Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spindler, Karl: Die Engel-Ehe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–66. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Wo der Arlberg steil niedergeht ins Land an der Iller, am Rhein und am Bodensee, liegt der kleine Ort Stuben. Das Posthaus daselbst ist wenig besser als die umher zerstreuten Wohnungen der Bauern, was sein Aeußeres anbelangt. In seinem Innern dagegen hat es eine Stube, die an Traulichkeit schwerlich ihres Gleichen findet. Wohl erhellt durch mehrere Fenster und sauber aufgeputzt mit Schränken und Geräthschaften aller Art, ist sie der Aufbewahrungsort aller Glas- und Porzellanschätze, die das Haus besitzt. Ein paar reinliche aber altväterische Tische füllen, mit den dazu gehörigen Sesseln und dem breiten Kanapee, den innern Raum; eine hübsche Hecke von Kanarienvögeln ist an einem der Fenster, Käfiche mit andern Vögeln sind an den übrigen zu schauen; an dem getäfelten Plafondgesimse laufen grüne Ranken, festgehalten von weißen Bändern, hin und beschatten die Sänger des Waldes. In der Ecke gegen die Straße ist das Bild des Gekreuzigten aufgerichtet, umgeben von Heiligenbildern; an der Decke schwebt die hölzerne Taube, die Versinnlichung des heiligen Geistes. Die geschnitzten Friese der Schränke sind mit Porzellan- und Thonfiguren besetzt, unter welchen die eines kaiserlichen Soldaten

Wo der Arlberg steil niedergeht ins Land an der Iller, am Rhein und am Bodensee, liegt der kleine Ort Stuben. Das Posthaus daselbst ist wenig besser als die umher zerstreuten Wohnungen der Bauern, was sein Aeußeres anbelangt. In seinem Innern dagegen hat es eine Stube, die an Traulichkeit schwerlich ihres Gleichen findet. Wohl erhellt durch mehrere Fenster und sauber aufgeputzt mit Schränken und Geräthschaften aller Art, ist sie der Aufbewahrungsort aller Glas- und Porzellanschätze, die das Haus besitzt. Ein paar reinliche aber altväterische Tische füllen, mit den dazu gehörigen Sesseln und dem breiten Kanapee, den innern Raum; eine hübsche Hecke von Kanarienvögeln ist an einem der Fenster, Käfiche mit andern Vögeln sind an den übrigen zu schauen; an dem getäfelten Plafondgesimse laufen grüne Ranken, festgehalten von weißen Bändern, hin und beschatten die Sänger des Waldes. In der Ecke gegen die Straße ist das Bild des Gekreuzigten aufgerichtet, umgeben von Heiligenbildern; an der Decke schwebt die hölzerne Taube, die Versinnlichung des heiligen Geistes. Die geschnitzten Friese der Schränke sind mit Porzellan- und Thonfiguren besetzt, unter welchen die eines kaiserlichen Soldaten

<TEI>
  <text>
    <pb facs="#f0006"/>
    <body>
      <div n="1">
        <p>Wo der Arlberg steil niedergeht ins Land an der Iller, am Rhein und am Bodensee,                liegt der kleine Ort Stuben. Das Posthaus daselbst ist wenig besser als die umher                zerstreuten Wohnungen der Bauern, was sein Aeußeres anbelangt. In seinem Innern                dagegen hat es eine Stube, die an Traulichkeit schwerlich ihres Gleichen findet. Wohl                erhellt durch mehrere Fenster und sauber aufgeputzt mit Schränken und Geräthschaften                aller Art, ist sie der Aufbewahrungsort aller Glas- und Porzellanschätze, die das                Haus besitzt. Ein paar reinliche aber altväterische Tische füllen, mit den dazu                gehörigen Sesseln und dem breiten Kanapee, den innern Raum; eine hübsche Hecke von                Kanarienvögeln ist an einem der Fenster, Käfiche mit andern Vögeln sind an den                übrigen zu schauen; an dem getäfelten Plafondgesimse laufen grüne Ranken,                festgehalten von weißen Bändern, hin und beschatten die Sänger des Waldes. In der                Ecke gegen die Straße ist das Bild des Gekreuzigten aufgerichtet, umgeben von                Heiligenbildern; an der Decke schwebt die hölzerne Taube, die Versinnlichung des                heiligen Geistes. Die geschnitzten Friese der Schränke sind mit Porzellan- und                Thonfiguren besetzt, unter welchen die eines kaiserlichen Soldaten<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0006] Wo der Arlberg steil niedergeht ins Land an der Iller, am Rhein und am Bodensee, liegt der kleine Ort Stuben. Das Posthaus daselbst ist wenig besser als die umher zerstreuten Wohnungen der Bauern, was sein Aeußeres anbelangt. In seinem Innern dagegen hat es eine Stube, die an Traulichkeit schwerlich ihres Gleichen findet. Wohl erhellt durch mehrere Fenster und sauber aufgeputzt mit Schränken und Geräthschaften aller Art, ist sie der Aufbewahrungsort aller Glas- und Porzellanschätze, die das Haus besitzt. Ein paar reinliche aber altväterische Tische füllen, mit den dazu gehörigen Sesseln und dem breiten Kanapee, den innern Raum; eine hübsche Hecke von Kanarienvögeln ist an einem der Fenster, Käfiche mit andern Vögeln sind an den übrigen zu schauen; an dem getäfelten Plafondgesimse laufen grüne Ranken, festgehalten von weißen Bändern, hin und beschatten die Sänger des Waldes. In der Ecke gegen die Straße ist das Bild des Gekreuzigten aufgerichtet, umgeben von Heiligenbildern; an der Decke schwebt die hölzerne Taube, die Versinnlichung des heiligen Geistes. Die geschnitzten Friese der Schränke sind mit Porzellan- und Thonfiguren besetzt, unter welchen die eines kaiserlichen Soldaten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:06:51Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:06:51Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spindler_engel_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spindler_engel_1910/6
Zitationshilfe: Spindler, Karl: Die Engel-Ehe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–66. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spindler_engel_1910/6>, abgerufen am 22.11.2024.