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Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793.

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Vorbereitung.

Diese Vorbereitung ist bloß für diejenigen Leser bestimmt, welche keine botanische Kenntnisse besitzen.

[Spaltenumbruch]

Ich hoffe, daß der Inhalt dieses Buchs auch für solche
Personen einiges Interesse haben wird, welche an der Be-
trachtung der Werke der Natur ein Vergnügen finden, wel-
chen es aber an Zeit oder Gelegenheit gefehlt hat, eine wis-
senschaftliche Kenntniß von denselben überhaupt, und von
den Pflanzen insonderheit, sich zu verschaffen. Da dieselben
nun, ohne einen Begriff von den Bestandtheilen der Blu-
men zu haben, das Buch schwerlich verstehen würden: so
habe ich es für meine Pflicht gehalten, für sie folgende kurze
Anweisung aufzusetzen, wobey ich die einem Jeden bekannte,
obgleich in manchen Stücken von der gewöhnlichen Struktur
der Blumen abweichende, Tulpe zum Grunde legen will.

Wenn wir in eine Tulpe, welche sich geöffnet hat,
hineinsehen, so erblicken wir in der Mitte derselben einen
länglichen verloren dreyseitigen Körper, welcher das Pistill
(der Stempel, pistillum) genannt wird. Derselbe besteht
aus zwey Theilen. Der unterste längere Theil heißt der
Fruchtknoten (germen), und wird zuletzt die Samen-
kapsel. Da nun die eigentliche Absicht der Ratur, warum
sie die Blume hervorbringt, dahin geht, Samenkörner,
d. i., Pflanzenembryone hervorzubringen: so ist dieser Theil
der wichtigste unter allen, und die übrigen sind bloß seinet-
wegen da. Der oberste kürzere dreytheilige Theil heißt das
Stigma, oder die Narbe. Wozu derselbe diene, kann
man nicht einsehen, bevor man nicht weiß, was eine An-
there ist. Um das Pistill herum stehen sechs Körper, welche
man die Staubgefäße (Staubfäden, stamina) nennt.
Ein jeder von denselben besteht aus zwey Theilen. Den
untersten nennt man das Filament (den Faden), den
obersten, welchen jener trägt, die Anthere (den Staub-
beutel). Sämmtliche Antheren sind mit einem Staube
bedeckt, welchen sie selbst bereitet haben. Dieser Staub
dient zur Befruchtung des Frnchtknotens, oder vielmehr der
in demselben befindlichen jungen Samen, und wenn nicht
ein hinlänglicher Theil desselben auf das Stigma gebracht
wird, so kann aus dem Fruchtknoten keine mit guten und
[Spaltenumbruch] zur Fortpflanzung der Art tüchtigen Samenkörnern ange-
füllte Samenkapsel werden. Wenn aber der Staub auf
das Stigma gekommen ist, so dringt zwar nicht er selbst,
als der viel zu grob dazu ist, aber doch das feine befruch-
tende Wesen, welches er enthält, durch dasselbe hindurch
und in das Innere des Fruchtknotens hinein, und wirkt
auf die Samenkeime so, als im Thierreich der männliche
Same auf den Eyerstock des Weibchens. Wegen dieser
Aehnlichkeit der Befruchtungsart nennt man die Staubge-
fäße die männlichen, das Pistill hingegen den weibli-
chen
Befruchtungstheil, und es ist leicht einzusehen, daß
dieses die wesentlichsten Theile der Blume sind.

Daß bey dieser Blume das Stigma unmittelbar auf
dem Fruchtknoten sitzt, ist das erste Stück, worin sie von
der gewöhnlichen Struktur der Blumen abweicht. Denn
gewöhnlich befindet sich zwischen dem Stigma und dem
Fruchtknoten noch ein dünnerer und oftmals ziemlich langer
Theil, welcher der Griffel (stylus) genannt wird. Da
also der Griffel in manchen Blumen fehlt, so ist er nicht als
ein schlechterdings nothwendiger Theil anzusehen. Ein glei-
ches gilt von den Filamenten, welche auch in einigen Blu-
men fehlen.

Da nun die Tulpe sowohl männliche, als weibliche
Befruchtungstheile hat, so ist sie eine Zwitterblume.
Hätte sie bloß Staubgefäße, aber kein Pistill, so würde sie
eine männliche, und umgekehrt, wenn sie zwar ein
Pistill, aber keine Staubgefäße hätte, eine weibliche
Blume seyn. Und wenn sie weder männliche, noch weib-
liche Befruchtungstheile hätte, so würde sie eine ge-
schlechtslose
Blume genannt werden. Eine Zwitter-
blume ist an und für sich im Stande, eine Frucht anzu-
setzen, eine weibliche Blume kann schlechterdings keine Frucht
ansetzen, wenn nicht auch eine männliche vorhanden ist, von
welcher sie Staub erhält, und eine männliche kann zwar
selbst keine Frucht ansetzen, verursacht aber, daß die weib-
liche solches thun kann. Eine geschlechtslose Blume kann
weder selbst eine Frucht hervorbringen, noch zur Befruch-

)( 2

Vorbereitung.

Dieſe Vorbereitung iſt bloß fuͤr diejenigen Leſer beſtimmt, welche keine botaniſche Kenntniſſe beſitzen.

