Spindler, Christian Gotthold: Unschuldige Jugend-Früchte. Leipzig, 1745.Vermischte Send-Schreiben. Doch halt; der Himmel steht auch grossen Sündernoffen, Wenn man nur in der Zeit die Missethat bereut. Hinweg, verdammter Dolch, ich will noch Gnade hoffen, Mein Heiland rufft mir zu: Jtzt ist die Gnaden-Zeit. Hier liegt, erzürnter GOtt, auf tiefgebognen Knien, Ein Kind, das hundertmahl die Hölle schon verdient, Jch sag, ich bin verdammt, sprich du, es ist verziehen, Du hast ja einen Sohn, der alle Welt versühnt. Du siehst, daß ich die Schuld durch Heucheln nicht beschöne, Jch bin der Höllen werth, das sag ich offenbahr, Jch bin die Sünderin Maria Magdalene, Die eine Dienerin von steben Teufeln war. Du bist ja noch der GOtt, so Missethat vergiebet, Du bist ja noch der GOtt, so Buß und Glauben acht, Du bist ja noch der GOtt, so alle Menschen liebet, Du bist ja noch der GOtt, so Sünder selig macht. Das glaubet jederman, daß wegen kleiner Sünden, Wenn Buß und Glauben folgt, dein Vater-Hertze bricht, Doch daß ein Mensch wie ich bey dir kan Gnade finden, Das glaubet in der Welt der zehnte Sünder nicht. Wohlan! ich bin verföhnt, die Sünden sind vergeben, Sieh mein Exempel an, diß wünsch ich inniglich, Du bleibest in der Welt, ich geh ins Closter-Leben, Das ist mein Abschieds-Wort: Thu Busse, beßre dich. 21) Schrei- J 5
Vermiſchte Send-Schreiben. Doch halt; der Himmel ſteht auch groſſen Suͤndernoffen, Wenn man nur in der Zeit die Miſſethat bereut. Hinweg, verdammter Dolch, ich will noch Gnade hoffen, Mein Heiland rufft mir zu: Jtzt iſt die Gnaden-Zeit. Hier liegt, erzuͤrnter GOtt, auf tiefgebognen Knien, Ein Kind, das hundertmahl die Hoͤlle ſchon verdient, Jch ſag, ich bin verdammt, ſprich du, es iſt verziehen, Du haſt ja einen Sohn, der alle Welt verſuͤhnt. Du ſiehſt, daß ich die Schuld durch Heucheln nicht beſchoͤne, Jch bin der Hoͤllen werth, das ſag ich offenbahr, Jch bin die Suͤnderin Maria Magdalene, Die eine Dienerin von ſteben Teufeln war. Du biſt ja noch der GOtt, ſo Miſſethat vergiebet, Du biſt ja noch der GOtt, ſo Buß und Glauben acht, Du biſt ja noch der GOtt, ſo alle Menſchen liebet, Du biſt ja noch der GOtt, ſo Suͤnder ſelig macht. Das glaubet jederman, daß wegen kleiner Suͤnden, Wenn Buß und Glauben folgt, dein Vater-Hertze bricht, Doch daß ein Menſch wie ich bey dir kan Gnade finden, Das glaubet in der Welt der zehnte Suͤnder nicht. Wohlan! ich bin verfoͤhnt, die Suͤnden ſind vergebẽ, Sieh mein Exempel an, diß wuͤnſch ich inniglich, Du bleibeſt in der Welt, ich geh ins Cloſter-Leben, Das iſt mein Abſchieds-Wort: Thu Buſſe, beßre dich. 21) Schrei- J 5
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Vermiſchte Send-Schreiben.
Doch halt; der Himmel ſteht auch groſſen Suͤndern
offen,
Wenn man nur in der Zeit die Miſſethat bereut.
Hinweg, verdammter Dolch, ich will noch Gnade
hoffen,
Mein Heiland rufft mir zu: Jtzt iſt die Gnaden-Zeit.
Hier liegt, erzuͤrnter GOtt, auf tiefgebognen Knien,
Ein Kind, das hundertmahl die Hoͤlle ſchon verdient,
Jch ſag, ich bin verdammt, ſprich du, es iſt verziehen,
Du haſt ja einen Sohn, der alle Welt verſuͤhnt.
Du ſiehſt, daß ich die Schuld durch Heucheln nicht
beſchoͤne,
Jch bin der Hoͤllen werth, das ſag ich offenbahr,
Jch bin die Suͤnderin Maria Magdalene,
Die eine Dienerin von ſteben Teufeln war.
Du biſt ja noch der GOtt, ſo Miſſethat vergiebet,
Du biſt ja noch der GOtt, ſo Buß und Glauben
acht,
Du biſt ja noch der GOtt, ſo alle Menſchen liebet,
Du biſt ja noch der GOtt, ſo Suͤnder ſelig macht.
Das glaubet jederman, daß wegen kleiner Suͤnden,
Wenn Buß und Glauben folgt, dein Vater-Hertze
bricht,
Doch daß ein Menſch wie ich bey dir kan Gnade
finden,
Das glaubet in der Welt der zehnte Suͤnder nicht.
Wohlan! ich bin verfoͤhnt, die Suͤnden ſind vergebẽ,
Sieh mein Exempel an, diß wuͤnſch ich inniglich,
Du bleibeſt in der Welt, ich geh ins Cloſter-Leben,
Das iſt mein Abſchieds-Wort: Thu Buſſe, beßre
dich.
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