röhre, welche den Saft enthält, hinein- geführt würde. Dieses läßt sich auf die mehresten Blumen, welche in der 5. In der Blume habe ich Ameisen gefunden. Auch von Lamium purpureum. Rothe taube Nessel. Tab. Tab. XVI. 11. Die vergrösserte Blume ohne den Kelch, 21. Dieselbe, von vorne gesehen. 8*. Gestalt der Geschlechtstheile nach dem verschiedenen Al- Tab. XXIII. 8*. Der Kopf einer Hummel, welche die 8**. Derselbe. Durch die Punkte wird der zinnoberfarbene 13*. Derselbe von der Seite. Diese Art hat mit der vorhergehenden eine gleiche Einrich- benen
[Spaltenumbruch]
Lamium. gefloſſen iſt, ſo muß er vor dieſer haarichten Scheidewand ſte-hen bleiben. Ferner woͤlbet ſich die Oberlippe, deren Rand mit Haaren beſetzt iſt, zwar in einiger Entfernung von der Oeff- nung der Kronenroͤhre, doch grade uͤber dieſelbe, haͤlt alſo die mehreſten Regentropfen, welche auf die Blume fallen, ab, in dieſelbe hineinzufallen. Zugleich erhaͤlt dieſelbe die Antheren trocken. Endlich iſt auch die Kronenroͤhre oberhalb der Saft- decke mit Wolle uͤberzogen, Fig. 18. 4. Die Krone iſt weiß; die Unterlippe aber iſt ganz ſchwach Die Blumenkelche, welche zuletzt die Samenbehaͤltniſſe ſind, Lamium. wuͤrde, welche einander ſehr unaͤhnlich ſind. Der oberſte Theil,da er uͤber der Oeffnung der Kronenroͤhre ſteht, mußte haupt- ſaͤchlich dazu beſtimmt werden, dieſe Oeffnung vor dem Regen zu ſchuͤtzen. Er mußte alſo die Geſtalt eines Gewoͤlbes bekom- men. Die aͤußere Oberflaͤche dieſes Gewoͤlbes iſt dem Regen ausgeſetzt, und wird von demſelben benetzt, ohne daß hieraus der geringſte Nachtheil entſtehen kann. Die innere Oberflaͤche aber bleibt beſtaͤndig trocken. Unter derſelben mußte alſo den Antheren und dem Stigma ihre Stelle angewieſen werden, damit auch ſie trocken blieben. Der unterſte Theil aber war hauptſaͤchlich dazu beſtimmt, der Blume mehr Anſehen zu verſchaffen; er mußte daher von nicht kleinem Umfange ſeyn. Ferner mußte auf demſelben das Saftmaal angebracht werden, und ſich bis an die Oeffnung der Kronenroͤhre er- ſtrecken, damit ein Inſekt, welches, durch die Krone angelockt, ſich zur Blume hinbegeben, und auf dieſen Theil geſetzt hat, von demſelben in die Roͤhre, welche den Saft enthaͤlt, hinein- gefuͤhrt wuͤrde. Dieſes laͤßt ſich auf die mehreſten Blumen, welche in der 5. In der Blume habe ich Ameiſen gefunden. Auch von Lamium purpureum. Rothe taube Neſſel. Tab. Tab. XVI. 11. Die vergroͤſſerte Blume ohne den Kelch, 21. Dieſelbe, von vorne geſehen. 8*. Geſtalt der Geſchlechtstheile nach dem verſchiedenen Al- Tab. XXIII. 8*. Der Kopf einer Hummel, welche die 8**. Derſelbe. Durch die Punkte wird der zinnoberfarbene 13*. Derſelbe von der Seite. Dieſe Art hat mit der vorhergehenden eine gleiche Einrich- benen
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Lamium.
Lamium.
gefloſſen iſt, ſo muß er vor dieſer haarichten Scheidewand ſte-
hen bleiben. Ferner woͤlbet ſich die Oberlippe, deren Rand mit
Haaren beſetzt iſt, zwar in einiger Entfernung von der Oeff-
nung der Kronenroͤhre, doch grade uͤber dieſelbe, haͤlt alſo die
mehreſten Regentropfen, welche auf die Blume fallen, ab, in
dieſelbe hineinzufallen. Zugleich erhaͤlt dieſelbe die Antheren
trocken. Endlich iſt auch die Kronenroͤhre oberhalb der Saft-
decke mit Wolle uͤberzogen, Fig. 18.
4. Die Krone iſt weiß; die Unterlippe aber iſt ganz ſchwach
blaßgelb und mit olivenfarbenen Duͤpfelchen geziert, welche an
der Oeffnung der Kronenroͤhre am groͤßten ſind, Fig. 9.
Die Blumenkelche, welche zuletzt die Samenbehaͤltniſſe ſind,
ſitzen in Wirbeln oder Quirlen am Stengel. Es ſind ihrer
ſo viele als moͤglich, nemlich zwoͤlf bis ſechszehn in jedem Wir-
bel, damit ſo viel Samenkoͤrner als moͤglich erzeuget werden.