[Spaltenumbruch]

Ich hoffe, daß der Inhalt dieſes Buchs auch fuͤr ſolche
Perſonen einiges Intereſſe haben wird, welche an der Be-
trachtung der Werke der Natur ein Vergnuͤgen finden, wel-
chen es aber an Zeit oder Gelegenheit gefehlt hat, eine wiſ-
ſenſchaftliche Kenntniß von denſelben uͤberhaupt, und von
den Pflanzen inſonderheit, ſich zu verſchaffen. Da dieſelben
nun, ohne einen Begriff von den Beſtandtheilen der Blu-
men zu haben, das Buch ſchwerlich verſtehen wuͤrden: ſo
habe ich es fuͤr meine Pflicht gehalten, fuͤr ſie folgende kurze
Anweiſung aufzuſetzen, wobey ich die einem Jeden bekannte,
obgleich in manchen Stuͤcken von der gewoͤhnlichen Struktur
der Blumen abweichende, Tulpe zum Grunde legen will.

Wenn wir in eine Tulpe, welche ſich geoͤffnet hat,
hineinſehen, ſo erblicken wir in der Mitte derſelben einen
laͤnglichen verloren dreyſeitigen Koͤrper, welcher das Piſtill
(der Stempel, piſtillum) genannt wird. Derſelbe beſteht
aus zwey Theilen. Der unterſte laͤngere Theil heißt der
Fruchtknoten (germen), und wird zuletzt die Samen-
kapſel. Da nun die eigentliche Abſicht der Ratur, warum
ſie die Blume hervorbringt, dahin geht, Samenkoͤrner,
d. i., Pflanzenembryone hervorzubringen: ſo iſt dieſer Theil
der wichtigſte unter allen, und die uͤbrigen ſind bloß ſeinet-
wegen da. Der oberſte kuͤrzere dreytheilige Theil heißt das
Stigma, oder die Narbe. Wozu derſelbe diene, kann
man nicht einſehen, bevor man nicht weiß, was eine An-
there iſt. Um das Piſtill herum ſtehen ſechs Koͤrper, welche
man die Staubgefaͤße (Staubfaͤden, ſtamina) nennt.
Ein jeder von denſelben beſteht aus zwey Theilen. Den
unterſten nennt man das Filament (den Faden), den
oberſten, welchen jener traͤgt, die Anthere (den Staub-
beutel). Saͤmmtliche Antheren ſind mit einem Staube
bedeckt, welchen ſie ſelbſt bereitet haben. Dieſer Staub
dient zur Befruchtung des Frnchtknotens, oder vielmehr der
in demſelben befindlichen jungen Samen, und wenn nicht
ein hinlaͤnglicher Theil deſſelben auf das Stigma gebracht
wird, ſo kann aus dem Fruchtknoten keine mit guten und
[Spaltenumbruch] zur Fortpflanzung der Art tuͤchtigen Samenkoͤrnern ange-
fuͤllte Samenkapſel werden. Wenn aber der Staub auf
das Stigma gekommen iſt, ſo dringt zwar nicht er ſelbſt,
als der viel zu grob dazu iſt, aber doch das feine befruch-
tende Weſen, welches er enthaͤlt, durch daſſelbe hindurch
und in das Innere des Fruchtknotens hinein, und wirkt
auf die Samenkeime ſo, als im Thierreich der maͤnnliche
Same auf den Eyerſtock des Weibchens. Wegen dieſer
Aehnlichkeit der Befruchtungsart nennt man die Staubge-
faͤße die maͤnnlichen, das Piſtill hingegen den weibli-
chen
Befruchtungstheil, und es iſt leicht einzuſehen, daß
dieſes die weſentlichſten Theile der Blume ſind.

Daß bey dieſer Blume das Stigma unmittelbar auf
dem Fruchtknoten ſitzt, iſt das erſte Stuͤck, worin ſie von
der gewoͤhnlichen Struktur der Blumen abweicht. Denn
gewoͤhnlich befindet ſich zwiſchen dem Stigma und dem
Fruchtknoten noch ein duͤnnerer und oftmals ziemlich langer
Theil, welcher der Griffel (ſtylus) genannt wird. Da
alſo der Griffel in manchen Blumen fehlt, ſo iſt er nicht als
ein ſchlechterdings nothwendiger Theil anzuſehen. Ein glei-
ches gilt von den Filamenten, welche auch in einigen Blu-
men fehlen.

Da nun die Tulpe ſowohl maͤnnliche, als weibliche
Befruchtungstheile hat, ſo iſt ſie eine Zwitterblume.
Haͤtte ſie bloß Staubgefaͤße, aber kein Piſtill, ſo wuͤrde ſie
eine maͤnnliche, und umgekehrt, wenn ſie zwar ein
Piſtill, aber keine Staubgefaͤße haͤtte, eine weibliche
Blume ſeyn. Und wenn ſie weder maͤnnliche, noch weib-
liche Befruchtungstheile haͤtte, ſo wuͤrde ſie eine ge-
ſchlechtsloſe
Blume genannt werden. Eine Zwitter-
blume iſt an und fuͤr ſich im Stande, eine Frucht anzu-
ſetzen, eine weibliche Blume kann ſchlechterdings keine Frucht
anſetzen, wenn nicht auch eine maͤnnliche vorhanden iſt, von
welcher ſie Staub erhaͤlt, und eine maͤnnliche kann zwar
ſelbſt keine Frucht anſetzen, verurſacht aber, daß die weib-
liche ſolches thun kann. Eine geſchlechtsloſe Blume kann
weder ſelbſt eine Frucht hervorbringen, noch zur Befruch-

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Zitationshilfe: Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793, S. [11]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sprengel_blumen_1793/11>, abgerufen am 26.04.2024.