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Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793.

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Oenothera.
ersten vor sich gehen, weil noch kein Stigma vorhanden ist. Es
läßt sich aber nicht gedenken, daß die Natur die Blume die erste
Nacht hindurch vergebens sollte blühen lassen. Folglich geschieht
die Befruchtung durch ein Nachtinsekt, welches den Staub der
blühenden Antheren der jüngeren Blumen auf das blühende
Stigma der älteren bringt.

Tagesinsekten habe ich noch niemals auf den Blumen ange-
troffen, ausgenommen Ameisen, welche ich beym Safttropfen
fand. Diese aber können dieselben nicht befruchten. An einem
Tage, da es dunkles Wetter war, und anhaltend regnete, be-
merkte ich Vormittags um 11 Uhr in meinem Garten, daß ein
ziemlich großer Dämmerungsschmetterling die Blumen dieser Art
und der Oenothera muricata besuchte. Er steckte seinen grade
gestreckten Saugerüssel, welcher ungefähr so lang war, als sein
ganzer Körper, in den Safthalter, blieb dabey in der Luft schwe-
ben, und bewegte seine Flügel überaus schnell. Auf solche Art
genoß er den Saft, ohne von den mit Regentropfen benetzten
Blumen naß zu werden. Ich bemühete mich ihn zu fangen, um
zu sehen, ob er an seinem Körper, besonders an den Flügeln An-
therenstaub hätte; er entging aber meinen Nachstellungen. Es
mag nun dieses, oder ein anderes Insekt zur Befruchtung der
Blumen bestimmt seyn, so muß dasselbe ziemlich gemein seyn,
weil die Befruchtung selten fehlschlägt.

Noch im Januar fand ich im Grunde der Samenkapseln Sa-
menkörner. Die Winde also, welche vom October, da dieselben
reif geworden waren, bis zum Januar gewehet hatten, waren
nicht heftig genug gewesen, diese Samenkörner herauszuwerfen,
folglich waren die übrigen, welche nicht mehr in den Kapseln vor-
handen waren, durch die heftigsten Winde, welche bisher gewehet
hatten, herausgeworfen, und also sehr weit und breit verstreuet
worden. Aus der Gestalt der Samenkörner, und aus der Art
und Weise, wie sie auf den Erdboden verstreuet werden, läßt sich
noch Folgendes erklären. In manchen Gegenden steht die Pflanze
im größten Ueberfluß, besonders in neuen Schonungen, wo sie
vor dem Vieh sicher ist, und von den kleinen Bäumen nicht er-
stickt wird. Hier hat es das Ansehen, als wenn sie nicht wild
wüchse, sondern von Menschen gebauet würde. In andern Ge-
genden aber, welche den ersteren in Ansehung der Beschaffenheit
des Erdbodens völlig gleich sind, findet man sie gar nicht. Bei-
des kömmt daher, weil die Samenkörner vom Winde zwar in ei-
nen großen Raum um die Pflanze herum verstreuet werden, kei-
nesweges aber aus dieser Gegend in eine andere, besonders wenn
beide durch ein großes Wasser von einander getrennt sind, geführt
werden können. Die hiesige Gegend liefert hievon ein einleuch
tendes Beyspiel. Wer die Oesfeldische Charte von der Ge-
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Oenothera.
gend bey Berlin und Potsdam zur Hand hat, ziehe in Gedanken
eine grade Linie von dem östlichen Ende des Sees bey Falkenha-
gen durch den Stern bis an die Spree: so zeigt ihm diese Linie
die Lage und Länge einer Kette von Sandhügeln. Diese Kette
wird zwar durch die Havel, und auf beiden Seiten derselben et-
was unterbrochen; es ist aber wahrscheinlich, daß sie ehemals
zusammengehangen, und die Havel sich einen Weg durch dieselbe
gemacht, die Kultur aber auf beiden Seiten des Flusses das Ue-
brige gethan habe. Auf der westlichen Hälfte dieser Hügelkette
nun steht die Nachtkerze sehr häufig, besonders in den Schonun-
gen, welche daselbst vor einigen Jahren angelegt worden sind.
Auf der östlichen Hälfte hingegen findet man sie nicht, ausgenom-
men, daß ich im vergangenen Jahr in der Heide hinter dem
Stern an zwey Stellen in einer Schonung einige Pflanzen ange-
troffen habe. Die Samenkörner aber, aus welchen diese Pflan-
zen entstanden sind, können unmöglich durch den Wind von der
westlichen Hälfte hieher geführt worden seyn, sondern müssen auf
eine andere Art hieher gekommen seyn. *) Auf beiden Hälften
hingegen befindet sich das Federgras (Stipa pennata) sehr häufig,
und zwar, welches merkwürdig ist, bloß auf der Mittagsseite,
keinesweges aber auf der Mitternachtsseite der Hügel. Ich wähle
diese Pflanze um so viel lieber, da sie in den hiesigen Gegenden
selten ist. Gleditsch (Vermischte Abhandlungen 3. Th. S.
126.) führt unter den wenigen Gegenden der Mark, wo er die-
ses Gras gefunden hat, die östliche Hälfte jener Hügelkette an.
Daher auch der selige Mann, wenn er mit seinen Schülern in
der hiesigen Gegend botanisirte, dieses Gras in der Gegend des
Sterns eifrig aufzusuchen, und seine Schüler recht aufmerksam
auf dasselbe zu machen pflegte. Und die beiden Stellen, welche
Hr. D. Willdenow in seiner Berlinischen Flora als die einzi-
gen Standörter dieses Grases anführt, sind diese beiden Hälften
jener Hügelkette. Woher kömmt es also, daß das Federgras auf
beiden Hälften, die Nachtkerze aber nur auf der einen anzutreffen
ist? Diese Frage ist leicht zu beantworten. Gesetzt, der Zufall
habe zu irgend einer Zeit auf der westlichen Hälfte ein Samen-
korn des Federgrases, und zu einer andern ein Samenkorn der

