Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spindler, Karl: Die Engel-Ehe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–66. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

dieses Verkehrs ein vertrauliches Verhältniß zwischen ihm und dem Geretteten herstellte, konnte Georg's öfteres Verweilen in Hagenbach's Hause seiner Brodherrin kein Geheimniß bleiben. Was machst du denn in Gottes Namen beim Nachbar drüben? fragte die Zürnende eines Tages. Der Knecht nahm diese und jene Ausrede. Es ist all' erlogen, rief die mehr und mehr Erbitterte hierauf: du bist ein Tuckelmauser. Ich will dir sagen, was du mir nicht sagst: du bist in das Mädel vernarrt, in die boshafte, einfältige, heuchlerische Dirne, und du wirst noch ins größte Unglück rennen. -- Georg lächelte ruhig und erwiderte: Weil Ihr's denn doch einmal wißt, so will ich Euch unverholen sagen, daß mir Vreneli recht gefällt, und daß ich sie recht lieb habe; denn sie verdient's. -- Der Wittwe blieb fast der Athem aus, da sie Georg's Sprache hörte: Blinder Tropf, schalt sie: ein Weibsbild, das schon Einer sitzen gelassen? -- Eben darum, Frau. Ich kann mir denken, -- sprach Georg mit schwermüthigem Ausdruck -- wie weh das Verlassenwerden thun muß. -- Eine Prinzessin Habenichts, auf die alle Welt mit Fingern zeigt! -- Eben darum. Was geht mich die böse und dumme Welt an? -- Die nichtsnützige Tochter einer blödsinnigen Mutter, eines bettelhaften Landstreichers! -- Oho, Frau Trümpy! macht's nicht zu arg. Das Vreneli ist brav, die Mutter ist krank, und der Vater ist mir schon recht, und wenn Ihr ihn tausendmal nicht leiden könnt! -- So?

dieses Verkehrs ein vertrauliches Verhältniß zwischen ihm und dem Geretteten herstellte, konnte Georg's öfteres Verweilen in Hagenbach's Hause seiner Brodherrin kein Geheimniß bleiben. Was machst du denn in Gottes Namen beim Nachbar drüben? fragte die Zürnende eines Tages. Der Knecht nahm diese und jene Ausrede. Es ist all' erlogen, rief die mehr und mehr Erbitterte hierauf: du bist ein Tuckelmauser. Ich will dir sagen, was du mir nicht sagst: du bist in das Mädel vernarrt, in die boshafte, einfältige, heuchlerische Dirne, und du wirst noch ins größte Unglück rennen. — Georg lächelte ruhig und erwiderte: Weil Ihr's denn doch einmal wißt, so will ich Euch unverholen sagen, daß mir Vreneli recht gefällt, und daß ich sie recht lieb habe; denn sie verdient's. — Der Wittwe blieb fast der Athem aus, da sie Georg's Sprache hörte: Blinder Tropf, schalt sie: ein Weibsbild, das schon Einer sitzen gelassen? — Eben darum, Frau. Ich kann mir denken, — sprach Georg mit schwermüthigem Ausdruck — wie weh das Verlassenwerden thun muß. — Eine Prinzessin Habenichts, auf die alle Welt mit Fingern zeigt! — Eben darum. Was geht mich die böse und dumme Welt an? — Die nichtsnützige Tochter einer blödsinnigen Mutter, eines bettelhaften Landstreichers! — Oho, Frau Trümpy! macht's nicht zu arg. Das Vreneli ist brav, die Mutter ist krank, und der Vater ist mir schon recht, und wenn Ihr ihn tausendmal nicht leiden könnt! — So?

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0039"/>
dieses Verkehrs ein vertrauliches                Verhältniß zwischen ihm und dem Geretteten herstellte, konnte Georg's öfteres                Verweilen in Hagenbach's Hause seiner Brodherrin kein Geheimniß bleiben. Was machst                du denn in Gottes Namen beim Nachbar drüben? fragte die Zürnende eines Tages. Der                Knecht nahm diese und jene Ausrede. Es ist all' erlogen, rief die mehr und mehr                Erbitterte hierauf: du bist ein Tuckelmauser. Ich will dir sagen, was du mir nicht                sagst: du bist in das Mädel vernarrt, in die boshafte, einfältige, heuchlerische                Dirne, und du wirst noch ins größte Unglück rennen. &#x2014; Georg lächelte ruhig und                erwiderte: Weil Ihr's denn doch einmal wißt, so will ich Euch unverholen sagen, daß                mir Vreneli recht gefällt, und daß ich sie recht lieb habe; denn sie verdient's. &#x2014;                Der Wittwe blieb fast der Athem aus, da sie Georg's Sprache hörte: Blinder Tropf,                schalt sie: ein Weibsbild, das schon Einer sitzen gelassen? &#x2014; Eben darum, Frau. Ich                kann mir denken, &#x2014; sprach Georg mit schwermüthigem Ausdruck &#x2014; wie weh das                Verlassenwerden thun muß. &#x2014; Eine Prinzessin Habenichts, auf die alle Welt mit Fingern                zeigt! &#x2014; Eben darum. Was geht mich die böse und dumme Welt an? &#x2014; Die nichtsnützige                Tochter einer blödsinnigen Mutter, eines bettelhaften Landstreichers! &#x2014; Oho, Frau                Trümpy! macht's nicht zu arg. Das Vreneli ist brav, die Mutter ist krank, und der                Vater ist mir schon recht, und wenn Ihr ihn tausendmal nicht leiden könnt! &#x2014; So?<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0039] dieses Verkehrs ein vertrauliches Verhältniß zwischen ihm und dem Geretteten herstellte, konnte Georg's öfteres Verweilen in Hagenbach's Hause seiner Brodherrin kein Geheimniß bleiben. Was machst du denn in Gottes Namen beim Nachbar drüben? fragte die Zürnende eines Tages. Der Knecht nahm diese und jene Ausrede. Es ist all' erlogen, rief die mehr und mehr Erbitterte hierauf: du bist ein Tuckelmauser. Ich will dir sagen, was du mir nicht sagst: du bist in das Mädel vernarrt, in die boshafte, einfältige, heuchlerische Dirne, und du wirst noch ins größte Unglück rennen. — Georg lächelte ruhig und erwiderte: Weil Ihr's denn doch einmal wißt, so will ich Euch unverholen sagen, daß mir Vreneli recht gefällt, und daß ich sie recht lieb habe; denn sie verdient's. — Der Wittwe blieb fast der Athem aus, da sie Georg's Sprache hörte: Blinder Tropf, schalt sie: ein Weibsbild, das schon Einer sitzen gelassen? — Eben darum, Frau. Ich kann mir denken, — sprach Georg mit schwermüthigem Ausdruck — wie weh das Verlassenwerden thun muß. — Eine Prinzessin Habenichts, auf die alle Welt mit Fingern zeigt! — Eben darum. Was geht mich die böse und dumme Welt an? — Die nichtsnützige Tochter einer blödsinnigen Mutter, eines bettelhaften Landstreichers! — Oho, Frau Trümpy! macht's nicht zu arg. Das Vreneli ist brav, die Mutter ist krank, und der Vater ist mir schon recht, und wenn Ihr ihn tausendmal nicht leiden könnt! — So?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:06:51Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:06:51Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spindler_engel_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spindler_engel_1910/39
Zitationshilfe: Spindler, Karl: Die Engel-Ehe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–66. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spindler_engel_1910/39>, abgerufen am 25.11.2024.