Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spitzer, Daniel: Das Herrenrecht. Eine Novelle in Briefen. Wien, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

von seinen braven eigenen Söhnen schon nach fünf und vierzig Tagen erschlagen wurde, die dem Tobias sein Vermögen wiedergaben. - Solche grosse Fluctuationen im Besitzwechsel kamen schon damals vor, wo noch nicht eigene Fondsbörsen zu diesem Zwecke errichtet worden waren. - Der gottesfürchtige Tobias aber musste sich, da der Himmel seine Geduld erproben wollte, einer schweren Prüfung unterziehen, denn "da er schlief, fiel aus einem Schwalbenneste der warme Koth auf seine Augen und er ward blind". Einem solchen Examen werden in der Bibel, Gott sei Dank, immer nur die Frommen unterzogen, was gewiss zur Beruhigung der Gottlosen in damaliger Zeit nicht wenig beigetragen haben wird. Doch der Candidat bestand seine Prüfung mit sehr gutem Erfolge, denn er beklagte sich nicht im Geringsten, dagegen machte ihm seine ungeprüfte Frau, Anna, das Leben von nun an derart sauer, dass er sich den Tod wünschte. In der Erwartung desselben rief er seinen Sohn Tobias junior zu sich und beauftragte ihn, eine ausständige Schuld von zehn Talenten

von seinen braven eigenen Söhnen schon nach fünf und vierzig Tagen erschlagen wurde, die dem Tobias sein Vermögen wiedergaben. – Solche grosse Fluctuationen im Besitzwechsel kamen schon damals vor, wo noch nicht eigene Fondsbörsen zu diesem Zwecke errichtet worden waren. – Der gottesfürchtige Tobias aber musste sich, da der Himmel seine Geduld erproben wollte, einer schweren Prüfung unterziehen, denn »da er schlief, fiel aus einem Schwalbenneste der warme Koth auf seine Augen und er ward blind«. Einem solchen Examen werden in der Bibel, Gott sei Dank, immer nur die Frommen unterzogen, was gewiss zur Beruhigung der Gottlosen in damaliger Zeit nicht wenig beigetragen haben wird. Doch der Candidat bestand seine Prüfung mit sehr gutem Erfolge, denn er beklagte sich nicht im Geringsten, dagegen machte ihm seine ungeprüfte Frau, Anna, das Leben von nun an derart sauer, dass er sich den Tod wünschte. In der Erwartung desselben rief er seinen Sohn Tobias junior zu sich und beauftragte ihn, eine ausständige Schuld von zehn Talenten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0059" n="57"/>
von seinen braven eigenen Söhnen schon nach fünf und vierzig Tagen erschlagen wurde, die dem Tobias sein Vermögen wiedergaben. &#x2013; Solche grosse Fluctuationen im Besitzwechsel kamen schon damals vor, wo noch nicht eigene Fondsbörsen zu diesem Zwecke errichtet worden waren. &#x2013; Der gottesfürchtige Tobias aber musste sich, da der Himmel seine Geduld erproben wollte, einer schweren Prüfung unterziehen, denn »da er schlief, fiel aus einem Schwalbenneste der warme Koth auf seine Augen und er ward blind«. Einem solchen Examen werden in der Bibel, Gott sei Dank, immer nur die Frommen unterzogen, was gewiss zur Beruhigung der Gottlosen in damaliger Zeit nicht wenig beigetragen haben wird. Doch der Candidat bestand seine Prüfung mit sehr gutem Erfolge, denn er beklagte sich nicht im Geringsten, dagegen machte ihm seine ungeprüfte Frau, Anna, das Leben von nun an derart sauer, dass er sich den Tod wünschte. In der Erwartung desselben rief er seinen Sohn Tobias junior zu sich und beauftragte ihn, eine ausständige Schuld von zehn Talenten
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[57/0059] von seinen braven eigenen Söhnen schon nach fünf und vierzig Tagen erschlagen wurde, die dem Tobias sein Vermögen wiedergaben. – Solche grosse Fluctuationen im Besitzwechsel kamen schon damals vor, wo noch nicht eigene Fondsbörsen zu diesem Zwecke errichtet worden waren. – Der gottesfürchtige Tobias aber musste sich, da der Himmel seine Geduld erproben wollte, einer schweren Prüfung unterziehen, denn »da er schlief, fiel aus einem Schwalbenneste der warme Koth auf seine Augen und er ward blind«. Einem solchen Examen werden in der Bibel, Gott sei Dank, immer nur die Frommen unterzogen, was gewiss zur Beruhigung der Gottlosen in damaliger Zeit nicht wenig beigetragen haben wird. Doch der Candidat bestand seine Prüfung mit sehr gutem Erfolge, denn er beklagte sich nicht im Geringsten, dagegen machte ihm seine ungeprüfte Frau, Anna, das Leben von nun an derart sauer, dass er sich den Tod wünschte. In der Erwartung desselben rief er seinen Sohn Tobias junior zu sich und beauftragte ihn, eine ausständige Schuld von zehn Talenten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spitzer_herrenrecht_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spitzer_herrenrecht_1877/59
Zitationshilfe: Spitzer, Daniel: Das Herrenrecht. Eine Novelle in Briefen. Wien, 1877, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spitzer_herrenrecht_1877/59>, abgerufen am 23.11.2024.