*) Ueberhaupt habe ich in neuangelegten Schonungen zuweilen eine
einzelne Pflanze angetroffen, von welcher ich nicht begreifen
konnte, wie sie dahin gekommen war. Dahin gehört Anthyllis
Vulneraria,
welche ich in einer Schonung bey Charlottenburg
fand, und Aquilegia vulgaris, welche ich in der Stadtheide
fand. Von jener ist mir nur ein einziger Standort bekannt,
nemlich bey Falkenhagen; diese ist in hiesiger Gegend gar nicht
zu finden. Zu denen Arten, von welchen ich bisher nur ein ein-
ziges Exemplar gefunden habe, gehört auch Aucna pratensis,
Melampyrum aruense, Trifolium hybridum, Orobanche maior.

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Oenothera.
erſten vor ſich gehen, weil noch kein Stigma vorhanden iſt. Es
laͤßt ſich aber nicht gedenken, daß die Natur die Blume die erſte
Nacht hindurch vergebens ſollte bluͤhen laſſen. Folglich geſchieht
die Befruchtung durch ein Nachtinſekt, welches den Staub der
bluͤhenden Antheren der juͤngeren Blumen auf das bluͤhende
Stigma der aͤlteren bringt.

Tagesinſekten habe ich noch niemals auf den Blumen ange-
troffen, ausgenommen Ameiſen, welche ich beym Safttropfen
fand. Dieſe aber koͤnnen dieſelben nicht befruchten. An einem
Tage, da es dunkles Wetter war, und anhaltend regnete, be-
merkte ich Vormittags um 11 Uhr in meinem Garten, daß ein
ziemlich großer Daͤmmerungsſchmetterling die Blumen dieſer Art
und der Oenothera muricata beſuchte. Er ſteckte ſeinen grade
geſtreckten Saugeruͤſſel, welcher ungefaͤhr ſo lang war, als ſein
ganzer Koͤrper, in den Safthalter, blieb dabey in der Luft ſchwe-
ben, und bewegte ſeine Fluͤgel uͤberaus ſchnell. Auf ſolche Art
genoß er den Saft, ohne von den mit Regentropfen benetzten
Blumen naß zu werden. Ich bemuͤhete mich ihn zu fangen, um
zu ſehen, ob er an ſeinem Koͤrper, beſonders an den Fluͤgeln An-
therenſtaub haͤtte; er entging aber meinen Nachſtellungen. Es
mag nun dieſes, oder ein anderes Inſekt zur Befruchtung der
Blumen beſtimmt ſeyn, ſo muß daſſelbe ziemlich gemein ſeyn,
weil die Befruchtung ſelten fehlſchlaͤgt.

