Spindler, Christian Gotthold: Unschuldige Jugend-Früchte. Leipzig, 1745.Trauer-Brieffe. Bis eine freche Faust den Zirckel ihm entreißt,Und ihn mit Ungestüm erblaßt zu Boden schmeißt. So eben gieng es dir, kaum eh du dichs versehen, So ists durch einen Schlag, o Freund! um dich geschehen. Da liegst du nun erstarrt; du denckst den Cörpern nach, Und da du kaum gedacht, findst du dein Schlaf- Gemach. Nun weist du jedes Ding vollkommen recht zu nennen, Nunmehro wirst du erst die Weißheit recht erkennen, Nun ist das Stückwerck aus, dein Wissen ist erhöht, Das nun auf festem Grund, und nicht auf Schrau- ben steht. Weil deine Wissenschafft, beliebter Freund, ge- stiegen, So gönnt man dir die Ruh mit innigsten Vergnügen. Trauer-Zeilen, Bey Absterben einer verlobten Braut, die kurtz vor dem Hoch- zeit-Feste im HErrn selig entschlaffen/ dem Herrn Bräu- tigam zum Troste zugeschrieben. 1744. Jst denn mein Freyheits-Tag erschienen, O süssester Jmmanuel! Soll dir nunmehro ewig dienen Die dir so treu ergebne Seel? Soll mir gleich nicht auf dieser Erden Der Braut-Schmuck hier zu Theile werden, So bin ich doch zu dir gelangt, Allwo vor dir, o meine Wonne, Mein Schönster, Leben, Licht und Sonne Mein Glaube unaufhörlich prangt. So
Trauer-Brieffe. Bis eine freche Fauſt den Zirckel ihm entreißt,Und ihn mit Ungeſtuͤm erblaßt zu Boden ſchmeißt. So eben gieng es dir, kaum eh du dichs verſehen, So iſts durch einen Schlag, o Freund! um dich geſchehen. Da liegſt du nun erſtarrt; du denckſt den Coͤrpern nach, Und da du kaum gedacht, findſt du dein Schlaf- Gemach. Nun weiſt du jedes Ding vollkom̃en recht zu nennen, Nunmehro wirſt du erſt die Weißheit recht erkennen, Nun iſt das Stuͤckwerck aus, dein Wiſſen iſt erhoͤht, Das nun auf feſtem Grund, und nicht auf Schrau- ben ſteht. Weil deine Wiſſenſchafft, beliebter Freund, ge- ſtiegen, So goͤnnt man dir die Ruh mit iñigſten Vergnuͤgen. Trauer-Zeilen, Bey Abſterben einer verlobten Braut, die kurtz vor dem Hoch- zeit-Feſte im HErrn ſelig entſchlaffen/ dem Herrn Braͤu- tigam zum Troſte zugeſchrieben. 1744. Jſt denn mein Freyheits-Tag erſchienen, O ſuͤſſeſter Jmmanuel! Soll dir nunmehro ewig dienen Die dir ſo treu ergebne Seel? Soll mir gleich nicht auf dieſer Erden Der Braut-Schmuck hier zu Theile werden, So bin ich doch zu dir gelangt, Allwo vor dir, o meine Wonne, Mein Schoͤnſter, Leben, Licht und Sonne Mein Glaube unaufhoͤrlich prangt. So
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Trauer-Brieffe.
Bis eine freche Fauſt den Zirckel ihm entreißt,
Und ihn mit Ungeſtuͤm erblaßt zu Boden ſchmeißt.
So eben gieng es dir, kaum eh du dichs verſehen,
So iſts durch einen Schlag, o Freund! um dich
geſchehen.
Da liegſt du nun erſtarrt; du denckſt den Coͤrpern
nach,
Und da du kaum gedacht, findſt du dein Schlaf-
Gemach.
Nun weiſt du jedes Ding vollkom̃en recht zu nennen,
Nunmehro wirſt du erſt die Weißheit recht erkennen,
Nun iſt das Stuͤckwerck aus, dein Wiſſen iſt erhoͤht,
Das nun auf feſtem Grund, und nicht auf Schrau-
ben ſteht.
Weil deine Wiſſenſchafft, beliebter Freund, ge-
ſtiegen,
So goͤnnt man dir die Ruh mit iñigſten Vergnuͤgen.
Trauer-Zeilen,
Bey Abſterben einer verlobten Braut, die kurtz vor dem Hoch-
zeit-Feſte im HErrn ſelig entſchlaffen/ dem Herrn Braͤu-
tigam zum Troſte zugeſchrieben. 1744.
Jſt denn mein Freyheits-Tag erſchienen,
O ſuͤſſeſter Jmmanuel!
Soll dir nunmehro ewig dienen
Die dir ſo treu ergebne Seel?
Soll mir gleich nicht auf dieſer Erden
Der Braut-Schmuck hier zu Theile werden,
So bin ich doch zu dir gelangt,
Allwo vor dir, o meine Wonne,
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