Sie ſind an den aufrechten Stengel nicht vermittelſt beſonderer
Stiele, ſondern unmittelbar befeſtigt, und haben eine aufrechte
Stellung, beides, damit die Samenkoͤrner nicht von ſelbſt,
oder bey einer geringen Bewegung der Luft herausfallen, ſon-
dern durch einen ſtarken Wind herausgeworfen und weit ver-
ſtreuet werden. Die in dem Kelch ſitzende Roͤhre der Krone
ſteht alſo auch aufrecht. Sie hat eine anſehnliche Laͤnge, weil
ihr unterſter Theil zum Safthalter beſtimmt iſt, und ſie un-
mittelbar oder nahe uͤber demſelben ſich nicht oͤffnen darf, wenn
der Saft gegen den Regen gehoͤrig geſichert ſeyn ſoll. Auf die-
ſer Roͤhre konnte nun nicht ein regulaͤrer und dem Himmel zu-
gekehrter Saum angebracht werden. Denn erſtens, da die
Roͤhre ihrer ganzen Laͤnge nach dem Stengel ſehr nahe iſt, ſo
haͤtte der Saum auf der inneren oder dem Stengel zugekehrten
Seite keinen Raum gehabt ſich auszubreiten. Zweytens waͤren
die Blumen alsdenn von oben am ſtaͤrkſten in die Augen ge-
fallen. Der ganze Stengel ſollte aber mit ſeinen Blumen nicht
von oben, ſondern von allen Seiten am ſtaͤrkſten in die Au-
gen fallen, weil er im erſten Fall in der moͤglich groͤßten Ver-
kuͤrzung erſcheint, die Blumen folglich einander verdecken, da
im Gegentheil, von irgend einer Seite geſehen, ihrer ſo viele
als moͤglich zugleich bemerkt werden. Der Saum mußte alſo
eine horizontale Stellung haben. Nun war es zweckmaͤßig,
daß erſtens derſelbe nicht von einer Seite zur anderen eine eben
ſo große Ausdehnung erhielt, als von oben nach unten zu,
weil die Blumen dicht neben einander, aber in einer ziemli-
chen Entfernung uͤber einander ſtehen, folglich zwar von oben
nach unten zu, nicht aber von einer Seite zur anderen ſich
ausbreiten koͤnnen, ohne einander zu verdecken. Zweytens,
daß derſelbe von oben nach unten zu in zwey Theile getheilt
wuͤrde, welche einander ſehr unaͤhnlich ſind. Der oberſte Theil,
da er uͤber der Oeffnung der Kronenroͤhre ſteht, mußte haupt-
ſaͤchlich dazu beſtimmt werden, dieſe Oeffnung vor dem Regen
zu ſchuͤtzen. Er mußte alſo die Geſtalt eines Gewoͤlbes bekom-
men. Die aͤußere Oberflaͤche dieſes Gewoͤlbes iſt dem Regen
ausgeſetzt, und wird von demſelben benetzt, ohne daß hieraus
der geringſte Nachtheil entſtehen kann. Die innere Oberflaͤche
aber bleibt beſtaͤndig trocken. Unter derſelben mußte alſo den
Antheren und dem Stigma ihre Stelle angewieſen werden,
damit auch ſie trocken blieben. Der unterſte Theil aber war
hauptſaͤchlich dazu beſtimmt, der Blume mehr Anſehen zu
verſchaffen; er mußte daher von nicht kleinem Umfange
ſeyn. Ferner mußte auf demſelben das Saftmaal angebracht
werden, und ſich bis an die Oeffnung der Kronenroͤhre er-
ſtrecken, damit ein Inſekt, welches, durch die Krone angelockt,
ſich zur Blume hinbegeben, und auf dieſen Theil geſetzt hat,
von demſelben in die Roͤhre, welche den Saft enthaͤlt, hinein-
gefuͤhrt wuͤrde.
Dieſes laͤßt ſich auf die mehreſten Blumen, welche in der
erſten Ordnung dieſer Klaſſe (Gymnoſpermia) vorkommen,
anwenden.
5. In der Blume habe ich Ameiſen gefunden. Auch von
Hummeln wird ſie beſucht, und wahrſcheinlich auch befruchtet.
Lamium purpureum. Rothe taube Neſſel. Tab.
XVI. 8*. 11. 21. Tab. XXIII. 8*. 8**. 13*.
Tab. XVI. 11. Die vergroͤſſerte Blume ohne den Kelch,
von der Seite geſehen.
21. Dieſelbe, von vorne geſehen.
8*. Geſtalt der Geſchlechtstheile nach dem verſchiedenen Al-
ter der Blume. a, wann die Blume aufgebrochen iſt. Die An-
theren ſind alsdenn voller Staub; das Stigma aber ſteht zwi-
ſchen denſelben, und die beiden Theile deſſelben liegen noch an
einander, wie b zeigt. d und c, wann die Blume aͤlter gewor-
den iſt.
Tab. XXIII. 8*. Der Kopf einer Hummel, welche die
Blume beſucht, von vorne.
8**. Derſelbe. Durch die Punkte wird der zinnoberfarbene
Fleck angedeutet, welcher aus dem von den Antheren abgeſtreif-
ten Staube beſteht.
13*. Derſelbe von der Seite.
Dieſe Art hat mit der vorhergehenden eine gleiche Einrich-
tung. Die Saftdruͤſe iſt weiß. Das Saftmaal ſind die dun-
kelpurpurfarbenen Flecke auf der Unterlippe der blaßpurpurfarbe-
nen Krone, welche ſich bis an die Oeffnung der Kronenroͤhre er-
ſtrecken. Auch iſt dieſe Oeffnung mit einigen dunkelpurpurfar-
benen
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