Noch im Januar fand ich im Grunde der Samenkapſeln Sa-
menkoͤrner. Die Winde alſo, welche vom October, da dieſelben
reif geworden waren, bis zum Januar gewehet hatten, waren
nicht heftig genug geweſen, dieſe Samenkoͤrner herauszuwerfen,
folglich waren die uͤbrigen, welche nicht mehr in den Kapſeln vor-
handen waren, durch die heftigſten Winde, welche bisher gewehet
hatten, herausgeworfen, und alſo ſehr weit und breit verſtreuet
worden. Aus der Geſtalt der Samenkoͤrner, und aus der Art
und Weiſe, wie ſie auf den Erdboden verſtreuet werden, laͤßt ſich
noch Folgendes erklaͤren. In manchen Gegenden ſteht die Pflanze
im groͤßten Ueberfluß, beſonders in neuen Schonungen, wo ſie
vor dem Vieh ſicher iſt, und von den kleinen Baͤumen nicht er-
ſtickt wird. Hier hat es das Anſehen, als wenn ſie nicht wild
wuͤchſe, ſondern von Menſchen gebauet wuͤrde. In andern Ge-
genden aber, welche den erſteren in Anſehung der Beſchaffenheit
des Erdbodens voͤllig gleich ſind, findet man ſie gar nicht. Bei-
des koͤmmt daher, weil die Samenkoͤrner vom Winde zwar in ei-
nen großen Raum um die Pflanze herum verſtreuet werden, kei-
nesweges aber aus dieſer Gegend in eine andere, beſonders wenn
beide durch ein großes Waſſer von einander getrennt ſind, gefuͤhrt
werden koͤnnen. Die hieſige Gegend liefert hievon ein einleuch
tendes Beyſpiel. Wer die Oesfeldiſche Charte von der Ge-
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Oenothera.
gend bey Berlin und Potsdam zur Hand hat, ziehe in Gedanken
eine grade Linie von dem oͤſtlichen Ende des Sees bey Falkenha-
gen durch den Stern bis an die Spree: ſo zeigt ihm dieſe Linie
die Lage und Laͤnge einer Kette von Sandhuͤgeln. Dieſe Kette
wird zwar durch die Havel, und auf beiden Seiten derſelben et-
was unterbrochen; es iſt aber wahrſcheinlich, daß ſie ehemals
zuſammengehangen, und die Havel ſich einen Weg durch dieſelbe
gemacht, die Kultur aber auf beiden Seiten des Fluſſes das Ue-
brige gethan habe. Auf der weſtlichen Haͤlfte dieſer Huͤgelkette
nun ſteht die Nachtkerze ſehr haͤufig, beſonders in den Schonun-
gen, welche daſelbſt vor einigen Jahren angelegt worden ſind.
Auf der oͤſtlichen Haͤlfte hingegen findet man ſie nicht, ausgenom-
men, daß ich im vergangenen Jahr in der Heide hinter dem
Stern an zwey Stellen in einer Schonung einige Pflanzen ange-
troffen habe. Die Samenkoͤrner aber, aus welchen dieſe Pflan-
zen entſtanden ſind, koͤnnen unmoͤglich durch den Wind von der
weſtlichen Haͤlfte hieher gefuͤhrt worden ſeyn, ſondern muͤſſen auf
eine andere Art hieher gekommen ſeyn. *) Auf beiden Haͤlften
hingegen befindet ſich das Federgras (Stipa pennata) ſehr haͤufig,
und zwar, welches merkwuͤrdig iſt, bloß auf der Mittagsſeite,
keinesweges aber auf der Mitternachtsſeite der Huͤgel. Ich waͤhle
dieſe Pflanze um ſo viel lieber, da ſie in den hieſigen Gegenden
ſelten iſt. Gleditſch (Vermiſchte Abhandlungen 3. Th. S.
126.) fuͤhrt unter den wenigen Gegenden der Mark, wo er die-
ſes Gras gefunden hat, die oͤſtliche Haͤlfte jener Huͤgelkette an.
Daher auch der ſelige Mann, wenn er mit ſeinen Schuͤlern in
der hieſigen Gegend botaniſirte, dieſes Gras in der Gegend des
Sterns eifrig aufzuſuchen, und ſeine Schuͤler recht aufmerkſam
auf daſſelbe zu machen pflegte. Und die beiden Stellen, welche
Hr. D. Willdenow in ſeiner Berliniſchen Flora als die einzi-
gen Standoͤrter dieſes Graſes anfuͤhrt, ſind dieſe beiden Haͤlften
jener Huͤgelkette. Woher koͤmmt es alſo, daß das Federgras auf
beiden Haͤlften, die Nachtkerze aber nur auf der einen anzutreffen
iſt? Dieſe Frage iſt leicht zu beantworten. Geſetzt, der Zufall
habe zu irgend einer Zeit auf der weſtlichen Haͤlfte ein Samen-
korn des Federgraſes, und zu einer andern ein Samenkorn der

