Spitzer, Daniel: Das Herrenrecht. Eine Novelle in Briefen. Wien, 1877.sobald er sein Werk über das Jus primae noctis, das alle Anhänger der Partei mit Spannung erwarteten, vollendet haben werde. Eher als im Mittelalter sei es jetzt möglich, in unserer Zeit, die ja auch die Civilehe, dieses gesetzlich anerkannte Concubinat, eingeführt habe, dass ein solches Jus primae noctis durch einen Reichsrathsbeschluss zum Gesetz erhoben würde, freilich nicht mehr als Vorrecht des Adels, der verpönt sei, sondern der Bankiers, Advokaten und liberalen Professoren. Versetzen Sie sich Herr Graf, rief er salbungsvoll, um fünfhundert Jahre zurück, und nehmen wir an, wir Alle hätten damals gelebt, Ihr Herr Oheim, die Frau Tante, Sie, meine Braut und ich. Lässt es sich annehmen, dass Ihr gottesfürchtiger Herr Oheim, auf dessen Gut ja meine Braut geboren ist, auch nur im Traume daran denken könnte, sich an meinem Hochzeitstage ein solches Recht anmassen zu wollen? Und im Mittelalter, wo die Kirche noch in ihrem vollen verdienten Ansehen stand, waren alle Gutsherren so fromm wie Ihr Herr Oheim und hielten eine kirchlich eingesegnete Ehe gewiss sobald er sein Werk über das Jus primae noctis, das alle Anhänger der Partei mit Spannung erwarteten, vollendet haben werde. Eher als im Mittelalter sei es jetzt möglich, in unserer Zeit, die ja auch die Civilehe, dieses gesetzlich anerkannte Concubinat, eingeführt habe, dass ein solches Jus primae noctis durch einen Reichsrathsbeschluss zum Gesetz erhoben würde, freilich nicht mehr als Vorrecht des Adels, der verpönt sei, sondern der Bankiers, Advokaten und liberalen Professoren. Versetzen Sie sich Herr Graf, rief er salbungsvoll, um fünfhundert Jahre zurück, und nehmen wir an, wir Alle hätten damals gelebt, Ihr Herr Oheim, die Frau Tante, Sie, meine Braut und ich. Lässt es sich annehmen, dass Ihr gottesfürchtiger Herr Oheim, auf dessen Gut ja meine Braut geboren ist, auch nur im Traume daran denken könnte, sich an meinem Hochzeitstage ein solches Recht anmassen zu wollen? Und im Mittelalter, wo die Kirche noch in ihrem vollen verdienten Ansehen stand, waren alle Gutsherren so fromm wie Ihr Herr Oheim und hielten eine kirchlich eingesegnete Ehe gewiss <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0029" n="27"/> sobald er sein Werk über das <hi rendition="#i">Jus primae noctis</hi>, das alle Anhänger der Partei mit Spannung erwarteten, vollendet haben werde. Eher als im Mittelalter sei es jetzt möglich, in unserer Zeit, die ja auch die Civilehe, dieses gesetzlich anerkannte Concubinat, eingeführt habe, dass ein solches <hi rendition="#i">Jus primae noctis</hi> durch einen Reichsrathsbeschluss zum Gesetz erhoben würde, freilich nicht mehr als Vorrecht des Adels, der verpönt sei, sondern der Bankiers, Advokaten und liberalen Professoren. Versetzen Sie sich Herr Graf, rief er salbungsvoll, um fünfhundert Jahre zurück, und nehmen wir an, wir Alle hätten damals gelebt, Ihr Herr Oheim, die Frau Tante, Sie, meine Braut und ich. Lässt es sich annehmen, dass Ihr gottesfürchtiger Herr Oheim, auf dessen Gut ja meine Braut geboren ist, auch nur im Traume daran denken könnte, sich an meinem Hochzeitstage ein solches Recht anmassen zu wollen? Und im Mittelalter, wo die Kirche noch in ihrem vollen verdienten Ansehen stand, waren alle Gutsherren so fromm wie Ihr Herr Oheim und hielten eine kirchlich eingesegnete Ehe gewiss </p> </div> </body> </text> </TEI> [27/0029]
sobald er sein Werk über das Jus primae noctis, das alle Anhänger der Partei mit Spannung erwarteten, vollendet haben werde. Eher als im Mittelalter sei es jetzt möglich, in unserer Zeit, die ja auch die Civilehe, dieses gesetzlich anerkannte Concubinat, eingeführt habe, dass ein solches Jus primae noctis durch einen Reichsrathsbeschluss zum Gesetz erhoben würde, freilich nicht mehr als Vorrecht des Adels, der verpönt sei, sondern der Bankiers, Advokaten und liberalen Professoren. Versetzen Sie sich Herr Graf, rief er salbungsvoll, um fünfhundert Jahre zurück, und nehmen wir an, wir Alle hätten damals gelebt, Ihr Herr Oheim, die Frau Tante, Sie, meine Braut und ich. Lässt es sich annehmen, dass Ihr gottesfürchtiger Herr Oheim, auf dessen Gut ja meine Braut geboren ist, auch nur im Traume daran denken könnte, sich an meinem Hochzeitstage ein solches Recht anmassen zu wollen? Und im Mittelalter, wo die Kirche noch in ihrem vollen verdienten Ansehen stand, waren alle Gutsherren so fromm wie Ihr Herr Oheim und hielten eine kirchlich eingesegnete Ehe gewiss
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Zitationshilfe: | Spitzer, Daniel: Das Herrenrecht. Eine Novelle in Briefen. Wien, 1877, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spitzer_herrenrecht_1877/29>, abgerufen am 16.07.2024. |