*) Ueberhaupt habe ich in neuangelegten Schonungen zuweilen eine
einzelne Pflanze angetroffen, von welcher ich nicht begreifen
konnte, wie ſie dahin gekommen war. Dahin gehoͤrt Anthyllis
Vulneraria,
welche ich in einer Schonung bey Charlottenburg
fand, und Aquilegia vulgaris, welche ich in der Stadtheide
fand. Von jener iſt mir nur ein einziger Standort bekannt,
nemlich bey Falkenhagen; dieſe iſt in hieſiger Gegend gar nicht
zu finden. Zu denen Arten, von welchen ich bisher nur ein ein-
ziges Exemplar gefunden habe, gehoͤrt auch Aucna pratenſis,
Melampyrum aruenſe, Trifolium hybridum, Orobanche maior.
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[[123]/0123] Oenothera. Oenothera. erſten vor ſich gehen, weil noch kein Stigma vorhanden iſt. Es laͤßt ſich aber nicht gedenken, daß die Natur die Blume die erſte Nacht hindurch vergebens ſollte bluͤhen laſſen. Folglich geſchieht die Befruchtung durch ein Nachtinſekt, welches den Staub der bluͤhenden Antheren der juͤngeren Blumen auf das bluͤhende Stigma der aͤlteren bringt. Tagesinſekten habe ich noch niemals auf den Blumen ange- troffen, ausgenommen Ameiſen, welche ich beym Safttropfen fand. Dieſe aber koͤnnen dieſelben nicht befruchten. An einem Tage, da es dunkles Wetter war, und anhaltend regnete, be- merkte ich Vormittags um 11 Uhr in meinem Garten, daß ein ziemlich großer Daͤmmerungsſchmetterling die Blumen dieſer Art und der Oenothera muricata beſuchte. Er ſteckte ſeinen grade geſtreckten Saugeruͤſſel, welcher ungefaͤhr ſo lang war, als ſein ganzer Koͤrper, in den Safthalter, blieb dabey in der Luft ſchwe- ben, und bewegte ſeine Fluͤgel uͤberaus ſchnell. Auf ſolche Art genoß er den Saft, ohne von den mit Regentropfen benetzten Blumen naß zu werden. Ich bemuͤhete mich ihn zu fangen, um zu ſehen, ob er an ſeinem Koͤrper, beſonders an den Fluͤgeln An- therenſtaub haͤtte; er entging aber meinen Nachſtellungen. Es mag nun dieſes, oder ein anderes Inſekt zur Befruchtung der Blumen beſtimmt ſeyn, ſo muß daſſelbe ziemlich gemein ſeyn, weil die Befruchtung ſelten fehlſchlaͤgt. Noch im Januar fand ich im Grunde der Samenkapſeln Sa- menkoͤrner. Die Winde alſo, welche vom October, da dieſelben reif geworden waren, bis zum Januar gewehet hatten, waren nicht heftig genug geweſen, dieſe Samenkoͤrner herauszuwerfen, folglich waren die uͤbrigen, welche nicht mehr in den Kapſeln vor- handen waren, durch die heftigſten Winde, welche bisher gewehet hatten, herausgeworfen, und alſo ſehr weit und breit verſtreuet worden. Aus der Geſtalt der Samenkoͤrner, und aus der Art und Weiſe, wie ſie auf den Erdboden verſtreuet werden, laͤßt ſich noch Folgendes erklaͤren. In manchen Gegenden ſteht die Pflanze im groͤßten Ueberfluß, beſonders in neuen Schonungen, wo ſie vor dem Vieh ſicher iſt, und von den kleinen Baͤumen nicht er- ſtickt wird. Hier hat es das Anſehen, als wenn ſie nicht wild wuͤchſe, ſondern von Menſchen gebauet wuͤrde. In andern Ge- genden aber, welche den erſteren in Anſehung der Beſchaffenheit des Erdbodens voͤllig gleich ſind, findet man ſie gar nicht. Bei- des koͤmmt daher, weil die Samenkoͤrner vom Winde zwar in ei- nen großen Raum um die Pflanze herum verſtreuet werden, kei- nesweges aber aus dieſer Gegend in eine andere, beſonders wenn beide durch ein großes Waſſer von einander getrennt ſind, gefuͤhrt werden koͤnnen. Die hieſige Gegend liefert hievon ein einleuch tendes Beyſpiel. Wer die Oesfeldiſche Charte von der Ge- gend bey Berlin und Potsdam zur Hand hat, ziehe in Gedanken eine grade Linie von dem oͤſtlichen Ende des Sees bey Falkenha- gen durch den Stern bis an die Spree: ſo zeigt ihm dieſe Linie die Lage und Laͤnge einer Kette von Sandhuͤgeln. Dieſe Kette wird zwar durch die Havel, und auf beiden Seiten derſelben et- was unterbrochen; es iſt aber wahrſcheinlich, daß ſie ehemals zuſammengehangen, und die Havel ſich einen Weg durch dieſelbe gemacht, die Kultur aber auf beiden Seiten des Fluſſes das Ue- brige gethan habe. Auf der weſtlichen Haͤlfte dieſer Huͤgelkette nun ſteht die Nachtkerze ſehr haͤufig, beſonders in den Schonun- gen, welche daſelbſt vor einigen Jahren angelegt worden ſind. Auf der oͤſtlichen Haͤlfte hingegen findet man ſie nicht, ausgenom- men, daß ich im vergangenen Jahr in der Heide hinter dem Stern an zwey Stellen in einer Schonung einige Pflanzen ange- troffen habe. Die Samenkoͤrner aber, aus welchen dieſe Pflan- zen entſtanden ſind, koͤnnen unmoͤglich durch den Wind von der weſtlichen Haͤlfte hieher gefuͤhrt worden ſeyn, ſondern muͤſſen auf eine andere Art hieher gekommen ſeyn. *) Auf beiden Haͤlften hingegen befindet ſich das Federgras (Stipa pennata) ſehr haͤufig, und zwar, welches merkwuͤrdig iſt, bloß auf der Mittagsſeite, keinesweges aber auf der Mitternachtsſeite der Huͤgel. Ich waͤhle dieſe Pflanze um ſo viel lieber, da ſie in den hieſigen Gegenden ſelten iſt. Gleditſch (Vermiſchte Abhandlungen 3. Th. S. 126.) fuͤhrt unter den wenigen Gegenden der Mark, wo er die- ſes Gras gefunden hat, die oͤſtliche Haͤlfte jener Huͤgelkette an. Daher auch der ſelige Mann, wenn er mit ſeinen Schuͤlern in der hieſigen Gegend botaniſirte, dieſes Gras in der Gegend des Sterns eifrig aufzuſuchen, und ſeine Schuͤler recht aufmerkſam auf daſſelbe zu machen pflegte. Und die beiden Stellen, welche Hr. D. Willdenow in ſeiner Berliniſchen Flora als die einzi- gen Standoͤrter dieſes Graſes anfuͤhrt, ſind dieſe beiden Haͤlften jener Huͤgelkette. Woher koͤmmt es alſo, daß das Federgras auf beiden Haͤlften, die Nachtkerze aber nur auf der einen anzutreffen iſt? Dieſe Frage iſt leicht zu beantworten. Geſetzt, der Zufall habe zu irgend einer Zeit auf der weſtlichen Haͤlfte ein Samen- korn des Federgraſes, und zu einer andern ein Samenkorn der *) Ueberhaupt habe ich in neuangelegten Schonungen zuweilen eine einzelne Pflanze angetroffen, von welcher ich nicht begreifen konnte, wie ſie dahin gekommen war. Dahin gehoͤrt Anthyllis Vulneraria, welche ich in einer Schonung bey Charlottenburg fand, und Aquilegia vulgaris, welche ich in der Stadtheide fand. Von jener iſt mir nur ein einziger Standort bekannt, nemlich bey Falkenhagen; dieſe iſt in hieſiger Gegend gar nicht zu finden. Zu denen Arten, von welchen ich bisher nur ein ein- ziges Exemplar gefunden habe, gehoͤrt auch Aucna pratenſis, Melampyrum aruenſe, Trifolium hybridum, Orobanche maior.

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Zitationshilfe: Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793, S. [123]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sprengel_blumen_1793/123>, abgerufen am 07.05.2024.